Prof. Dr. Martin Schöpflin
A. Allgemeines zur juristischen Person.
I. Begriff und Entstehung.
Rn 1
Juristische Personen sind Vereinigungen ihrer Mitglieder oder bloße Organisationen (Stiftungen), denen das Gesetz als solchen Rechtsfähigkeit zuerkennt, die entweder durch Eintragung in ein Register bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen (System der Normativbestimmungen, §§ 21, 22; 1 I, 41 I AktG; 13 I, II GmbHG; 17 GenG) oder aufgrund staatlicher Anerkennung (Konzessionssystem, §§ 22, 80 II 1 BGB; 15 VAG) erworben wird, so dass Publizität gewährleistet ist. Typischerweise haftet nur das Vermögen der Vereinigung und nicht das Privatvermögen der Mitglieder. Nach deutschem Recht gibt es keine freie Körperschaftsbildung iSd Entstehung privatrechtlicher juristischer Personen ohne Konzessionierung oder Registereintragung.
II. Zweck.
Rn 2
Die juristische Person dient dazu, Kräfte auf effiziente Weise zu bündeln (Konzentrationsfunktion), sei es im ideellen oder im wirtschaftlichen Bereich (Kapitalsammelstelle), um einen Zweck überindividuell, also unabhängig vom Mitgliederwechsel, zu verfolgen (Perpetuierungsfunktion). Die juristische Person schließt die Haftung ihrer Mitglieder aus, wenn die Haftungsbeschränkung mit der jeweiligen Rechtsform verbunden ist. Daran fehlt es hinsichtlich des Komplementärs der KGaA (§ 278 I AktG) und uU bei den Genossen einer eG mit unbeschränkter oder beschränkter Haftpflicht (§§ 6 Nr 3, 105 GenG).
III. Arten.
Rn 3
Juristische Personen des Privatrechts mit körperschaftlicher Struktur sind eV, konzessionierter wirtschaftlicher Verein des BGB, AG, eG, GmbH, KGaA und VVaG. Für die Vereinigungen der Spezialgesetze gelten die §§ 21 ff lückenfüllend subsidiär, weil der Verein die Grundform der Vereinigungen mit Rechtspersönlichkeit darstellt. Die Stiftung des Privatrechts ist keine Personenvereinigung, sondern ein zugunsten des Stiftungszwecks besonders organisiertes Vermögen. Juristische Personen des Öffentlichen Rechts sind öffentlich-rechtliche Körperschaften, Anstalten und Stiftungen, die nach eigenen Regeln entstehen.
IV. Abgrenzung.
Rn 4
Rechtsfähige Personengesellschaften (§ 14 I, 1059a II) sind aufgrund der Reform durch das MoPeG (Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts v 10.8.21, BGBl I, 3436) die rechtsfähige GbR (§ 705 II), die OHG, KG, PartG (§§ 105 II, 161 II HGB, 1 IV PartGG mit § 705 BGB) sowie die EWIV (Art 1 II EWIV-VO). Da nach den genannten Vorschriften die Gesellschaften selbst Rechte und Pflichten haben, stehen diese nicht den Gesellschaftern zu. Daher sind die rechtsfähigen Personengesellschaften keine Gesamthandgemeinschaften mehr. Das Gleiche gilt für den VoRp (§ 54). Gesamthandgemeinschaften sind damit nur noch die Güter- und die Erbengemeinschaft. Als allgemeines Unterscheidungsmerkmal von juristischen Personen und rechtsfähigen Personengesellschaften bleibt neben dem grds Haftungsausschluss bei der juristischen Person (Rn 2) nur noch der unterschiedliche Entstehungstatbestand: Konzession oder Registereintragung bei den juristischen Personen, (Gesellschafts-)Vertrag oder Gesetz (Erbengemeinschaft) bei der Personengesellschaft. Denn auch die gem § 707 vorgesehene Registereintragung ist für die Entstehung der GbR nicht konstitutiv.
B. Umfang und Grenzen der Rechtsfähigkeit.
I. Umfang.
Rn 5
Die Rechtsfähigkeit der juristischen Person ist umfassend, betrifft also nicht nur die Vermögensfähigkeit, so dass die juristische Person zB auch Träger von einzelnen Persönlichkeitsrechten wie des Namensrechts sein kann und auch als Inhaberin von Grundrechten in Betracht kommt (Art 19 III GG). Sie ist aber nicht fähig, Subjekt von Rechtsbeziehungen zu sein, die nur zwischen natürlichen Personen möglich sind, zB von familienrechtlichen Beziehungen. Die juristische Person kann zwar nicht vererben, aber Erbin oder Testamentsvollstreckerin sein. Das alles gilt auch für die rechtsfähige Personengesellschaft.
II. ultra-vires-Lehre.
Rn 6
Die ultra-vires-Lehre, nach der nicht vom Gesellschaftszweck gedeckte Akte von der Rechtsfähigkeit nicht umfasst sind, gilt im deutschen Recht für juristische Personen des Privatrechts nicht. Im Vereinsrecht kann stattdessen die Vertretungsmacht des Vorstands eingeschränkt werden (§ 26 I 3), was bei anderen juristischen Personen aber ausscheidet (s §§ 82 I AktG, 37 II GmbHG, 27 II GenG).
III. Handlungs- und Deliktsfähigkeit.
Rn 7
Die juristische Person handelt durch ihre Organe, die mit den Organwaltern besetzt sind – der Verein handelt also zB durch seinen Vorstand, der mit den Vorstandsmitgliedern besetzt ist. Diese Sichtweise entspricht der Organtheorie v Gierkes, die sich gegen Savignys Vertretertheorie durchgesetzt hat, nach der die juristische Person einer unmündigen natürlichen Person entspricht, die im Rechtsverkehr vertreten werden muss (s. Beuthien NJW 99, 1142). Das rechtswidrige, insbes das deliktische Verhalten der Organe wird der juristischen Person nach § 31 zugerechnet.
IV. Durchgriff.
1. Allgemeines.
Rn 8
Es gilt das Trennungsprinzip, dh die juristische Person ist ggü ihren Mitgliedern verselbstständigt, die Vermögenssphären sind streng getrennt. Soweit kein besonderer Haftungsgrund vorliegt (zB Übernahme einer Bürgschaft, Delikt oder § 278 I AktG) haften die Mitglieder der juristischen Person ni...