Prof. Dr. Michael Stürner
Rn 1
Der durch das SchRModG eingefügte Untertitel 2 enthielt zunächst va das alte G über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften v 16.1.86 (HWiG) in den §§ 312, 312a aF und das FernabsatzG v 27.6.00 in den §§ 312b bis 312d aF. Beide Vorschriftengruppen wie auch § 312i aF dienten der Umsetzung der HausTWRL und der FernabsRL. Durch das VerbrKrRL-UG wurden die §§ 312 ff mWv 11.6.10 teilweise modifiziert, um sie europarechtlichen Vorgaben anzupassen. Zu beachten ist die Übergangsregelung in Art 229 § 22 II EGBGB.
Rn 2
Durch das Gesetz zur Anpassung der Vorschriften über den Wertersatz bei Widerruf von Fernabsatzverträgen und über verbundene Verträge vom 27.7.11 (FernabsAnpG, BGBl I 1600), in Kraft getreten am 4.8.11, wurden die §§ 312e und f aF neu eingefügt. Die vorherigen §§ 312e bis 312g aF wurden zu den §§ 312g bis 312i aF. Übergangsregelung: Art 229 § 27 EGBGB.
Rn 3
Die bislang durchgreifendste Reform wurde durch die Notwendigkeit der Umsetzung der RL 2011/83/EU vom 25.10.11 über Rechte der Verbraucher (ABl EU Nr L 304 v 22.11.11, 64, Verbraucherrechterichtlinie, VRRL, Nw s 18. Aufl), in nationales Recht bewirkt. Die VRRL gilt für Verträge, die nach dem 13.6.14 geschlossen werden (Art 28 II VRRL). Die VRRL ersetzt sowohl die HausTWRL als auch die FernabsRL. Sie führt eine Vollharmonisierung der Regelungen über Fernabsatzverträge u Verträge, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden, herbei. Es ist den Mitgliedstaaten daher im Grundsatz – abw vom bisher geltenden Recht – verboten, ein höheres Schutzniveau in ihrem Recht zu errichten als von der Richtlinie vorgegeben (s etwa die Beiträge in Stürner, Vollharmonisierung im Europäischen Verbraucherrecht?, 10). Zentrale Bedeutung kommt dem Widerrufsrecht des Verbrauchers und den vorvertraglichen Informationspflichten des Unternehmers zu. Geregelt sind weiterhin Aspekte des Verbraucherkaufs, insb bzgl Erfüllung und Gefahrübergang. Das am 1.8.12 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs zum besseren Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher vor Kostenfallen im elektronischen Geschäftsverkehr und zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes (BGBl I 1084; sog ›Buttonlösung‹) enthielt bereits eine Teilumsetzung der VRRL (näher § 312j Rn 1).
Rn 4
Das Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vom 20.9.13, BGBl I 3642 (VRRL-UG) hat die §§ 312 ff, 355 ff grundlegend umgestaltet (Nw s 18. Aufl). Der Bundestag hat es am 14.6.13 verabschiedet (BTDrs 17/12637 in der Fassung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses BTDrs 17/13951). Es trat am 13.6.14 in Kraft (Art 15 VRRL-UG). Die Reform zieht allgemeine Vorschriften für alle Verbraucherverträge und Definitionen ›vor die Klammer‹. Weiter werden das Widerrufsrecht und die Informationspflichten bei Fernabsatzverträgen und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen einander angeglichen. Ferner gliedert das Gesetz Sondervorschriften, die nur für einzelne Widerrufsrechte gelten, aus den §§ 312 ff aus und stellt sie in den Regelungszusammenhang der §§ 355 ff nF (s.a. Vor §§ 355 ff Rn 2). Zu beachten sind die Übergangsvorschriften in Art 229 § 32 EGBGB.
Rn 4a
Durch Art 4 Nr 5 RL 2019/2161 zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union (ABl L 328 v 18.12.19, 7) wurde ein neuer Art 6a in die VRRL eingefügt (Anwendung seit 28.5.22). Dieser schuf zusätzliche besondere Informationspflichten bei auf Online-Marktplätzen geschlossenen Verträgen (Umsetzung in § 312l). Daneben enthält diese RL weitere Änderungen der VRRL, u.a. der Definitionen in Art 2 und der sachlichen Reichweite in Art 3. Das Gesetz v. 10.8.21 zur Änderung des BGB und des EGBGB in Umsetzung der EU-RL zur besseren Durchsetzung und Modernisierung der Verbraucherschutzvorschriften der Union und zur Aufhebung der Verordnung zur Übertragung der Zuständigkeit für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr 2006/2004 auf das BMJV (BGBl I 3483) setzte diese Vorgaben mWv 28.5.22 um. Die Reform brachte Änderungen in den §§ 312 ff, aber auch in den §§ 355 ff. Darüber hinaus erfolgten Änderungen zum 1.7.22 aufgrund des Gesetzes für faire Verbraucherverträge (Gesetz v. 10.8.21 – BGBl I 3433).
Rn 5
Wegen der europarechtlichen Fundierung der §§ 312 ff folgt für sie aus Art 288 III AEUV das Erfordernis der richtlinienkonformen Auslegung (BGHZ 150, 248, 253 ff; s.a. Einl Rn 35 f) und ggf auch Rechtsfortbildung (BGHZ 179, 27, Rz 21 ff ›Quelle‹; BGHZ 192, 148 Rz 30 ff ›Weber und Putz‹). Zu den verfassungsrechtlichen Grenzen richtlinienkonformer Auslegung und Rechtsfortbildung BVerfG NJW 12, 669 [BVerfG 26.09.2011 - 2 BvR 2216/06; 2 BvR 469/07] Rz 45 ff. Das Gebot der unionsrechtskonformen Rechtsfindung erstreckt sich darüber hinaus auf die gesamte Rechtsordnung, nicht nur auf das konkrete Umsetzungsgesetz (EuGH 5.10.04, C-397/01 – Pfeiffer, EuZW 04, 691, 696 mN). Soweit eine nationale Vorschrift über das durch di...