Prof. Dr. Michael Stürner
Rn 1
Der Rücktritt bedeutet die Ausübung eines Gestaltungsrechts: Dieses verwandelt den Inhalt eines Vertrages derart, dass dieser in ein Abwicklungsschuldverhältnis übergeht. Die §§ 346 ff regeln va diese Rückabwicklung. Dagegen sagen sie nichts über den Grund des Rücktritts: Dieser kann auf Vereinbarung oder auf Gesetz beruhen. Wichtige gesetzliche Anwendungsfälle finden sich in den §§ 313 III 1, 323, 324, 326 V, beim Kauf iVm §§ 440, 437 Nr 2, beim Werkvertrag iVm §§ 636, 634 Nr 3. Auf einzelne Vorschriften des Rücktrittsrechts wird etwa in den §§ 281 V, 283 2 verwiesen. Zwingend sind die §§ 346 ff nur, soweit das in der Vorschrift über den Rücktrittsgrund bestimmt ist, etwa in § 476 I; zudem in AGB nach § 309 Nr 2.
Rn 2
Vom Rücktritt eines auf Erfüllung gerichteten Vertrages durch Umwandlung in ein Rückgewährschuldverhältnis sind zu unterscheiden (1.) die Kündigung, die bei Dauerschuldverhältnissen weithin den Rücktritt verdrängt; sie wirkt nur für die Zukunft (s § 314); (2.) die Anfechtung nach §§ 142 f; sie vernichtet den Vertrag rückwirkend und führt zur Abwicklung nach Bereicherungsrecht; (3.) der Eintritt einer auflösenden Bedingung, § 158 II; seine Folgen sind in den §§ 159 ff geregelt, wenn man nicht schon dem bedingten Geschäft eine Regelung entnehmen kann; (4.) der Widerruf einer Schenkung, § 530, der nach § 531 II ins Bereicherungsrecht führt; (5.) die Ausübung eines Wiederkaufrechts (s BGH NJW 02, 505 [BGH 20.11.2001 - VI ZR 77/00]), doch können hier uU die Vorschriften des Rücktrittsrechts entspr angewendet werden (BGH NJW 72, 1191); (6.) die Rückabwicklung eines ›schädlichen‹ Vertrages nach Schadensersatzrecht, insb wegen cic (§ 311 II mit 249 I, s § 311 Rn 66).
Rn 3
Der in den §§ 355–361 geregelte verbraucherschützende Widerruf (das in § 356 aF geregelte Rückgaberecht wurde durch das VRRL-UG ersatzlos gestrichen) ähnelt dem Rücktritt nach den §§ 346 ff. Diese Vorschriften beruhen weithin auf EU-Richtlinien und sind insoweit zugunsten des Verbrauchers zwingend (zur richtlinienkonformen Auslegung Vor §§ 312 ff Rn 5). Die Widerrufsgründe sind anderswo geregelt, nämlich in den §§ 312g, 485, 495, 510, 512, dazu in § 4 FernUSG.
Rn 4
Insgesamt beruht die Fassung der §§ 346–361 weitgehend auf dem SchRModG: Dieses hat va einen Anspruch auf Wertersatz eingeführt (§ 346 II) und Gründe für das Erlöschen des Rücktrittsrechts abgeschafft (§§ 351–353 aF). Zudem sind Verweisungen auf die §§ 987 ff aufgelöst worden. Die alte Regelung für das Fixgeschäft (§ 361 aF) findet sich jetzt etwas verändert in § 323 II Nr 2. Die neuen Vorschriften über den verbraucherschützenden Widerruf (§§ 355 ff) haben die kurzlebige Regelung in den §§ 361a, b und in Sondergesetzen (HWiG, FernAbsG, VerbrKrG) ersetzt. Hier ist die Formulierung durch den höheren Abstraktionsgrad (Abstellen auf den Verbrauchervertrag) vereinheitlicht, aber teils auch schwerer lesbar geworden. Die Umsetzung der VRRL durch das VRRL-UG, in Kraft getreten am 13.6.2014 (allg dazu Vor §§ 312 ff Rn 4), hat eine weitreichende Umgestaltung der §§ 355–361 mit sich gebracht. S näher Vor §§ 355 ff Rn 2.