Rn 1
Anwendungsziel der §§ 987 ff, welche ein gesetzliches Schuldverhältnis begründen, ist die Auflösung der Interessenlagen für die Fälle, in denen der Besitzer entweder nie ein Recht zum Besitz hatte oder dieses Recht später verloren hat, mithin § 986 nicht (mehr) einschlägig sein kann. Es besteht einerseits ein Interesse des Eigentümers am Erhalt möglichst aller Nutzungen, die der Besitzer gezogen hat, und andererseits – sofern der Besitzer Nutzungen, die er hätte ziehen können, nicht gezogen hat, oder wenn während des Besitzes Schaden an der Sache eingetreten ist – an einer entspr Schadloshaltung. Vorab ist die Systematik der §§ 987 ff zu bestimmen: Erster Prüfungsschritt ist immer die Feststellung, ob (noch) ein Recht zum Besitz gem § 986 besteht, das den Anspruch nach § 985 ausschließt. Wird dies verneint, muss der (frühere und derzeitige) Besitzer-Status geprüft werden. Die §§ 986 ff bezwecken in erster Linie den Schutz des rechtmäßigen, gutgläubigen, nicht verklagten und entgeltlichen, insb aber auch nicht deliktischen Eigenbesitzers vor Nutzungs- bzw Schadensersatzansprüchen. Hinzu kommt für diese Besitzer die Zubilligung von Ansprüchen auf Verwendungsersatz, §§ 994 ff.
Rn 2
Die Abgrenzung zum nicht rechtmäßigen, bösgläubigen, (berechtigt) mit einer Klage überzogenen oder deliktischen Eigenbesitzer ist als zweiter Schritt unumgänglich. Dazu ist auch – als dritte Prüfungsstufe – die Zeitschiene, oftmals auch iRd Nachvollzugs des Besitz-Weges (›Besitzbrücke‹), aufzuzeigen. Ist diese Prüfung abgeschlossen, folgt – für den Eigentümer – die Untersuchung bzgl des Vorliegens von Nutzungen bzw nicht umgesetzter Nutzungsmöglichkeiten beim (unberechtigten) Besitzer. Gleiches gilt für Schäden – soweit diese vom Besitzer selbst verschuldet wurden. Dabei kann es in manchen Fällen hilfreich sein, einen Vergleich zwischen den Folgen der vorliegenden Ansprüche aus §§ 987 ff und einer hypothetischen Betrachtung unter der Prämisse eines wirksamen Vertrags (und somit eines Besitzrechtes gem § 986) vorzunehmen, um Wertungswidersprüche zu vermeiden. Weiter abzugrenzen sind aber davon Ansprüche des Eigentümers zB wegen Verarbeitung, Veräußerung oder Verbrauch der Sache durch den Besitzer: Dafür gelten die allgemeinen Ansprüche zB auf Schadensersatz, §§ 249 ff, nicht aber greifen die Besitzer-Schutzregelungen der §§ 987 ff. Umgekehrt sind Verwendungen des Besitzers auf die Sache nach Art, Umfang, Notwendigkeit, Zeit und Kosten festzustellen. Nach diesem vierten Schritt der Vorfeststellungen eröffnen die §§ 987 ff die Möglichkeit zur Bestimmung der einschlägigen Ansprüche. Diese stellen keine dinglichen, sondern auf einem gesetzlichen Schuldverhältnis beruhende Ansprüche dar. Diese können folglich vom Eigentumsrecht getrennt werden und gehen so bei einem Eigentumswechsel nicht automatisch auf den Neueigentümer über. Insb sind damit auch allgemeine schuldrechtliche Regeln (zB Verjährung/Verzug) anwendbar, soweit nicht §§ 987 ff vorgehen.
Rn 3
Soweit dem Besitzer ein auf § 273 I begründendes Zurückbehaltungsrecht zusteht, werden nach der Rspr des BGH (NJW 02, 1050, 1052) die §§ 987 ff auch dann angewendet. Da ein Zurückbehaltungsrecht aber nach vorzugswürdiger Ansicht der Lit kein Recht zum Besitz gibt, ist eine direkte Anwendung der §§ 987 ff ohne weiteres möglich (s.o. § 986 Rn 6; zum Meinungsstreit: MüKo/Raff Vor § 987 Rz 26f).
Rn 4
Entspr Anwendung finden die §§ 987 ff auch iRd § 894 (Grundbuchberichtigung) und des § 1004 (Unterlassung), da diese Gesetze keine eigenen Abwicklungsregelungen enthalten, obwohl sie ebenfalls dingliche Ansprüche beinhalten. Die hM bejaht dies insb für Grundstücks-Verwendungen, wenn ein Berichtigungsanspruch geltend gemacht wird (BGHZ 41, 30; 75, 288).
Rn 5
Eine Anwendung der §§ 987 ff auf den sog ›nicht-so-berechtigten‹ Besitzer, also denjenigen der sein Besitzrecht (zB aus § 535) überschreitet, ist abzulehnen. Solche vom Besitzrecht nicht mehr umfasste Handlungen stellen vielmehr vertragliche Pflichtverletzungen dar, für die der Weg über die §§ 280 ff eröffnet ist (zB unerlaubtes Untervermieten durch Mieter, BGH NJW 02, 60 [BGH 21.09.2001 - V ZR 228/00]).