Prof. Dr. Juliana Mörsdorf
I. Unterschiedliche Anknüpfung von Vor- und Nachname.
Rn 3
Unter Name iSd Art 10 fällt uneingeschränkt der Familienname inkl des Adelstitels. Die Berechtigung zur Führung akademischer Grade ist hingegen eine Angelegenheit des öffentlichen Rechts und in Deutschland Ländersache. Für den Vornamen (zu dessen Funktion allg Grünberger AcP 207 (2007) 314) soll wegen seiner fehlenden sozialen Zuordnungsfunktion zwar die Anknüpfung des I (Frankf FamRZ 12, 370; Hambg StAZ 20, 243: auch für Strich zwischen zwei Vornamen) nicht aber die Rechtswahlmöglichkeit des III gelten, so dass er stets dem Heimatrecht des Kindes unterliege (KG StAZ 99, 172 [KG Berlin 24.11.1998 - 1 W 1503/98]; zweifelnd Frankf StAZ 00, 238 [OLG Frankfurt am Main 17.02.2000 - 20 W 86/98]). Qualifikationsprobleme ergeben sich insofern im Hinblick auf dem deutschen Sachrecht unbekannte Namensbestandteile wie russischer, ukrainischer oder tamilischer Vatersname oder arabischer Zwischenname, sowie im Hinblick auf Rechtsordnungen, die ausschl Individualnamen verwenden, die nicht auf die nächste Generation übergehen. Bisher stellt die Rspr überw darauf ab, ob der Name von Generation zu Generation weitergegeben wird (BayObLG IPRspr 87 Nr 5; AG München IPRspr 92 Nr 15), was bei keinem der genannten Namensbestandteile der Fall ist. Jedoch ist die Weitergabe an die nächste Generation als zwingendes Kriterium durch BGH FamRZ 99, 570 in Frage gestellt worden. Wegen des Bezugs zur Familie qualifiziert Frankf (FamRZ 12, 370) den ukrainischen Vaternamen – unbeschadet personenstandsrechtlicher Eintragung in die für Vornamen vorgesehene Spalte – als Familiennamen und wendet Art 10 II an. Der BGH wendet Art 10 III auf den bulgarischen (NJW-RR 22, 361) ebenso wie auf den russischen (NJW-RR 22, 1153) Vatersnamen an, die unverzichtbar und nicht frei wählbar sind. Ebenso schon KG FamRZ 18, 1000, allerdings unter Verweis auf die europäische Freizügigkeit u EuGH C-541/15 Freitag = ECLI:EU:C:2017:432. Wie Vornamen werden die in einigen amerikanischen Rechtsordnungen bekannten Mittelnamen (Name eines Elternteils oder anderen Vorfahrens) behandelt (KG FamRZ 00, 53; Hamm StAZ 83, 71; Frankf StAZ 76, 363); gleiches gilt für Zusätze wie ›junior‹ oder ›senior‹, soweit sie überhaupt Namensbestandteile sind (AG Coburg StAZ 90, 106).
II. Namensträger.
Rn 4
Art 10 ist nur auf natürliche Personen anwendbar, wie seine systematische Stellung im Abschnitt ›Recht der natürlichen Personen und Rechtsgeschäfte‹ zeigt. Bei juristischen Personen richtet sich auch der Name nach dem nach der Sitz- oder Gründungstheorie gebildeten Gesellschaftsstatut (s.u. IntGesR Rn 10 sub I.3), was als Personalstatut aufgefasst und als Analogie zu Art 10 verstanden werden kann. Fragen einer Firma als Handelsname richten sich auch bei natürlichen Personen nach dem Recht des Sitzes des Unternehmens bzw. der Zweigniederlassung (Kegel/Schurig § 17 IV 3). Für den Schutz der Firma wird teilw deliktisch angeknüpft (LG Berlin IPRspr 97 Nr 136; Karlsr AfP 99, 378), teilw an den Staat, in dessen Gebiet der Schutz beansprucht wird (Stuttg RIW 91, 954; Grüneberg/Thorn Rz 5). Bei dauernder Geschäftstätigkeit in Deutschland gewährt die Rspr Schutz nach deutschem Recht (BGHZ 75, 172; Ddorf RIW 90, 404).
III. Erfasste Tatbestände.
Rn 5
Unter das Namensstatut fällt zunächst die Bildung des Namens, ua ob etwaige Namenszusätze, auch religiöse Zusätze wie die aus Indien und Pakistan bekannten ›Singh‹ und ›Kaur‹ in den Individualnamen aufgenommen werden, weibliche Sonderformen uä (Hamm OLGZ 82, 34; StAZ 86, 10), sowie die Schreibweise (zur Transliteration s.u. Rn 16). Unter das Namensstatut fallen ferner Erwerb, Verlust und Führung des Namens, auch nach Auflösung der Ehe (MüKo/Winkler v Mohrenfels Art 17 Rz 208; Staud/Mankowski Art 17 Rz 260; Lüderitz IPRax 87, 77), wobei aber anstelle eines für den Ehenamen gewählten Rechts auch wieder auf das eigene Heimatrecht (Henrich IPRax 86, 336; Kropholler § 43 II 3; Looschelders Rz 51) oder das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts (MüKo/Birk Rz 96) zurückgegriffen werden darf oder eine erneute Rechtswahl nach II analog zugelassen wird (Frankf StAZ 05, 47 [BayObLG 16.11.2004 - 1 Z BR 84/04]; Dresd StAZ 04, 70 [OLG Celle 29.10.2003 - 15 UF 84/03]; s.a. Rn 11). Ferner fällt unter das Namensstatut die Frage, wem das Namensbestimmungsrecht zusteht (Ddorf IPRspr 89 Nr 11; Hamm IPRax 83, 296; AG Essen IPRax 98, 213; aA AG Duisburg IPRspr 87, Nr. 80: Eltern-Kind-Statut, heute Art 21). Gelangt im Fall einer Namenserteilung – zB einer Einbenennung iSd § 1618 BGB – im Wege der Rechtswahl gem III Nr 3 ein anderes Recht als das Heimatrecht des Kindes zur Anwendung, so ist dieses (oder deutsches Recht) dennoch gem Art 23 für die Notwendigkeit und Erteilung der Zustimmung des Kindes und seiner Verwandten zur Namenserteilung zusätzlich heranzuziehen. Schließlich fällt unter Art 10 auch die private Namensänderung (BayObLG FamRZ 00, 55; zur im anglo-amerikanischen Rechtskreis möglichen Änderung ohne besonderen Grund: Hambg IPRspr 80 Nr 184, dazu vgl auch München FamRZ 09, 1581 u IPRax 10, 452).
Rn 6
Behördli...