Prof. Dr. Juliana Mörsdorf
Rn 8
Anknüpfungspunkt für das Namensrecht ist grds die Staatsangehörigkeit. Mit dieser Anknüpfung sollen Kontinuität und Stabilität gewährleistet werden. Das rechtfertigt allerdings keine durch das Führen unterschiedlicher Namen in verschiedenen Mitgliedstaaten bewirkte Einschränkung der in Art 21 AEUV garantierten Freizügigkeit. Daher muss in EU-Binnenfällen der Heimatstaat den im Geburtsstaat eingetragenen Kindesnamen jedenfalls dann anerkennen, wenn dieser Staat zugleich Aufenthaltsstaat ist (EuGH C-353/06 Grunkin Paul dazu Aufs Rieck NJW 09, 125; Funken FamRZ 08, 2091 u Lehmann Yearbook of Priv Int Law X (08) 156 f, 164: freie Wahl zwischen den Anknüpfungspunkten Geburtsort u Staatsangehörigkeit), es sei denn, Gründe der öffentlichen Ordnung des Mitgliedstaates rechtfertigen die Verweigerung der Anerkennung (EuGH C-208/09 Sayn-Wittgenstein zum Verfassungsrang der Abschaffung von Adelstiteln als Namensbestandteil in Österreich; ähnl bzgl der Beschränkung v Adelstiteln in Deutschland BGH NJOZ 19, 361 als Folgeentscheidung zu EuGH C-438/14 Bogendorff von Wolffersdorff); dazu Mansel/Thorn/Wagner IPRax 10, 4 ff), zu EU-Mehrstaatern Rn 10 aE. In ›Umsetzung‹ dieser EuGH-Rspr ist sodann Art 48 geschaffen worden.
I. Anknüpfungspersonen.
Rn 9
Nach I ist auf die Staatsangehörigkeit des Namensträgers abzustellen. Nach II u III können bei entspr Erklärung stattdessen auch diejenige des Ehegatten, Lebenspartners (Art 17b II 1) oder Namenserteilenden zum Zuge kommen. Der irreführenden Formulierung des II ist nicht ohne Weiteres anzusehen, dass gerade nicht die Wahl eines Namens, sondern nur des anwendbaren Rechts ermöglicht wird. Zugunsten deutschen Namensrechts besteht noch eine weitere Wahlmöglichkeit: Lebt einer der Ehegatten, Lebenspartner oder ein Elternteil in Deutschland, so ermöglichen die Exklusivnormen (zum Begriff s Art 3 EGBGB Rn 32) der Nrn 2 die Wahl deren Aufenthaltsrechts.
II. Maßgebliche Staatsangehörigkeit.
Rn 10
Tritt mit dem namensrechtlich relevanten Vorgang wie Heirat, Vaterschaftsanerkennung oder Adoption, zugleich ein Wechsel der Staatsangehörigkeit ein, knüpft die Rspr für den Kindesnamen an die neue (BGH FamRZ 83, 881), für den Ehenamen aber an die bisherige Staatsangehörigkeit an (BGHZ 72, 163; BayObLG IPRax 87, 242), was einen Gleichlauf zum Eheschließungsstatut (Art 13) herstellt; gegen Letzteres wird überzeugend eingewandt, dass es gerade um den nach der Eheschließung und damit während der neuen Staatsangehörigkeit zu führenden Namen gehe (Soergel/Schurig Rz 27 Fn 1a; Hepting/Gaaz Rz III-807; BeckOK/Mäsch Rz 33); für die Entscheidung zwischen alter und neuer Staatsangehörigkeit könne Art 5 I herangezogen werden, in der Weise, dass die neue Staatsangehörigkeit maßgeblich sei, wenn es sich dabei um die deutsche oder die effektive handelt. Im Hinblick auf die Behandlung von Mehrstaatern ist zu unterscheiden, ob nach I angeknüpft wird oder nach II oder III. Bei I richtet sich die Frage, auf welche Staatsangehörigkeit abzustellen ist, nach Art 5 I, allerdings (jedenfalls bei EU-Mehrstaatern) mit der Maßgabe eines Wahlrechts zwischen den Staatsangehörigkeiten (str, Mörsdorf-Schulte IPRax 04, 326 zu EuGH C-148/02 Garcia Avello, s. Art 5 Rz 22, 26; s.a. Sturm StAZ 10, 147; s. zu EU-Mehrstaater auch EuGH C-541/15 Freitag). Im Falle einer nach II oder III getroffenen Wahl des Namensrechts suspendieren deren Nrn 1 ausdrücklich von dem Auswahlmechanismus des Art 5 I (KG FamRZ 18, 1000 zu II: deutsch-bulgarische Mutter; KG FGPrax 20, 49 zu III: deutsch-britische Ehegatten); für die Rechtswahl nach III Nr 3 muss dasselbe gelten (Grüneberg/Thorn Rz 22). Für Staatenlose, Vertriebene und Flüchtlinge gelten die betreffenden Staatsverträge, sonst Art 5 (s. dort Art 5 EGBGB Rn 11 ff).
III. Rechtswahl.
Rn 11
Die Wirksamkeit der Rechtswahl beurteilt sich nach deutschem Sachrecht (Grüneberg/Thorn Rz 22). Sie muss ggü dem Standesbeamten erklärt werden bzw der deutschen Botschaft (BGH NJW-RR 22, 361 [BGH 08.12.2021 - XII ZB 60/18]); nach den Regeln der Substitution ggf auch ggü einem ausl Funktionsäquivalent (Ddorf StAZ 10, 110; Grüneberg/Thorn Rz 21; Erman/Hohloch Rz 33; Looschelders Rz 58; BeckOK/Mäsch Rz 46; aA MüKo/Birk Rz 114), wobei in diesem Fall die Erklärung zur Wirksamkeit im Inland zusätzlich gem § 41 II PStG dem das Familienbuch führenden Standesbeamten, hilfsweise dem Standesamt I in Berlin zugehen muss (Staud/Hepting Rz 180; BeckOK/Mäsch Rz 44). Dies kann entweder bei Eheschließung (auch konkludent, Ddorf FamRZ 10, 1559), Registrierung der Lebenspartnerschaft oder Beurkundung der Geburt geschehen oder zu einem späteren Zeitpunkt (zB Hamm StAZ 08, 343 [OLG Hamm 08.10.2007 - 15 W 155/07]). Nur im letzteren Fall (AA Hepting StAZ 98, 138: auch bei Geburt) ist eine öffentliche Beglaubigung erforderlich (§ 129 BGB, durch Notar oder durch Standesbeamten nach § 41 I Nr 4 PStG). Die Rechtswahl für den Ehenamen und den Kindesnamen kann unabhängig voneinander erfolgen; für verschiedene Kinder können grds unterschiedliche Rechte gewählt werden (Grüneberg/Thorn Rz 23; BeckOK/Mäsch Rz 75; Looschel...