Prof. Dr. Juliana Mörsdorf
Rn 12
Vornahmeort ist der Ort, an dem die Parteien, die für den Abschluss des Rechtsgeschäfts erforderlichen Willenserklärungen abgeben (AG Berlin-Schöneberg StAZ 02, 81 [OLG Schleswig 04.10.2001 - 2 W 163/01]; MüKo/Spellenberg Rz 125), was bei Nutzung einer Videokonferenz oder des Internets der Aufenthaltsort der Eheschließenden ist (Köln StAZ 22, 214; VG Düsseldorf NZFam 22, 377; VG Augsburg BeckRS 22, 15351). Auf den Ort des Zugangs kommt es daher nicht an (KG IPRax 94, 217; Stuttg OLGZ 81, 164). Auch ist es unerheblich, ob der Ort nur vorübergehend oder ausschl zum Zwecke des Geschäftsabschlusses, etwa mit der Absicht der Kosteneinsparung, aufgesucht wird (RGZ 62, 381 f; Ddorf RIW 89, 225; Stuttg RPfl 82, 137; Frankf WM 81, 948; LG München I FamRZ 99, 1307; Soergel/Kegel Rz 43; aA Geimer DNotZ 81, 410; Winkler NJW 72, 981). Ist aufgrund des Geschäftsstatuts sachrechtlich eine Vornahme im Ausland untersagt, wie dies teilw für Vorgänge unter dem Gesellschaftsstatut angenommen wird (nach Hambg NJW-RR 93, 1317 für Hauptversammlung deutscher Aktiengesellschaft; aA Biehler NJW 00, 1244 f; Bungert AG 95, 26; v Bar/Grothe IPRax 94, 269 [OLG Hamburg 07.05.1993 - 2 Wx 55/91]; Gesellschafterversammlung einer GmbH ist dagegen inzwischen unstr zulässig, Ddorf RIW 89, 225; Schervier NJW 92, 597), so kann es ohnehin nicht zum wirksamen Vertragsschluss und der Relevanz der Ortstatuts kommen. Hält das Ortsrecht keine Formvorschriften bereit, weil es das vorzunehmende Rechtsgeschäft nicht kennt (Formenleere, zB Erbvertrag in Frankreich und Italien), so ist die Heranziehung von Formvorschriften eines in Funktion und Ausgestaltung vergleichbaren Rechtsinstituts zu versuchen; ist auch auf diesem Wege keine Regelung zu ermitteln, so geht die Verweisung auf das Ortsrecht ins Leere und es verbleibt beim Geschäftsrecht (RGZ 160, 229 f; Schlesw FamRZ 12, 132; KG FamRZ 93, 1363 f; MüKo/Spellenberg Rz 137; Soergel/Kegel Rz 19, 23; Lorenz IPRax 94, 196).
Rn 13
Bei Distanzgeschäften (Vertragsschlüsse über die Grenze hinweg) reicht nach II schon, dass eines der beiden Ortsstatute den Vertrag für formwirksam hält (BGHZ 121, 235 zur Gültigkeit einer formlosen Bürgschaftserklärung). Bei einseitigen Rechtsgeschäften kann II nicht eingreifen, weil hier nicht die Abgabeorte mehrerer Erklärungen divergieren, sondern allenfalls Abgabe und Zugangsort (dazu Rn 12) derselben Erklärung.
Rn 14
Bei Stellvertretergeschäften ist Vornahmeort nach III ausschl der Aufenthaltsort des Vertreters (vgl BGHZ 121, 235; VG Magdeburg BeckRS 20, 12578). Auf einseitige Rechtsgeschäfte ist III analog anzuwenden (Erman/Hohloch Rz 31). Beim Boten dagegen ist Vornahmeort der Übergabeort der Erklärung durch den Geschäftsherrn an den Erklärungsboten bzw der Ort der Entgegennahme der Erklärung vom Empfangsboten (Looschelders Rz 29).