I. Anknüpfung.
Rn 5
Da für die Beurteilung der Abstammung eines Kindes grds auf den Zeitpunkt der Geburt abzustellen ist (BGH FamRZ 17, 1687, 1689), kommt Art 19 in seiner heutigen Fassung uneingeschränkt nur für seit dessen Inkrafttreten (1.7.98) geborene Kinder zur Anwendung. Für davor Geborene ergibt sich aus Art 224 § 1 I nicht nur in sachrechtlicher, sondern auch in kollisionsrechtlicher Hinsicht (Hamm FamRZ 05, 291 mwN) die grds Anwendbarkeit des früheren Rechts – dazu u. Rn 19 ff.
Rn 6
Art 19 I enthält insgesamt vier untereinander gleichwertige Alternativen zur Bestimmung des Abstammungsstatuts. Grundsatzanknüpfung ist I 1: Danach ist abzustellen auf den gewöhnl Aufenthalt des Kindes (Aufenthaltsstatut). Diese Anknüpfung ist wandelbar, dh maßgebend ist der jeweilige Zeitpunkt, in welchem die Abstammung festgestellt werden soll. Der Zeitpunkt der Geburt kommt zwar in Betracht, bei späterem Aufenthaltswechsel des Kindes u danach erst erfolgender Klärung der Abstammung wird jedoch auf die Rechtsordnung des neuen Aufenthalts verwiesen (zur Bewahrung erworbener Rechtsstellung Celle FamRZ 11, 1518; jurisPK/Gärtner/Duden Rz 39 f. – Anders Hamm FamRZ 12, 1504). Der gewöhnl Aufenthalt eines Neugeborenen entsteht nur bei körperlicher Anwesenheit (KG FamRZ 21, 438 zust Anm Rieländer u Aufs Franck StAZ 21, 39; abl Aufs Wall StAZ 22, 133. – Zur Problematik auch Coester-Waltjen FS Kronke [20] 39 ff). Der gewöhnl Aufenthalt eines im Ausland von einer Leihmutter geborenen Kindes, das entspr dem übereinstimmenden Willen aller an der Leihmutterschaft beteiligten Personen alsbald nach der Geburt rechtmäßig nach Deutschland verbracht wird, ist in Deutschland (Nürnbg FamRZ 21, 1807; Kvit/Spickhoff FamRZ 23, 653, 658). Ein vorheriger gewöhnl Aufenthalt im Geburtsland bestand dann nicht (BGH NJW 19, 1605 Anm Löhnig u Anm v Bary FamRZ 19, 892 [Ukraine]; Berkl StAZ 20, 258, 263f).
Rn 7
Weitere Anknüpfungen ergeben sich aus Art 19 I S 2 u 3. Nach I 2 kann die Abstammung von der Mutter nach deren Heimatrecht, die Abstammung vom Vater nach dessen Heimatrecht bestimmt werden; Anknüpfungspunkt ist die Staatsangehörigkeit des jeweiligen Elternteils (Personalstatut). Hierbei sind die Besonderheiten zu beachten, welche sich für Staatenlose, Flüchtlinge, anerkannte Asylberechtigte, Volksdeutsche, Aussiedler u Spätaussiedler ergeben (s dazu Art 5 EGBGB). Besitzt der Elternteil mehrere Staatsangehörigkeiten, ist die Vorrangregelung des Art 5 I 1 u 2 zu beachten. Das Statut nach 2 ist wandelbar, dh nach einem Staatsangehörigkeitswechsel des Elternteils ist bei danach erfolgender Abstammungsfeststellung an die neue Staatsangehörigkeit anzuknüpfen. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Entscheidung (BGH NJW 19, 1605 Anm Löhnig NZFam 19, 428 u Anm v Bary FamRZ 19, 892).
Rn 8
Daneben ist nach I 3 die Feststellung der Abstammung eines von einer verheirateten Frau geborenen Kindes sowohl im Verhältnis zur Mutter als auch im Verhältnis zum Vater zusätzlich über das gesetzliche Ehewirkungsstatut des Art 14 II (früher Abs 1) möglich. Diese Vorschrift ist dabei modifiziert zu lesen, da sie unwandelbar auf den Zeitpunkt der Geburt des Kindes zu beziehen ist (Junker IPR § 19 Rz 30). War der Ehemann vorher verstorben, ist der Zeitpunkt seines Todes maßgebend (3 Hs 2). Für die in der Stufenleiter des Art 14 II Nr 1–3 bereitgestellten Anknüpfungspunkte bedeutet das eine teilw eingeschränkte Anwendbarkeit: Art 14 II Nr 1 ist nur dann maßgebend, wenn bei der Geburt des Kindes (Tod des Ehemannes) beide Ehegatten dieselbe Staatsangehörigkeit besitzen. Auch hierbei sind die Besonderheiten zu beachten, welche sich für Staatenlose, Flüchtlinge, anerkannte Asylberechtigte, Volksdeutsche, Aussiedler u Spätaussiedler ergeben. Haben die Ehegatten eine gemeinsame Staatsangehörigkeit, besitzt jedoch einer von ihnen (oder beide) eine weitere Staatsangehörigkeit, ist ebenfalls die Vorrangregelung des Art 5 I 1 u 2 zu beachten. Bei Art 14 II Nr 2 ist zu beachten, dass ›zuletzt‹ der Zeitpunkt der Geburt des Kindes (Zeitpunkt des Todes des Ehemanns) ist. Ansonsten ist nach Art 14 II Nr 4 unter Würdigung der zum Zeitpunkt der Geburt gegebenen Umstände auf die engste Verbindung beider Ehegatten zu einem Staat abzustellen (s Art 14 Rn 22). Bei gleichgeschlechtlicher Ehe findet eine analoge Anwendung des Art 19 I 3 statt (Art 17b V 1 nF).
Rn 9
IRd Anknüpfung über das gesetzliche Ehewirkungsstatut nach I 3 iVm 14 II kann sich die Frage der Wirksamkeit der mütterlichen Ehe ergeben. Diese Vorfrage ist selbstständig anzuknüpfen (vgl BGH FamRZ 81, 651; krit Helms StAZ 09, 297), dh zur materiellen Wirksamkeit nach Art 13 I (zur gleichgeschlechtlichen Ehe Art 17b IV, zuvor Celle FamRZ 11, 1518), zur Formwirksamkeit nach Art 13 III u 11 I.
Rn 10
Grundsatz- u Zusatzanknüpfungen sind gleichwertige Alternativen (BGH FamRZ 19, 890, 892 Anm v Bary; Grüneberg/Thorn Rz 6 – dagegen für Vorrang des S 1 Dethloff IPRax 05, 326, 329 [AG Hannover 13.05.2002 - 608 F 4451/01 Kl]; Rieländer NZFam 23, 1057, 1064; Andrae IntF...