1. Einzelne Fürsorgeverhältnisse.
Rn 3
Der sachliche Anwendungsbereich betrifft Entstehung, Ausübung, Änderung, Ende u Inhalt der Fürsorgeverhältnisse. Als solche werden genannt Vormundschaft, Betreuung und Pflegschaft.
2. Vormundschaft.
Rn 4
Die deutsche Vormundschaft (§§ 1773–1808 BGB) betrifft Minderjährige. Das gilt auch für Art 24. Die in manchen Rechtsordnungen anzutreffende ›Vormundschaft‹ von Eltern oder Elternteilen entspricht funktional der elterlichen Sorge iSd deutschen Rechts u fällt unter das Sorgestatut (Art 21).
3. Betreuung.
Rn 5
Die deutsche ›rechtliche Betreuung‹ (§§ 1814–1881 BGB) findet begrifflich u inhaltlich nur wenig deckungsgleiche Entsprechung im Ausland. Der Betreuung am nächsten kommen die ›Sachwalterschaft‹ des österreichischen Rechts, die ›sauvegarde de justice‹ des frz Rechts sowie ›bewind‹ (betr Vermögenssorge) u ›mentorschap‹ (betr Personensorge) des niederländischen Rechts. Etliche Staaten hingegen kennen nach wie vor Vormundschaft über – entmündigte – Volljährige. Gemeinsam ist diesen Rechtsinstituten die hoheitliche Fürsorge für Volljährige, die ihre eigenen Angelegenheiten selbst nicht erledigen können, mit Regelungen zur gesetzlichen Vertretung solcher Personen. Alle diese Rechtsformen unterfallen dem kollisionsrechtlichen Begriff ›Betreuung‹ in Art 24 (Gojowczyk FamRZ 20, 1615, 1624 ff; MüKo/Lipp Rz 19).
Rn 6
Ist also für einen im Ausland lebenden Deutschen im Inland Betreuung anzuordnen, ist deutsches Recht anzuwenden (zur Betreuung Deutscher auf Mallorca, Schulte-Bunert FuR 14, 334, 401). Kommt hingegen Betreuung für einen im Inland lebenden Ausländer ist Betracht, führt dies ebenfalls zum deutsche Recht.
Rn 7
Eine unmittelbare Anwendung deutschen Rechts ist möglich, wenn der Betroffene seinen gewöhnl Aufenthalt im Inland hat (I 2). Hat der Betroffene weder im In- noch im Ausland einen gewöhnl Aufenthalt, reicht sein schlichter Aufenthalt im Inland. Verlässt der ausl Betroffene, für den gem I 2 Betreuung in Anwendung deutschen Rechts angeordnet worden ist, Deutschland, wird die angeordnete Betreuung nicht gegenstandslos; sie entfällt erst mit Aufhebung der Betreuerbestellung (BayObLGZ 01, 324).
Rn 8
Ist Betreuung angeordnet worden, unterliegen ihr Umfang u ihre Wirkungen dem Recht des Staates, dessen Gericht/Behörde die Betreuung angeordnet hat. Dies gilt insb für die Geschäftsfähigkeit, die gesetzliche Vertretung, den angeordneten Einwilligungsvorbehalt, die Fürsorge u Aufsicht des BetreuungsG, die Vergütung, Haftung u Entlassung des Betreuers. Ebenso ist es bzgl der Genehmigungsbedürftigkeit des Handelns des Betreuers, von Hein IPRax 15, 198, 200 f.
4. Pflegschaft.
Rn 9
Für die Pflegschaft (§§ 1809 ff BGB) kommen in Betracht die Ergänzungspflegschaft iSv §§ 1809 ff BGB (BayObLG FamRZ 68, 105; LG Berlin FamRZ 71, 320; jurisPK/Gärtner/Duden Rz 10; aA (für Art 21) Schäuble BWNotZ 16, 5, 7; MüKo/Lipp Rz 56: Eltern-Kind-Beziehung; unentschieden: Staud/von Hein [19] Rz 13), u die Pflegschaft für ein ungeborenes Kind (§ 1810 BGB). Für die Anknüpfung des Statuts dieser Pflegschaften gelten dieselben kollisionsrechtlichen Vorschriften wie für die Vormundschaft – s.o. Rn 28 ff.
Rn 10
Die Bestellung eines Prozesspflegers als Notvertreter für einen nicht prozessfähigen, gesetzlich nicht vertretenen Beklagten durch das Prozessgericht (§ 57 ZPO) erfolgt lediglich im Interesse des Klägers. Sie ist keine Fürsorgemaßnahme für den prozessunfähigen Beklagten u daher weder als Pflegschaft iSv Art 24 noch als Schutzmaßnahme iSd KSÜ zu qualifizieren. Für sie gilt die lex fori.
Rn 11
Die Bestellung eines Verfahrensbeistands- oder -pflegers (§§ 158, 317 FamFG) erfolgt im Interesse des Minderjährigen. Der Verfahrenspfleger ist indes nicht selbst gesetzlicher Vertreter u schließt die Eltern nicht von ihrer gesetzlichen Vertretung aus. Die materiell-rechtlichen Vorschriften über die Pflegschaft (§§ 1809, 1813 BGB) sind auf die Verfahrenspflegschaft nicht anzuwenden (vgl Sternal/Giers FamFG § 276 Rz 26 mwN). Hieraus ergibt sich, dass sie in erster Linie der Gewährleistung eines dem betroffenen Minderjährigen ggü fairen Verfahrens dient u deshalb verfahrensrechtlicher Natur ist. Sie ist daher nicht als materiell-rechtliche Pflegschaft iSv Art 24 zu qualifizieren. Für sie gilt die lex fori (BRDrs 564/20 S 434).
Rn 12
Auch die Nachlasspflegschaft unterliegt Art 24. Nicht anwendbar ist das ErwSÜ (Röthel/Woitge IPRax 10, 409, 410).
Rn 13
Prozesspflegschaft (§ 57 ZPO) u Verfahrenspflegschaft (§§ 297 V, 317 FamFG) sind verfahrensrechtlich zu qualifizieren u unterfallen nicht Art 24 (s.o. Rn 18, Rn 19). Für sie gilt die lex fori (Junker IPR § 19 Rz 69).