Prof. Dr. Juliana Mörsdorf
a) Im Kontext von Sachrechtsvereinheitlichung.
Rn 16
Hinzu kommen – ebenfalls nach Sachzusammenhängen geordnet – vereinzelte europarechtliche Kollisionsnormen, die an das sachrechtsvereinheitlichende Verordnungsrecht angehängt sind, wie zB Art 2 I EWIV-VO (VO 2137/85/EWG, dazu Basedow NJW 96, 1926), Art 1 VO 295/91/EWG (vgl LG Frankfurt aM NJW-RR 98, 1589 [LG Frankfurt am Main 29.04.1998 - 2/1 S 45/96]) und Art 93 VO 1408/71/EWG idF von Anh I der VO 2001/83/EWG (vgl BGH NJW 04, 3111 [BGH 21.07.2004 - XII ZR 203/01]).
Rn 17
Auch soweit Sachrechtsvereinheitlichung durch europäische Richtlinien erfolgt, finden sich teilweise kollisionsrechtliche Vorgaben. Diese bedürfen der Umsetzung durch die Mitgliedstaaten. Für sechs Verbraucherschutzrichtlinien findet sie sich in Art 46b, der unter redaktioneller Anpassung an Art 6 ROM I den Art 29a abgelöst hat. Kollisionsrechtliche Rechtsangleichung fordern außerdem ua (Nennung weiterer RL bei MüKo/Sonnenberger Einl Rz 187) Art 10 InsiderRL (03/6/EG); Art 2 I RL über audiovisuelle Mediendienste (89/552/EWG; 97/36/EG; 07/65/EG) sowie Art 1 EntsendeRL (96/71/EG), zu der von EuGH NJW 12, 137 [EuGH 25.10.2011 - Rs. C-509/09; C-161/10] – eDate Advertising (Folgeentscheidung: BGH NJW 12, 2197 [BGH 08.05.2012 - VI ZR 217/08]) verneinten Streitfrage, ob auch Art 3 I der e-commerce-RL (00/31/EG), umgesetzt in § 3 TMG, so zu verstehen ist, s 7. Aufl. Im Einzelfall hat der EuGH außerdem aus dem Umstand punktueller europäischer Rechtsharmonisierung auf Grundlage einer RL, ohne dass diese eine kollisionsrechtliche Bestimmung enthielt, dennoch eine unmittelbar anwendbare kollisionsrechtliche Aussage (nämlich die Durchsetzung des von der RL vorgeschriebenen Ausgleichsanspruchs des Handelsvertreters als Eingriffsnorm, dazu s.u. Rn 30) entwickelt (EuGH NJW 01, 2007 – Ingmar).
b) Eigenständige Kollisionsrechtsvereinheitlichung.
Rn 18
Seitdem die EU in Art 65 Buchst b EGV (Art 81 Buchst c AEUV) eine (beschränkte) kollisionsrechtliche Rechtssetzungskompetenz erhalten hat, sind sukzessive ganze Anknüpfungsgegenstände erfassende, unmittelbar anwendbare europäische Kollisionsnormen erlassen worden. Ausgenommen von dieser Kompetenz ist Dänemark, das auch nicht wie das Vereinigte Königreich und Irland vom opt-in Gebrauch macht (zur staatsvertraglichen Erstreckung einzelner EU-VOen auf Dänemark Nielsen IPRax 07, 506; R. Wagner in: Gottwald (Hrsg) Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union, 2004, 257). Bereits die EuInsVO regelt neben Zuständigkeit und Anerkennung auch, welches Recht im Insolvenzverfahren anwendbar ist. Auf dem Gebiet des Internationalen Schuldrechts ist am 11.1.09 die sog ROM II zu außervertraglichen Schuldverhältnissen (Änderungsvorschlag bzgl Verjährungsfristen bei Verkehrsunfall KOM (2011) 274 endg S 11) in Kraft getreten, die als loi uniforme auch im Verhältnis zu Drittstaaten anwendbar ist (vgl Art 3 ROM II). Die autonome Regelung der außervertraglichen Schuldverhältnisse in Art 38 bis 42 EGBGB bleibt daneben nur noch hinsichtlich der in Art 1 II ROM II ausgenommenen Sachbereiche, namentlich Persönlichkeitsrechte und Kernenergie anwendbar, Art 40 III darüber hinaus zur Präzisierung des ordre pubic nach Art 26 ROM II. Die vertraglichen Schuldverhältnisse regelt, ebenfalls als loi uniforme, die sog ROM I, die seit 17.12.09 die Art 27–37 EGBGB und 7 ff EGVVG ersetzt. Im Verhältnis zu Dänemark könnte das Probleme im Hinblick auf die Fortgeltung des EVÜ schaffen, deren Lösung sich auch aus der Nachrangklausel des Art 20 EVÜ nicht ohne weiteres ergibt, dort aber ansetzen kann (f. Fortgeltung Magnus IPRax 10, 30/31). In Dänemark denkt man in Bezug auf die ROM I und II-VOen über Parallelübereinkommen mit der EU nach (Nielsen IPRax 07, 508). Die seit 18.6.11 anwendbare EuUnthVO gilt in ihren prozessrechtl Bestimmungen f sämtl EU-Mitgliedstaaten einschl Dänemark, f d Kollisionsrecht aber weder für Dänemark noch für das Vereinigte Königreich, wobei das Kollisionsrecht ohnehin nur in einem Verweis (Art 15 EuUnthVO) auf das Haager Prot von 2007 über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht (www.hcch.net, s.u. IPR-Anh 6) besteht. Art 18 EGBGB wurde infolge des Inkrafttretens der UnthVO gestrichen. Nach Ermächtigung gem Art 20 EUV durch Ratsbeschl v 12.7.10 (AblEU 2010 L189/12) ist das Internationale Recht der Ehescheidung und der Trennung ohne Auflösung des Ehebandes (sog ROM III; vgl deren Kommentierung als IPR-Anh 3) im Wege der ›verstärkten Zusammenarbeit‹ von inzw 17 Mitgliedstaaten vereinheitlicht worden; dazu Helms FamRZ 11, 1763; Gruber IPRax 12, 381; Mörsdorf-Schulte RabelsZ 77 (2013) 786. Als loi uniforme verdrängt die ROM III seit 21.6.12 den Art 17 I 1 nicht nur im Verhältnis zu den teilnehmenden Staaten; Art 17 und 46d sind dementsprechend durch Ges v 23.1.12 angepasst worden. Am 16.8.12 ist auch die EuErbVO in Kraft getreten, die seit 17.8.15 in allen Mitgliedstaaten außer Dänemark, dem Vereinigten Königreich und Irland anwendbar ist (ausf s.u. IPR-Anh 9) und eine Neufassung der Art 25 und 26 erforderlich machte. Ebenfalls mit uni...