Prof. Dr. Juliana Mörsdorf
Rn 39
Der Anknüpfungspunkt kann mittels Anknüpfungsperson, -grund und -zeitpunkt spezifiziert sein. So ist zB für die Todeserklärung nach Art 9 S 1 anzuknüpfen an die Staatsangehörigkeit (Anknüpfungsgrund) des Verschollenen (Anknüpfungsperson) im letzten Zeitpunkt, in dem er nach den vorhandenen Nachrichten noch gelebt hat (Anknüpfungszeitpunkt). Ist der Anknüpfungszeitpunkt nicht ausdrücklich fixiert, so ist grds von dessen ›Wandelbarkeit‹ auszugehen, dh es gilt der Anknüpfungsgrund zu dem Zeitpunkt, zu dem die Rechtsfrage sich stellt bzw die maßgeblichen Tatsachen sich ereignen (zB Art 10, 14 I Nr 1, 43; dazu im Kontext des deutsch-iranischen Niederlassungsabk auch Zweibr FamRBInt 07, 81 m Anm Mörsdorf-Schulte). Ob beim Schweigen der Kollisionsnorm zur Frage des Zeitpunktes ausnw Unwandelbarkeit angenommen werden kann (so zB zu Art 19 I 1 Hamm IPRax 05, 454 [OLG Hamm 18.06.2004 - 9 UF 153/02]; aA Grüneberg/Thorn Art 19 Rz 4; zu ex Art 28 Reithmann/Martiny/Mankowski Rz 124 allg Erman/Hohloch Art 3–42 Rz 42), ist ebenso eine Frage der Auslegung der betreffenden Kollisionsnorm (s.a. Art 19 EGBGB Rn 6 ff) wie diejenige der Reichweite eines gesetzlich angeordneten Statutenwechsels, vgl Mansel ZVglRWiss 86 (1987) 6 f zu ex Art 27 II. Unwandelbarkeit bedeutet jedoch nicht den Ausschluss jeglicher Änderung der Rechtslage: Etwaige Rechtsänderungen innerhalb der berufenen Rechtsordnung sind entsprechend deren intertemporalen Regeln zu beachten (München NJW-RR 11, 299 [OLG München 10.11.2010 - 31 Wx 53/10]; Hamm NJW-RR 10, 1091 [OLG Hamm 08.10.2009 - I-15 Wx 292/08]); eine Versteinerungstheorie ist insoweit abzulehnen (vgl Kropholler § 28 III). Im Falle der Wandelbarkeit ändert sich mit tatsächlicher Änderung des Anknüpfungspunktes ex nunc das anwendbare Recht (Statutenwechsel).
Rn 40
Abgeschlossene Tatbestände unterliegen jedoch dem Ausgangsstatut (BGHZ 63, 107, 111; Mörsdorf-Schulte ZfRV 10, 166; übersehen von BGHZ 183, 287). Unter dem ehemaligen Recht entstandene Rechtsverhältnisse werden von dem Statutenwechsel grds nicht beeinträchtigt (›wohlerworbene Rechte‹), sondern bereits eingetretene Rechtfolgen werden zunächst in das neue Statut übernommen (für das Sachenrecht vorausgesetzt in Art 43 II; einschr Grüneberg/Thorn Art 19 Rz 4, wonach das neue Statut auch darüber entscheide), das Wirkungsbeschränkungen vorsehen bzw eine
Rn 41
Transposition (Übersetzung) ihrer Wirkungen erforderlich machen kann, falls ihm die unter dem alten Recht entstandene Rechtsfolge unbekannt ist. Die Transponibilität hängt davon ab, inwieweit das betreffende neue Recht funktionsäquivalente Rechtsinstitute aufweist bzw die Ergebnisse der Transposition sachrechtlich dulden kann (ausl Mobiliarregisterpfandrecht lässt sich transponieren in deutsches Sicherungseigentum ggf mit Verwertungsweise des Faustpfands BGH NJW 91, 1415; BGHZ 39, 173; einschr Art 43 EGBGB Rn 17 Brinkmann). Ist eine Transposition nicht möglich, kann das Recht nicht ausgeübt werden, sich aber nach einem weiteren Statutenwechsel (jedenfalls wenn unter dem zwischenzeitlichen Statut keine gegenläufige Verfügung stattgefunden hat) wieder entfalten, weil dann ausschl das nunmehr geltende Recht über die Notwendigkeit und Möglichkeit einer Transposition befindet (ähnl Looschelders Vorbem zu Art 3–6 Rz 26; Pfeiffer IPRax 00, 273; aA Kegel/Schurig § 19 III). Zur Transposition bei Handeln unter falschem Recht s.u. Rn 50. Erfolgt im Anschluss an Handeln unter falschem Recht ein Statutenwechsel, kommt ggf Heilung in Betracht (Kropholler § 27 II 3c; s.a. Art 43 III EGBGB Rn 20 zum Strickmaschinenfall BGHZ 45, 95; zur Heilung einer fehlerhaften Ehe bei Statutenwechsel vgl BeckOK/Mörsdorf Art 13 Rz 51 ff). IU zur Anpassung, bei der die beteiligten Rechtsordnungen äußerlich kombinierbar erscheinen (Rn 60), setzt die Transposition schon äußerlich eine Unvereinbarkeit voraus. Ursache für das Modifikationsbedürfnis ist in beiden Fällen eine (zeitliche oder sachliche) Depeçage (Rn 33). Für ausl Ausgangs- und deutsches Folgestatut hat der Gesetzgeber mit Art 47 im Bereich des Namensrechts eine gesetzliche Regel zu typischen Transpositionslagen (Art 47 I Statutenwechsel ieS, Art 47 II Vorfrage des Namens, von dem der eigene Name abzuleiten ist) geschaffen.