Prof. Dr. Juliana Mörsdorf
1. Verweisungsvorschriften für Fälle mit Auslandsbezug.
a) Rechtsanwendungsrecht.
Rn 2
Das IPR liefert nicht die materielle Lösung des Falles, sondern ›verweist‹ lediglich auf ein Recht, nach dessen Vorschriften (›Sachvorschriften‹, die die Rechtsfrage selbst inhaltlich beantworten, dazu Art 4 II 1) dann die materielle Lösung zu erfolgen hat. Die Überschrift zu Art 3 aF lautete dieser übergeordneten Funktion entspr ›allgemeine Verweisungsvorschriften‹. Das IPR lässt sich als Meta-Recht auffassen, das gleichsam über den eigentlichen Regeln des Privatrechts schwebt und zwischen mehreren in Frage kommenden Rechten eine Auswahl trifft. Unterschiedliche Rechte kommen von vornherein nur in Betracht bei Fällen, die überhaupt Beziehung zu einem ausl Staat aufweisen (2. Hs). Im Hinblick auf das Aufeinandertreffen verschiedener Rechtsordnungen ist auch die Rede von ›Kollisionsrecht‹ (krit wegen Assoziation eines Konflikts zB v Bar/Mankowski IPR I, § 1 Rz 16). Die besondere Aufgabe des IPR ändert nichts an seiner Unterworfenheit unter das GG (BVerfG FamRZ 03, 361; BVerfG 68, 384; 63, 181; 31, 58; vgl dazu nur BeckOK/Lorenz Einl IPR Rz 21).
b) Kein Prozessrecht.
Rn 3
(Zu diesem vgl neben den ZPO-Kommentierungen zB Geimer/Schütze Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 6 Ordner, Loseblatt 65. Aufl 22; Schack Internationales Zivilverfahrensrecht, 8. Aufl 21; Geimer/Schütze Europäisches Zivilverfahrensrecht, 4. Aufl 20; Rauscher (Hrsg) Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht, 5. Aufl 22 ff (5 Bde); nahezu vollst Abdruck sämtlicher Rechtsvorschriften bei Jayme/Hausmann). Keine Aussage trifft das IPR zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte und Behörden. Regeln hierzu finden sich ua vorrangig in der EuEheVO (dazu prakt bedeutsam der Leitfaden der Kommission www.ec.europa.eu/civiljustice/parental_resp/parental_resp_ec_vdm_de.pdf), in der EuUnthVO und in der EuGVO (seit 1.7.07 Erstreckung auch auf Dänemark aufgrund Parallelabk, ABl 2005 L 299/62). Das seit 1.1.10 im Verhältnis der EU zu Dänemark und Norwegen, seit 1.1.11 zur Schweiz und seit 1.5.11 zu Island neu gefasste (ABl 2007 L 339/3, dazu Wagner/Janzen IPRax 10, 298) Luganer Üb (BGBl 94 II 2660, 95 II 221, 96 II 223; Jayme/Hausmann Nr 152) enthält entspr Bestimmungen. IÜ ergibt sich die internationale Zuständigkeit aus weiteren Staatsverträgen, sonst (vgl Nachrangregelung des § 97 FamFG) aus §§ 98 ff FamFG (dazu Althammer IPRax 09, 381) bzw den subsidiär analog heranzuziehenden Regeln zur örtlichen Zuständigkeit, insb den §§ 12 ff ZPO. Nach Änderung des § 119 I Nr 1 GVG sind bei Fällen m Auslandsbezug hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit auch in der Berufungsinstanz keine Besonderheiten mehr zu beachten. Zur PKH in Fällen m Auslandsbezug ausf Motzer FamRBInt 08, 16. Eine prozesskostenhilferechtliche Berücksichtigung niedrigerer Lebenshaltungskosten im EU-Ausland lehnt BGH NJW-RR 08, 1453 [BGH 10.06.2008 - VI ZB 56/07] ab. Gemeinsame Mindestvorschriften innerh der EU legt die RL zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug fest (ABl 2003 L 26/41, L 32/15). Die von der MediationsRL (ABl 2008 L 136/3) verlangten Rahmenregelungen zur Vollstreckbarkeit, Vertraulichkeit und Verjährungshemmung für Parteien mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in unterschiedlichen Mitgliedstaaten (außer Dänemark) sind umgesetzt im MediationsG (BGBl 12 I 1577). Hilfreich ist der Europäische Gerichtsatlas, abrufbar unter www.ec.europa.eu/justice_home/judicialatlascivil/html/index_de.htm. S.a. Schütze, Rechtsverfolgung.
Rn 4
Das in Fällen mit Auslandsbezug anzuwendende Verfahrensrecht wird nicht durch das IPR bestimmt, sondern ist grds das am Gerichtsort geltende Prozessrecht (BGH NJW-RR 93, 130; BayObLG FamRZ 95, 1210), wobei das vom IPR bestimmte materiell anwendbare Recht ausnahmsweise Modifikationen bedingen kann, wenn es materielle Rechtsfolgen an die Durchführung eines hier unbekannten Verfahrens knüpft (BGH NJW 67, 2113; Stuttg IPRax 07, 133 m Aufs Heiderhoff 118; Hambg FamRZ 01, 1008) und die betreffenden ausl Verfahrensvorschriften insoweit materiell-rechtlich zu qualifizieren sind (prozessrechtlich qualifiziert Frankf FamRZ 01, 293). Beweis- und Darlegungslast werden grds materiell-rechtlich qualifiziert (BGH NJW 1992, 3106; BGHZ 3, 342; Kobl RIW 1993, 502). Grenzüberschreitende Rechtshilfe bei der Durchführung von Zivilverfahren regeln im Hinblick auf die Mitwirkung bei der Zustellung und der Beweisaufnahme die EuZVO (ABl 2007 L 324/79, für Dänemark ABl EU 2007 L 94/70; dazu Handbuch www.ec.europa.eu/civiljustice/index_de.htm) und die EuBVO (dazu Praktischer Leitfaden www.ec.europa.eu/civiljustice/evidence/docs/evidence_ec_guide_de.pdf), das HZÜ und das HBÜ sowie bilaterale Staatsverträge (die wichtigsten abgedruckt bei Jayme/Hausmann). Neben die EuVTVO, die für unbestrittene Forderungen die Ausstellung eines Europäischen Vollstreckungstitels ermöglicht (VO 805/2004, ABl EG 2004 L 143/15, Jayme/Hausmann Nr 183, dazu Stuttg IPRax 09, 342 m Aufs Hüßtege 321; Windolf/Zemmrich JuS 07, 803; Wagner NJW 05, 11...