Prof. Dr. Oliver Fehrenbacher
1. Grundlagen.
Rn 5
Die bereicherungsrechtliche Rückforderung rechtsgrundlos erbrachter Leistungen ist nach dem für die zugrunde liegenden Rechtsbeziehungen maßgeblichen Schuldstatut zu beurteilen (keine Anwendung finden das Sachstatut und das sog Vernichtungsstatut – MüKo/Junker Art 38 Rz 10 f mwN). Das folgt für den weitaus wichtigsten Bereich der Leistungskondiktionen im Bereich der Rückabwicklung nichtiger Schuldverträge indes nicht aus Art 38 I, sondern unmittelbar aus dem in Art 32 I Nr 5 (Brandbg NJOZ 19, 968) auf staatsvertraglicher Grundlage niedergelegten Vertragsstatut, dem als solches Vorrang vor Art 38 I gebührt, der – ebenso wie die übrigen Regelungen in Art 38 – lediglich eine vom deutschen Gesetzgeber autonom erlassene (MüKo/Junker Vor Art 38 Rz 5 mwN) und deshalb nachrangige Kollisionsnorm enthält – Art 3 II 1, 2. Damit reduziert sich der Anwendungsbereich des Art 38 I faktisch auf Verträge außerhalb des Geltungsbereichs der Art 27–37 (bspw: Erbverträge – Art 25, 26; Gesellschaftsverträge – Art 37 Nr 2), auf überobligatorische Leistungen auf eine bestehende Vertragsschuld (Frankf RIW 79, 204), Vorleistungen im Hinblick auf die tatsächlich enttäuschte Erwartung eines späteren Vertragsschlusses (BGHZ 73, 391, 393) sowie auf rechtsgrundlose mit Bezug auf ein gesetzliches Schuldverhältnis getätigte Zuwendungen (hierzu: Wagner IPRrax 98, 429, 431; NK-BGB/Huber Art 38 Rz 11).
2. Mehrpersonenverhältnisse.
Rn 6
Art 38 I verzichtet bewusst im Interesse einer möglichst flexiblen Regelung auf spezielle Vorgaben für die kollisionsrechtliche Erfassung des Bereicherungsausgleichs in Mehrpersonenverhältnissen (vgl: Begr RegE BRDrs 759/98 15 = BTDrs 14/343 S 8). In demnach gebotener Anwendung der obigen Grundsätze greift für die Rückabwicklung rechtsgrundloser Leistungen das Vertragsstatut des Rechtsverhältnisses, auf das sich die herausverlangte Leistung bezieht (MüKo/Junker Art 38 Rz 12). Hieraus lassen sich folgende Erkenntnisse gewinnen: Materiell-rechtlich gilt auch für Mehrpersonenverhältnisse der Grundsatz, dass der Bereicherungsausgleich zwischen den Parteien des gestörten Vertragsverhältnisses zu erfolgen hat (iE hierzu: § 812 BGB Rn 76 ff). Das bedeutet für die insoweit exemplarischen Anweisungslagen (iE § 812 BGB Rn 85 ff), dass für Kondiktionsansprüche des Angewiesenen gegen den Anweisenden grds das Statut des fehlerhaften Deckungsverhältnisses, für Ansprüche des Anweisenden gegen den Zuwendungsempfänger das des Valutaverhältnisses maßgebend ist, und zwar in aller Regel auch beim sog Doppelmangel, wenn der Bereicherungsausgleich ›über Eck‹ stattzufinden hat (vgl: § 812 BGB Rn 90). Darf der Zuwendende indes ausnahmsweise außerhalb der bestehenden vertraglichen Beziehungen direkt beim Zuwendungsempfänger kondizieren, wie bspw der Angewiesene bei Zuwendungen infolge einer anfänglich unwirksamen oder vom Anweisenden erkennbar widerrufenen Anweisung (hierzu § 812 BGB Rn 93 ff; zur Direktkondiktion beim rechtsgeschäftlichen Erwerb vom Nichtberechtigten – § 812 BGB Rn 81 ff), so kommt für den dann aus dem Gesichtspunkt der Nichtleistungskondiktion (§ 812 I 1 Alt 2) vorzunehmenden Bereicherungsausgleich eine Anknüpfung an das Vertragsstatut nach zutreffender Auffassung nicht in Betracht. Maßgeblich ist dann vielmehr Art 38 III und es gilt das Recht am Ort des Bereicherungseintritts (BGH NJW 04, 1315 [BGH 03.02.2004 - XI ZR 125/03]; MüKo/Junker Art 38 Rz 18 mwN; aA: Fischer IPRax 02, 7).
Rn 7
Besonderheiten ergeben sich allerdings insb für Zahlungen auf abgetretene Forderungen sowie für Zahlungen des Sicherungsgebers (Bürgen). Im erstgenannten Fall richten sich Bereicherungsansprüche des (vermeintlichen) Schuldners bei mangelhaftem Kausalverhältnis stets nach dem an die Kausalbeziehung zwischen Schuldner und Zedent anknüpfenden Forderungsstatut. Das folgt für die Kondiktion beim Zedenten aus Art 38 I, für evtl Bereicherungsansprüche gegen den Zessionar aus Art 33 II iVm Art 38 I (MüKo/Junker Vorb zu Art 38 Rz 15 mwN). Für die Kondiktion des Sicherungsgebers (Bürgen) beim Sicherungsnehmer (Gläubiger) gilt ebenso wie für seinen Regress beim entlasteten Hauptschuldner das Statut des Sicherungsvertrages – Art 33 III 1 (Schlechtriem IPRax 95, 65), es sei denn bei fehlerhaftem Kausalverhältnis zwischen Bürgen und Hauptschuldner, welches dann im Wege der akzessorischen Anknüpfung nach Art 41 II Nr 1 als das Maßgebliche anzusehen ist (MüKo/Junker Art 38 Rz 14 mwN). Schließlich ist für die Fälle der freiwilligen Tilgung fremder Schulden auf Art 32 I Nr 2 hinzuweisen, wonach für Bereicherungsansprüche des Dritten das Statut der (vermeintlich) getilgten Schuld entscheidend ist, und zwar über Art 41 II Nr 1 auch dann, wenn es um den Rückgriff des Dritten gegen den (vermeintlichen) Schuldner geht (NK-BGB/Huber Art 38 Rz 42).