Prof. Dr. Juliana Mörsdorf
Rn 7
Es gibt Rechtsordnungen, die nicht für alle Fragen über Kollisionsnormen verfügen, sondern Rechtsanwendungsfragen letztlich nach dem Territorialitätsprinzip in der Weise lösen, dass bei internationaler Zuständigkeit der eigenen Gerichte stets eigenes Recht angewandt wird (zB verschiedene US-Bundesstaaten für das Scheidungsrecht). Eine Gesamtverweisung lässt sich hier nur durchführen, wenn sich dem Recht dennoch Ansätze zu einer kollisionsrechtlichen Wertung für die zu beantwortende Sachfrage entnehmen lassen. Einzigen Ansatzpunkt hierfür bietet die Zuständigkeitsordnung. Abstrahiert man in der Weise, dass ein zuständiges Gericht, bei dem der Fall anhängig gemacht wird, sein eigenes Recht anzuwenden hat, lässt sich dies zu einer – wenn auch nur mit einem beschränkten Anwendungsbereich versehenen, aber doch auf im Forumstaat anhängige Fälle übertragbaren – Kollisionsnorm ausbauen. Da die aus einer Zuständigkeitsnorm entwickelte Kollisionsnorm nur auf das Recht am Ort des Gerichts, bei dem die Sache anhängig gemacht worden ist, verweisen kann, kann man so zwar nicht zu einer Weiterverweisung kommen, wohl aber zu einer Rückverweisung, die dann als ›versteckte‹ Rückverweisung bezeichnet wird (KG FamRZ 07, 1561; Hambg FamRZ 01, 917; Staud/Hausmann Rz 72; Soergel/Kegel Rz 16; krit, zusätzlich auf die Anerkennungsfähigkeit abstellend MüKo/Sonnenberger Rz 50 ff). Diese ist jedenfalls dann zu bejahen, wenn die deutschen Gerichte nach der Zuständigkeitsnorm des betreffenden US-Staates für die Entscheidung der betreffenden idR familienrechtlichen, Frage ausschl zuständig wären (KG NJW 80, 536; Bambg FamRZ 79, 930) und nach hM auch bei konkurrierender Zuständigkeit (Kegel/Schurig § 10 VI; Kropholler § 25 III; Rauscher S 93 ff; Hay IPRax 88, 268; aA MüKo/Sonnenberger Rz 52: das ausl Recht desavouiere in diesem Fall die deutsche Verweisung nicht). Die hM überzeugt; denn implizite Voraussetzung der versteckten Rückverweisung ist die Anhängigkeit und diese ist in diesen Fällen nur im Forumstaat gegeben, so dass die konkurrierende Zuständigkeit des Staates des nicht angerufenen Gerichts nur theoretisch bleibt und die internationale Zuständigkeit des Staates des tatsächlich angerufenen Gerichts daher nicht zu schwächen vermag (ähnl Looschelders Rz 8 aE).
Rn 8
Lässt sich im ausl Recht auch mit Hilfe solcher Erwägungen keine kollisionsrechtliche Aussage gewinnen, so erfolgt anstelle der Gesamt- eine Sachnormverweisung, weil dann jedenfalls zwischen lex fori und lex causae keine Anknüpfungsdifferenz festzustellen ist (MüKo/Sonnenberger Rz 71).