Prof. Dr. Juliana Mörsdorf
Rn 16
Eine weitere Fallgruppe der Sachnormverweisung nennt Art 4 II: Eine Rechtswahl wird unmittelbar auf das Sachrecht der gewählten Rechtsordnung bezogen. Das wird sich idR bereits aus der Auslegung der Rechtswahlerklärungen ergeben. Bedeutung hat die Vorschrift dennoch, weil sie den Parteien darüber hinaus die Möglichkeit nimmt, freiwillig eine Gesamtverweisung zu vereinbaren (MüKo/Sonnenberger Rz 72; Grüneberg/Thorn Rz 11; Kegel/Schurig § 10 V). Diese Beschränkung muss angesichts der Klarheit der Regelung sowohl dann gelten, wenn nur ein begrenzter Kreis an Rechten zur Wahl steht (zB Art 10, 14 oder 15), als auch dann, wenn, wie im Falle des ex Art 27 oder des Art 42 völlig unbeschränkte Rechtswahl möglich ist (MüKo/Sonnenberger Rz 72 f; Grüneberg/Thorn Rz 10; v Hein ZVglRWiss 99 (2000) 276 f; aA Erman/Hohloch Art 14 ROM II Rz 4; Freitag/Leible ZVglRWiss 99 (2000) 140f). Was das Vertragsrecht angeht, so nimmt dies den Parteien zwar ohne Not Gestaltungsspielraum, doch normiert der für Altfälle noch anwendbare ex Art 35 I keine Ausn zu Art 4 II (MüKo/Sonnenberger Rz 72; aA ex Art 35 EGBGB 7. Aufl Rz 3 Brödermann/Wegen mwN); dies selbst dann nicht, wenn man, was bereits zw ist (hiergegen MüKo/Sonnenberger Rz 72), von einer Reduktion des ex Art 35 I ausginge, nach der dieser nur auf das objektive Vertragsstatut zu beziehen sei und im übrigen nur als Auslegungsregel diene; denn angesichts der klaren Diktion des Art 4 II wäre zu verlangen, dass ex Art 35 I die Kollisionsrechtswahl für das Vertragsrecht positiv gestattet, was rechtspolitisch im Interesse der Parteiautonomie zu begrüßen wäre, aber nicht der Fall ist. Das gleiche gilt für Art 20 ROM I, der Art 35 I ablöst. Der Zulassung der Wahl eines Kollisionsrechts unter Art VII des Genfer Übs über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit von 1961 steht Art 4 II indessen schon im Hinblick auf den Vorrang nach Art 3 Nr 2 nicht entgegen, zumal Schiedsgerichte von vornherein weniger auf ein bestimmtes Kollisionsrecht festgelegt sind. Das Bestimmungsrecht des Geschädigten nach Art 40 I 2 stellt zwar keine Rechtswahl iSd Art 4 II dar (aA v Hoffmann/Thorn Rz 11; Freitag/Leible ZVglRWiss 99 (2000) 101, 140f) – denn dass es unter dem Vorbehalt der wesentlich engeren Verbindung nach Art 41 I 2 Nr 1 steht, zeigt, dass auch die damit bewirkte Anknüpfung an den Erfolgsort als objektive Anknüpfung zu qualifizieren (MüKo/Junker 4. Aufl Art 40 Rz 34) – doch spricht Art 40 I 2 aus einem anderen Grunde eine Sachnormverweisung aus (s.o. Rn 13).