Gesetzestext
(1) Besteht mit dem Recht eines Staates eine wesentlich engere Verbindung als mit dem Recht, das nach den Artikeln 38 bis 40 Abs. 2 maßgebend wäre, so ist jenes Recht anzuwenden.
(2) Eine wesentlich engere Verbindung kann sich insbesondere ergeben
1. |
aus einer besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Beziehung zwischen den Beteiligten im Zusammenhang mit dem Schuldverhältnis oder |
2. |
in den Fällen des Artikels 38 Abs. 2 und 3 und des Artikels 39 aus dem gewöhnlichen Aufenthalt der Beteiligten in demselben Staat im Zeitpunkt des rechtserheblichen Geschehens; Artikel 40 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend. |
A. Allgemeines.
I. Anwendungsbereich.
Rn 1
Art 41 enthält eine Ausweichklausel für außervertragliche Schuldverhältnisse, die ausnw Abweichungen von den Grundanknüpfungen bei wesentlich engerer Verbindung mit einem anderen Recht erlaubt. Sie gilt für die Anknüpfungen nach Art 38, 39, 40 I u II, nicht hingegen für Art 40 IV und Art 42. Art 41 I enthält die Grundregel, in Abs 2 finden sich Beispielsfälle. Art 41 unterliegt den ordre public-Vorbehalten (Art 40 III, Art 6), die jedoch hier selten durchgreifen dürften (Erman/Hohloch 13. Aufl 2011 Art 41 Rz 2).
II. Rück- und Weiterverweisungen.
Rn 2
Rück- und Weiterverweisungen sind zu beachten, sofern sie nicht dem Sinn der Verweisung widersprechen, Art 4 I 1. Für die Anknüpfung an eine besondere rechtliche Beziehung der Beteiligten im Zusammenhang mit dem Schuldverhältnis gem Art 41 II Nr 1 schließt der Grundgedanke der Anknüpfung einen renvoi aus (s nur BGH NJW 11, 3584 [BGH 19.07.2011 - VI ZR 217/10] Rz 22; MüKo/Junker Art 41 Rz 27 mwN), bei allen übrigen Anknüpfungen (einschl derjenigen an eine bloß tatsächliche Beziehung gem Art 41 II Nr 1) ist str, ob von Gesamt- oder Sachnormverweisungen auszugehen ist. Nach der Gesetzesbegründung (BTDrs 14/343, 8) ist Art 41 II Nr 1 (insgesamt) als Sachnormverweisung anzusehen, die übrigen Verweisungen als Gesamtverweisungen. Da Art 41 I nicht gesondert genannt ist und seine Anwendung eine eingehende Prüfung der ›wesentlich engeren Verbindung‹ erfordert, spricht vieles dafür, auch hier von einer Sachnormverweisung auszugehen. Daher sollten alle Verweisungen in Art 41 – bis auf diejenige in Abs 2 Nr 2 – als Sachnormverweisungen angesehen werden (so auch zB MüKo/Junker Art 41 Rz 24 ff; weitergehend NK-BGB/Wagner Art 41 Rz 4; Hk/Dörner Art 41 Rz 4; enger BeckOK/Spickhoff Art 41 Rz 12).
B. Wesentlich engere Verbindung.
I. Vorgehensweise.
Rn 3
Ausgehend von der Grundanknüpfung (Art 38–40 I, II) ist zu untersuchen, ob eine wesentlich engere Verbindung iSd Art 41 mit einem anderen Recht besteht; diese kann sich je nach Grundanknüpfung aus unterschiedlichen Gesichtspunkten ergeben (s insb BeckOK/Spickhoff Art 41 Rz 3 ff). Die nicht abschließenden Beispiele in Art 41 II (s insb BeckOK/Spickhoff Art 41 Rz 6) liefern wichtige Anhaltspunkte und sollten daher vor einer isolierten Anwendung des Art 41 I geprüft werden, auch wenn Abs 1 inhaltlicher Ausgangs- und Bezugspunkt ist. Bei einer Anknüpfung über Art 41 wird die Grundanknüpfung vollständig verdrängt (Erman/Hohloch 13. Aufl 2011 Art 41 Rz 4).
II. Grundregel, Art 41 I.
Rn 4
Über Art 41 I kann das sachnächste Recht zur Anwendung gebracht werden, wenn es sich nicht bereits aus den einschlägigen Grundanknüpfungen ergibt. Unter Abwägung der beteiligten Interessen ist die Rechtsordnung zu ermitteln, in welcher der Schwerpunkt des konkreten Falles liegt (Palandt/Heldrich 67. Aufl 08 Art 41 Rz 3); dabei ist der Ausnahmecharakter der Anknüpfung nach Art 41 im Blick zu behalten. Eine isolierte Anwendung des Abs 1 ohne Rückgriff auf die Beispiele in Abs 2 dürfte nicht allzu häufig in Betracht kommen.
III. Fallgruppen, Art 41 II.
Rn 5
Art 41 II Nr 1 regelt die akzessorische Anknüpfung von Ansprüchen aus gesetzlichen Schuldverhältnissen an eine besondere rechtliche oder tatsächliche Beziehung zwischen den Beteiligten. Rechtliche Beziehungen können vertragliche oder gesetzliche sein. In Betracht kommt insb eine akzessorische Anknüpfung an das Vertragsstatut. Gesetzliche Beziehungen können auch andere außervertragliche Schuldverhältnisse sein (Bsp: Herstellung eines Gleichlaufs von Bereicherungs- und Deliktsstatut bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen). Tatsächliche Beziehungen können sich zB aus sozialem Kontakt ergeben, etwa bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften (krit dazu aber zu Recht MüKo/Junker Art 40 Rz 69 f, 41 Rz 19), evtl auch aus gemeinsamer Sprache (zB LG Dresden NJW 07, 88, 89 [LG Dresden 11.04.2006 - 42 O 0386/05]).
Rn 6
Nach Art 41 II Nr 2 kann auch der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Beteiligten in demselben Staat zu einer Abweichung von der Grundanknüpfung führen. Die Regelung betrifft nur die Grundanknüpfungen nach Art 38 II, III, 39, nicht die Anknüpfung der Leistungskondiktion nach Art 38 I (das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, s ferner BTDrs 14/343, 13) und nicht die Anknüpfung nach Art 40 I, für die Art 40 II eine (iE entsprechende) Spezialregelung enthält. Der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt ist wie bei Art 40 II (Art 40 Rn 14) zu bestimmen. Er muss im Zeitpunkt des rechtserheblichen Geschehens bestanden haben; seine nachträgliche B...