Prof. Dr. Moritz Brinkmann
Gesetzestext
(1) Rechte an einer Sache unterliegen dem Recht des Staates, in dem sich die Sache befindet.
(2) Gelangt eine Sache, an der Rechte begründet sind, in einen anderen Staat, so können diese Rechte nicht im Widerspruch zu der Rechtsordnung dieses Staates ausgeübt werden.
(3) Ist ein Recht an einer Sache, die in das Inland gelangt, nicht schon vorher erworben worden, so sind für einen solchen Erwerb im Inland Vorgänge in einem anderen Staat wie inländische zu berücksichtigen.
A. Rechtsquellen.
Rn 1
Die Art 43–46 wurden durch das Gesetz zum Internationalen Privatrecht für außervertragliche Schuldverhältnisse und für Sachen vom 21.5.99 (BGBl I 1026) als Sechster Abschnitt in das EGBGB eingefügt. Es handelt sich um autonomes deutsches Recht. Zur Gesetzgebungsgeschichte Kreuzer RabelsZ 01, 383 ff. Der Gesetzgeber beließ es im Wesentlichen bei einer Positivierung der schon vorher gewohnheitsrechtlich geltenden Grundsätze, so dass sich kaum Übergangsprobleme stellen; ggf ist Art 220 I analog anzuwenden (MüKo/Wendehorst Vor Art 43 Rz 20).
Rn 2
Supranationales Internationales Sachenrecht existiert nur in Teilbereichen. Für Insolvenzverfahren ist die EuInsVO zu beachten. Die Behandlung von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates verbrachten Kulturgütern wird durch das UNESCO-Üb über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (BGBl II 07, 626) (zum kollisionsrechtlichen Gehalt des Üb Halsdorfer IPRax 08, 395) und durch das Kulturgüterrückgabegesetz (BGBl I 07, 757) geregelt, das in Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG erlassen wurde. Gem § 9 des KulturgüterrückgabeG bestimmt sich die Frage des Eigentums an dem Kulturgut nach erfolgter Rückgabe nach dem Recht des ersuchenden Staates. Zur Behandlung von Kunst- und Kulturgütern außerhalb des Anwendungsbereichs dieses Gesetzes KG NJW 07, 705 [KG Berlin 16.10.2006 - 10 U 286/05]; s.a. Siehr Kunst und Recht 12, 87. Zur Konvention von Kapstadt über Sicherungsrechte an beweglichen Ausrüstungsgegenständen s Art 45 Rn 1.
B. Übersicht über die Art 43–46.
Rn 3
Die in Art 43 I enthaltene Grundregel beruft das Recht des Lageorts einer Sache (lex rei sitae) zur Entscheidung über ihre sachenrechtlichen Verhältnisse. Die Regel ist mit dem Europarecht, insb mit der Warenverkehrs-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar (Röthel JZ 03, 1027 ff; aA v Wilmowsky Europäisches Kreditsicherungsrecht 1996; F. Zimmermann Mobiliar- und Unternehmenshypotheken, 2005).
Rn 4
Die lex rei sitae Regel wird durch Art 43 II und III ergänzt für den Fall des Statutenwechsels infolge des Verbringens der Sache über die Grenze. Nach dem an die ROM II angepassten Art 44 finden auf Immissionen, die von einem Grundstück ausgehen, die Art 4 und 7 ROM II entspr Anwendung. Art 45 enthält Sondervorschriften für gewisse Transportmittel und Sicherungsrechte an ihnen. Zu Sachen auf dem Transport (res in transitu) s Rn 18 u Art 46 Rn 3. Art 46 enthält eine mit Art 41 vergleichbare Ausweichklausel.
Rn 5
Der nach diesen Vorschriften maßgebliche Zeitpunkt ist derjenige, zu dem nach dem jeweiligen Sachstatut der sachenrechtliche Tatbestand vollendet ist (Staud/Mansel Rz 443 ff). Soweit nach diesen Normen auf ausländisches Recht verwiesen wird, handelt es sich nach Art 4 I um eine Gesamtverweisung, so dass eine Rück- oder Weiterverweisung des berufenen Rechts zu befolgen ist. Nur Art 44, Art 45 I in Bezug auf Luftfahrzeuge, Art 45 II und Art 46 sind Sachnormverweisungen (Art 44 Rn 1, Art 45 Rn 4, 7 u Art 46 Rn 1). Modifikationen und Einschränkungen der Anwendung der lex rei sitae können sich aus dem ordre public (Art 6) oder Eingriffsnormen (Staud/Mansel Rz 1192 ff) ergeben.
C. Regelungsgehalt des Art 43.
I. Geltung der lex rei sitae, Abs 1.
1. Normzweck und Allgemeines.
Rn 6
Nach Art 43 I findet zur Beurteilung der dinglichen Rechtslage grds das Recht des Orts Anwendung, an dem sich die fragliche Sache zum Zeitpunkt der Vollendung des Rechtserwerbs befindet. Zur Notwendigkeit der Erweiterung der situs-Regel bei Sachen, die sich auf See befinden (Off-shore-Windparks), Wurmnest RabelsZ 72 (2008), 236; Böttcher RNotZ 11, 589. Die lex rei sitae Regel bezweckt den Verkehrsschutz (BTDrs 14/343, 15). Eine abweichende Rechtswahl ist im Hinblick auf diesen Normzweck als solche unwirksam und allenfalls und nur sehr vorsichtig iRv Art 46 zu berücksichtigen (s Art 46 Rn 2).
Rn 7
Fallen bezüglich einer Sache Gesamt- (Güter-, Erb-, Gesellschaftsrechtsstatut) und Sachstatut auseinander, so setzt sich vorbehaltlich Art 3a II das Gesamtstatut durch. Anderes gilt im Anwendungsbereich der EuErbVO bezüglich der Wirkung ausländischer Vindikationslegate (EuGH NJW 17, 3767; MüKo/Dutta Art 1 EuErbVO Rz 53; Mansel FS Coester-Waltjen 587, 589). Die Löschung einer Auslandsgesellschaft führt im Hinblick auf den Schutz der inländischen Gläubiger nicht zur Anwendung des ausländischen Liquidationsrechts auf die im Inland belegenen Vermögensgegenstände. Insoweit kommt es vielmehr zur Entstehung einer Spaltgesellschaft (Hamm NZG 14, 703; Jena ZIP 07, 1709). Zum Schutze des numerus clausus der Sachenrechte kann das Gesamtstatut n...