Prof. Dr. Moritz Brinkmann
Gesetzestext
Für Ansprüche aus beeinträchtigenden Einwirkungen, die von einem Grundstück ausgehen, gelten die Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 mit Ausnahme des Kapitels III entsprechend.
A. Normzweck und Anwendungsbereich.
Rn 1
Die Norm gehört zum Internationalen Nachbar- und Umweltrecht und regelt das Problem von grenzüberschreitenden Grundstücksimmissionen (Freigang, Grenzüberschreitende Grundstücksimmissionen, 2008). Als vorrangige internationale Regelung ist das Pariser Üb v 29.7.60 zur Haftung ggü Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie zu berücksichtigen. Art 7 ROM II enthält eine Spezialregelung für Umweltschädigungen. Art 44 wurde durch das Gesetz v 10.12.08 zur Anpassung der Vorschriften des Internationalen Privatrechts an die Verordnung (EG) Nr 864/2007, BGBl I 2401 dahingehend geändert, dass die Norm seitdem hinsichtlich der Grundstücksimmissionen auf die ROM II verweist und nicht mehr auf das autonome deutsche Internationale Deliktsrecht. Diese Änderung war nötig, um auch unter Geltung der ROM II einen Gleichlauf zwischen Delikts- und Immissionsschutzstatut zu gewährleisten. Denn das Deliktsstatut ergibt sich für die Mehrzahl der Fälle nicht mehr aus Art 40 EGBGB sondern aus der ROM II, so dass eine Parallelität nur bei einem Verweis auf diese gesichert ist (R. Wagner IPRax 08, 314, 318). Es handelt sich um eine Sachnormverweisung.
Rn 2
Indem Art 44 den Anspruch des gestörten Nachbarn den Art 4, 7 ROM II unterstellt, wird iRd Qualifikation die Abgrenzung zum Deliktsstatut obsolet, da insoweit ein Gleichlauf besteht (BTDrs 14/343, 16; Stoll IPRax 00, 265). Erfasst von Art. 44 sind Abwehr-, Unterlassungs-, Beseitigungs- und Ausgleichsansprüche auf sachenrechtlicher Grundlage (Erman/Stürner Rz 14; MüKo/Wendehorst Rz 23). Daher ist die Betroffenheit eines dinglichen Rechts iSv Art 43 an einer beweglichen oder unbeweglichen Sache durch die Immission Tatbestandsvoraussetzung. Im Anwendungsbereich liegen jedenfalls die Ansprüche aus §§ 1004, 861, 862 BGB wegen Störung des Eigentums oder des Besitzes. Auch ein Mieter kann Beeinträchtigter iSv Art 44 sein (BTDrs 14/343, 16; zum Besitz als dinglichem Recht Art 43 Rn 12). Auch ein Anspruch wegen einer Gesundheitsbeeinträchtigung durch die Immission fällt unter Art 44, daneben können deliktische Ansprüche treten.
Rn 3
Das Tatbestandsmerkmal ›beeinträchtigende Einwirkungen‹ ist weiter als bei § 906 zu verstehen. Auch Grobimmissionen sowie negative Immissionen und ideelle Störungen sind erfasst (Erman/Stürner Rz 13; Grüneberg/Thorn Rz 1). Quelle der Störung muss ein Grundstück sein.
B. Anknüpfung.
Rn 4
Störende Immissionen unterliegen kraft der Verweisung auf das Internationale Delikts- und Umweltrecht der ROM II in erster Linie dem Recht des Erfolgsorts gem Art 4 I ROM II. Ist die Grundstücksimmission allerdings eine Umweltschädigung iSv Art 7 ROM II, so kann der Geschädigte alternativ das Recht des Handlungsortes wählen. Das Wahlrecht hinsichtlich des nachbarrechtlichen Statuts kann nur einheitlich mit dem Wahlrecht aus Art 7 ROM II iVm Art 46a EGBGB ausgeübt werden, da sonst der von Art 44 erstrebte Gleichlauf zerstört würde.
Rn 5
Offen bleibt auch nach der Kodifikation, wie eine behördliche Genehmigung der Immission zu erfassen ist. Hierzu G. Hager RabelsZ 89, 293 ff; Staud/Mansel Rz 132 ff; Wandt VersR 98, 529, 533. Wurde die Genehmigung durch Behörden der durch Art 44 berufenen Rechtsordnung erteilt, so entscheidet diese Rechtsordnung auch über ihre Wirkungen. Ausländische Genehmigungen können bei entspr gesetzlicher oder staatsvertraglicher Grundlage inländischen gleichgestellt werden (BGH IPRspr 78, Nr 40; BVerfGE 72, 66, 83 = NJW 86, 2188 [BVerfG 12.03.1986 - 1 BvL 81/79], Flughafen Salzburg). IÜ sind ausländische Genehmigungen grds unbeachtlich, wenn nicht der Betroffene die Möglichkeit der Teilnahme am Genehmigungsverfahren hatte, vgl Art 7 ROM II Rz 4.