Prof. Dr. Juliana Mörsdorf
Gesetzestext
Unterliegt der Name einer Person deutschem Recht, so kann sie durch Erklärung gegenüber dem Standesamt den während eines gewöhnlichen Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union erworbenen und dort in ein Personenstandsregister eingetragenen Namen wählen, sofern dies nicht mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Die Namenswahl wirkt zurück auf den Zeitpunkt der Eintragung in das Personenstandsregister des anderen Mitgliedstaats, es sei denn, die Person erklärt ausdrücklich, dass die Namenswahl nur für die Zukunft wirken soll. Die Erklärung muss öffentlich beglaubigt oder beurkundet werden. Artikel 47 Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.
Rn 1
Der durch Gesetz vom 23.1.13 (BGBl 1101) eingeführte Art 48 schafft– unvollständige (zu Recht krit Mankowski StAZ 14, 99 f und Dutta/Frank/Freitag/Helms/Krämer/Pintens StAZ 14, 34: im Wesentlichen nur zugunsten deutscher Unionsbürger) – Abhilfe im Hinblick auf die vom EuGH im Urteil Grunkin Paul, C-353/06 (dazu s Art 10 Rn 1, Rn 8) beanstandete Einschränkung der Freizügigkeit des Art 21 AEUV durch die Nichtanerkennung in einem anderen Mitgliedstaat erworbener Namen (vgl Begr RegE BTDrs 17/11049, S 12 – der Entscheidung Garcia Avello C-148/02 sei bereits durch die namenskollisionsrechtlichen Wahlmöglichkeiten nach Art 10 Abs 2 S 1 Nr 1 und 3 S 1 Nr 1 u 3 Rechnung getragen). Im Hinblick auf die später ergangenen namensrechtlichen EuGH-Entscheidungen (dazu s Art 10 Rn 1) ist kein gesetzgeberischer Umsetzungsbedarf gesehen worden. Die Fallkonstellation in der Rs Freitag (C-541/15), in der der EuGH ebenfalls die Anerkennung eines im Ausland eingetragenen Namens verlangt, liegt außerhalb des Anwendungsbereichs des Art 48, da im Zeitpunkt der ausl Namensänderung kein dortiger gewöhnlicher Aufenthalt bestand. Eine analoge Anwendung des Art 48 lehnt der BGH in diesen Fällen ab (NJW 19, 2313 [BGH 20.02.2019 - XII ZB 130/16], NJW-RR 22, 362 [BGH 08.12.2021 - XII ZB 60/18] und 23, 74) und verweist für die Vermeidung hinkender Namensführung innerhalb der EU auf die öffentlich-rechtliche Namensänderung (BGH NJW-RR 23, 74 [BGH 19.10.2022 - XII ZB 425/21]). – Im Hinblick auf eine gewisse Ähnlichkeit der Problemlage bei im EU-Ausland registrierter Geschlechtszugehörigkeit ist die Einräumung eines Optionsrechts zugunsten des ›ausländischen‹ Geschlechts nach dem Muster des Art 48 vorgeschlagen worden (Mäsch BeckOK Art 7 Rz 56; zur Anerkennung einer EU-ausl Geschlechtsumwandlung vgl auch EuGH C-4/23 Mirin [anhängig]).
Rn 2
Der Gesetzgeber hat sich zu einer sachrechtlichen Lösung entschlossen, nachdem die Literatur alternativ auch kollisions- und anerkennungsrechtliche Regelungen vorgeschlagen hatte (s Nachw Art 10 Rn 1). Für die Anknüpfung des Namensrechts bleibt es somit bei Art 10. Ist danach deutsches Recht anwendbar, so schafft Art 48 eine analog Art 47 ausgestaltete Wahlmöglichkeit: Statt des nach deutschem Namensrecht zu bildenden Namens darf ein in einem anderen EU-Mitgliedstaat (nicht Drittstaat, München FamRZ 14, 1551: USA) vor oder nach dessen Beitritt zur EU (KG StAZ 14, 301: Spanien) erworbener und registrierter Name als maßgeblich bestimmt werden. Der Wortlaut verlangt die Eintragung in ein Personenstandsregister; funktionale ausl Äquivalente dürften ausreichen, dh uU Führerscheinregister (Mansel/Thorn/Wagner IPRax 15, 4; MüKo/Lipp Rz 16; aA Jena StAZ 16, 114). Zum Nachweis der Registrierung kann die Vorlage des Passes ausreichen (BGH NJW-RR 19, 321). Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des ausländischen Erwerbs findet nicht statt (Mankowski StAZ 14, 103; aA KG FamRZ 16, 1280; Wall StAZ 13, 247; Gössl IPRax 18, 376), solange dieser konstitutiv festgestellt ist; anders falls das Register nur deklaratorische Funktion hat (BGH NJW 19, 2313 [BGH 20.02.2019 - XII ZB 130/16] zu Frankreich). Dabei ist dem Namensträger überlassen, der Namenswahl ausdrücklich eine ex-nunc-Wirkung beizulegen. Ein gegen den deutschen op verstoßender Name wird nicht anerkannt (BGH NJW-RR 19, 321 m Anm Dutta FamRZ 19, 224 u BGH MDR 19, 351 m Anm Lugani LMK 19, 419553 als Folgeentscheidung zur insoweit die Einschätzung dem vorlegenden Gericht überlassenden Entscheidung EuGH Rs Bogendorff von Wolffersdorff – C-438/14; Jena StAZ 16, 114; KG FGPrax 20, 49; aA Dresden 6.7.11 – 17 W 0465/11 und GA Wathelet in Rs Bogendorff von Wolffersdorff – C-438/14). Das entspricht der Rspr des EuGH, der die Nichtanerkennung einer Adelsbezeichnung wegen Verstoßes gegen den österr op nicht für unionsrechtswidrig gehalten hat (Sayn-Wittgenstein C-208/09).
Rn 3
Ob die Vorschrift nur für durch Geburt erworbene Namen gelten soll oder auch für Ehenamen oder gar die isolierte Namensänderung (dafür Wall StAZ 13, 239; Mankowski StAZ 14, 105, MüKo/Lipp Rz 13; aA Nürnbg FamRZ 15, 1655; zw AG Karlsr StAZ 15, 113) ist nach dem Wortlaut offen. Der BGH (BeckRS 18, 32623) fasst den Anwendungsbereich des Art 48 weit und hält den Erwerbsgrund (familienrechtlich, gerichtlich...