Prof. Dr. Juliana Mörsdorf
a) Regel.
Rn 20
Ist eine der Staatsangehörigkeiten die deutsche, so ist grds nur diese maßgeblich (I 2; BGH FamRZ 97, 1071), wobei auch hier der Deutschenbegriff des Art 116 I GG gilt, Statusdeutsche (s.o. Rn 6) also mit umfasst sind (Looschelders Rz 23; Staud/Blumenwitz Rz 429). Hinter diesem starren, vielfach kritisierten (vgl nur v Hoffmann/Thorn § 5 Rz 22; Fuchs NJW 00, 491f) Auswahlmechanismus stehen Interessen der Rechtssicherheit und der Erleichterung der standesamtlichen Praxis; geopfert werden hierfür Erwägungen der engsten Verbindung des Sachverhalts und des internationalen Entscheidungseinklangs. Die praktische Bedeutung der Vorschrift hat mit der wachsenden Anzahl deutscher Doppelstaater infolge der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts von 1999 (dazu Fuchs NJW 00, 489; Benicke IPRax 00, 171) zugenommen; weitere Anlässe könnten bevorstehen (vgl zur späten Einbürgerung deutscher Soldatenkinder aus Frankreich, Norwegen und Dänemark Sturm GS Mayer-Maly 2011, 461). Bei Unionsmehrstaatern ist die Unionsrechtskonformität des in I 2 angeordneten Eigenrechtsvorrang zweifelhaft, nicht aber der Vorrang ggü einer drittstaatlichen Staatsangehörigkeit, und zwar auch iR einer durch überschießende Umsetzung von Unionsrecht gewonnenen Kollisionsnorm (BGH NJW 20, 3592 zu Art 17 II).
b) Ausnahmen.
aa) Heimatrecht als Wahlstatut.
Rn 21
Ausnahmen von der Regel des Vorrangs der Deutschenstellung normieren Art 10 II und III (einschl dessen Nr 3, vgl Art 10 EGBGB Rn 10) für das Namensstatut und Art 14 I Nr 3 nF/Art 14 II aF für das Ehewirkungsstatut. Wo ohnehin gewählt wird, kann auch die Auswahl unter den mehreren Staatsangehörigkeiten dem oder den Betroffenen überlassen bleiben. Dies gilt jedenfalls, soweit die Anknüpfung im Interesse des Betroffenen erfolgt.
Rn 22
Soweit das Güterrechtsstatut wählbar ist (Art 15 II aF), ist dementsprechend nach zutreffender hM auch ohne ausdrückliche Erwähnung im Gesetzestext ebenfalls von der Unabhängigkeit der Wahlmöglichkeiten von I 2 auszugehen (BeckOK/Lorenz Rz 9; BeckOK/Mörsdorf Art 15 Rz 65; Kropholler IPR § 45 IV 4a; Palandt/Heldrich 67. Aufl Rz 4 und Art 15 Rz 22; MüKo/Siehr Art 15 Rz 28; Erman/Hohloch Art 15 Rz 26; Soergel/Schurig Rz 18; aA Grüneberg/Thorn Rz 4; v Hoffmann/Thorn § 8 Rz 40; Looschelders Art 15 Rz 35; Staud/Mankowski Art 15 Rz 133 ff). Das gleiche gilt für die Wahl des Ehewirkungsstatuts nach Art 14 III aF (BeckOK/Mörsdorf Art 14 Rz 49; Palandt/Heldrich 67. Aufl Art 14 Rz 13; Kegel/Schurig § 20 V 1b; Erman/Hohloch Art 14 Rz 20, 22; Soergel/Schurig Art 14 Rz 22; aA Grüneberg/Thorn Art 14 Rz 13; v Bar IPR II Rz 200; MüKo/Siehr Art 14 Rz 46; AnwK/Andrae Art 14 Rz 41; Staud/Mankowski Art 14 Rz 181; Mansel Rz 433). Entspr muss für die Bestimmung des Namensstatuts nach dem Heimatrecht des Namensträgers (Art 10 I) gelten, das zwar nicht positiv gewählt werden muss, dessen Geltung aber durch die Möglichkeit der ihrerseits von den Grenzen des Art 5 I 2 freien Wahl eines Heimatrechts der Eltern (wenn auch begrenzt) zur Disposition gestellt wird: Vorrangig vor dem starren Auswahlmechanismus des Art 5 I 2 ist dem Namensträger ein Bestimmungsrecht hinsichtlich der maßgeblichen Staatsangehörigkeit einzuräumen. Insb im EU-Kontext lässt sich so eine mit dem Zwang zu hinkender Namensführung eintretende Verletzung der Freizügigkeit verhindern (Mörsdorf-Schulte IPRax 04, 323 zu EuGH C-148/02 Garcia Avello EU:C:2003,539 Frank StAZ 05, 164 teilt europarechtlich das Erg, hält aber eine Korrektur des nationalen Gesetzes für erforderlich, ähnl Mansel RabelsZ 70 (2006) 695 Ergänzung des Art 10 I um Rechtswahlmöglichkeit vorschlagend; weiter gehend für Nichtanwendbarkeit des Art 5 I 2 in diesen Fällen MüKo/Sonnenberger Rz 13 und Einl IPR Rz 162 mwN). Angehörigen mehrerer EU-Staaten dürfte darüber hinaus auch hinsichtlich anderer Statusfragen eine Wahl zwischen ihren Staatsangehörigkeiten zu überlassen sein, so dass Art 5 I 2 insoweit als abdingbar gelten muss (Mörsdorf-Schulte IPRax 04, 323 zu EuGH C-148/02 Garcia Avello).
bb) Anknüpfungsgerechtigkeit.
Rn 23
Aber auch, wo keine Wahlmöglichkeit eröffnet ist, wird unter dem Gesichtspunkt der Anknüpfungsgerechtigkeit (vgl BeckOK/Lorenz Rz 9) und angesichts der og Kritik (s Rn 20) eine teleologische Reduktion des I 2 in Betracht gezogen, und zwar generell dann, wenn der Betroffene wesentlich engere Beziehungen zu seinem ausl Heimatstaat hat (Benicke IPRax 00, 179; aA Looschelders Rz 25) oder jedenfalls wenn jegliche Verbindung zu Deutschland fehlt (Looschelders Rz 25; Mansel Rz 272; aA Hamm IPRspr 93 Nr 77; Erman/Hohloch Rz 6; v Hoffmann/Thorn § 5 Rz 22; Kegel/Schurig § 13 II 5). Darüber hinaus ist I außer Acht zu lassen, wenn durch Alternativanknüpfungen dem Begünstigungseffekt zur größtmöglichen Wirkung verholfen werden soll (Palandt/Heldrich 67. Aufl Rz 4 unter Hinweis auf Art 19 I und 20; MüKo/Sonnenberger Rz 14; vorsichtig BeckOK/Lorenz Rz 9; aA Erman/Hohloch Rz 7; Looschelders Rz 28; Dethloff JZ 95, 70); für Art 26 I Nr 1 ist dies ausdrücklich normiert. Bei Vorliegen einer ›Staatsangehörigkeit auf Zeit‹, etwa bei in Deutsc...