Prof. Dr. Juliana Mörsdorf
Rn 13
Die wichtigsten staatsvertraglichen Regelungen sind zum einen die Genfer Flüchtlingskonvention (Genfer UNÜb über die Rechtsstellung der Flüchtlinge v 28.7.51, BGBl 53 II 560, mit Zusatzprot v 31.1.67, BGBl 69 II 1294; www.unhcr.de/rechtsinformationen/internationales-fluechtlingsrecht.html) und zum anderen die UN-Staatenlosenkonvention (UN-Üb über die Rechtsstellung der Staatenlosen v 28.9.54, BGBl 76 II 474; www.unhcr.de/rechtsinformationen/staatenlosigkeit.html). Während bei den Staatenlosen eine andere Anknüpfung unausweichlich ist, besitzen Flüchtlinge idR noch eine Staatsangehörigkeit; doch haben sie sich von dem betreffenden Staat abgewandt, so dass eine Anknüpfung materiell nicht mehr gerechtfertigt erscheint und daher auch hier eine Ersatzanknüpfung stattfinden muss (vgl zB Rostock FamRZ 06, 947). Beide Abkommen knüpfen anstelle der Staatsangehörigkeit an den Wohnsitz an, bei den Flüchtlingen deshalb, weil sie an diesem mutmaßlich auch rechtlich nach einer neuen Heimat suchen. Die Definition des Wohnsitzbegriffes überlassen beide Konventionen dem jeweiligen Mitgliedstaat und in Deutschland wird darunter übereinstimmend der gewöhnliche Aufenthalt einschließlich der Hilfsanknüpfung an den schlichten Aufenthalt (Looschelders Rz 13) verstanden (BTDrs 10/504, 41; Grüneberg/Thorn Rz 7; Erman/Hohloch Rz 58 und 84; Looschelders Rz 20 und 36). Beide Konventionen sehen im Falle eines Statutenwechsels durch Aufenthaltswechsel auch einen Schutz wohlerworbener Rechte vor (Art 12 II Flüchtlingskonvention; Art 12 II Staatenlosenkonvention), was insb bei Eheschließungen relevant wird. Obwohl es sich um Staatsverträge handelt, ist nach umstrittener Ansicht grds von einer Gesamtverweisung auszugehen, weil die Konventionen keine eigenständigen Kollisionsnormen enthalten, sondern die Art 12 I nur Hilfsnormen darstellen, denen die Funktion zukommen, den Anknüpfungspunkt ›Staatsangehörigkeit‹ in den einzelnen Kollisionsnormen des Besonderen Teils der nationalen Kollisionsrechte einheitlich durch andere Anknüpfungspunkte zu ersetzen (verkannt durch Karlsr NJW-RR 15, 1284 [OLG Karlsruhe 23.07.2015 - 5 WF 74/15]; so zutr MüKo/v Hein Rz 6; Looschelders Rz 15; BeckOK/Lorenz Rz 54; Soergel/Kegel Rz 32; aA Erman/Hohloch Rz 16; Staud/Blumenwitz Rz 494). Bei der Flüchtlingskonvention sind Rück- und Weiterverweisung allerdings einhellig dann nach Art 4 I 1 Hs 2 nicht zu beachten, wenn das IPR des Aufenthaltsstaats auf die Staatsangehörigkeit abstellt; denn dies würde dem Zweck widersprechen, den Flüchtlingen die Lösung vom Heimatstaat zu ermöglichen (Hamm IPRspr 92 Nr 144; 91 Nr 74; Looschelders Rz 21; BeckOK/Lorenz Rz 33). Entspr ist der Ausschluss des Renvoi auch bei Staatenlosen geboten, wenn das IPR des Aufenthaltsstaates an die frühere Staatsangehörigkeit des Betroffenen anknüpfen würde (Looschelders Rz 15). Wegen dieser Übereinstimmungen ist eine Abgrenzung zwischen den beiden Staatsverträgen entbehrlich (Looschelders Rz 11; BeckOK/Lorenz Rz 53; Staud/Blumenwitz Rz 485), nicht aber ggü Art 5 II, da er im Verhältnis zu den Abkommen nachrangig ist:
Rn 14
Die Flüchtlingskonvention ist für die BRD am 24.12.53 in Kraft getreten. Eine ausführliche Definition des Flüchtlingsbegriffs findet sich in Art 1, wonach es insb um Menschen geht, die ihr Land aus Furcht vor Verfolgung verlassen haben oder jedenfalls nicht zurückkehren können. Das Üb ist anwendbar auf alle internationalen Flüchtlinge, mit Ausnahme derjenigen, die sich freiwillig wieder dem Schutz ihres Heimatstaates unterstellt oder eine neue Staatsangehörigkeit erworben haben, mit Ausnahme der palästinensischen Flüchtlinge, die unter der Obhut der UN-Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East stehen, mit Ausn der unter Art 116 I GG fallenden volksdeutschen Flüchtlinge (s.o. Rn 6) und mit Ausnahme von Personen, gegen die der schwerwiegende Verdacht der Begehung bestimmter Verbrechen besteht (Art 1 C–F).
Rn 15
Die Staatenlosenkonvention ist für die BRD am 24.1.77 in Kraft getreten (BGBl 77 II 235). Als loi uniforme setzt die Konvention nicht voraus, dass der Wohnsitz des Betroffenen in einem Vertragsstaat liegt (MüKo/Sonnenberger Anh I Art 5 Rz 8). Von ihrem Anwendungsbereich ausgenommen sind nach Art 1 II, ebenso wie bei der Flüchtlingskonvention, von der speziellen UN-Behörde betreute staatenlose Palästina-Flüchtlinge, staatenlose Volksdeutsche (Erman/Hohloch Rz 61; Looschelders Rz 12) und staatenlose Personen, die im schwerwiegenden Verdacht der Begehung eines Verbrechens stehen (Parallele s.o. Rn 13 f).