Prof. Dr. Juliana Mörsdorf
I. Subjektiver Anwendungsbereich.
Rn 4
Art 7 regelt nur die Rechts- und Geschäftsfähigkeit von natürlichen Personen. Das ergibt sich aus der systematischen Stellung im zweiten Abschnitt iVm dessen amtlicher Überschrift. Rechts- und Geschäftsfähigkeit der juristischen Personen unterstehen deren Personalstatut, dem gesetzlich bislang (s aber Vor Artikel 7 bis 12 EGBGB Rn 2) nicht geregelten Gesellschaftsstatut (s.u. Anh 4-IPR/IntGesR Rn 10 unter II und III).
II. Objektiver Anwendungsbereich.
1. Umfang.
Rn 5
Regelungsgegenstand ist die allg Rechts- und Geschäftsfähigkeit (zB Bremen MDR 20, 662 [OLG Bremen 16.04.2020 - 3 W 9/20]). Rechtsfähigkeit ist die Fähigkeit einer Person, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, Geschäftsfähigkeit die Fähigkeit, durch eigene Rechtshandlungen wirksam Rechtsgeschäfte zu tätigen.
Rn 6
Außerdem wird auch die Geschlechtszugehörigkeit im Zusammenhang mit Transsexualität nach Art 7 angeknüpft (KG NZFam 21, 183; Schlesw FamRZ 20, 1095; BayObLG 04, 350; Karlsr StAZ 03, 139; Präs KG StAZ 02, 307; LG Stuttgart StAZ 99, 15; AG Hamburg StAZ 84, 42), dazu auch Rn 14 aE. Mit der Frage, inwieweit eine im EU-Ausland registrierte Geschlechtszugehörigkeit akzeptiert werden muss, befasst der EuGH sich in der Rs C-4/23 Mirin. Mäsch (BeckOK Rz 56) befürwortet die Einräumung eines Optionsrechts zugunsten des ›ausländischen‹ Geschlechts nach dem Muster des den Namen betreffenden Art 48 EGBGB.
Rn 7
Besondere Rechts- und Geschäftsfähigkeiten fallen nicht in den Anwendungsbereich des Art 7, sondern folgen idR dem Wirkungsstatut. Die Ehemündigkeit unterliegt dem Eheschließungsstatut (Art 13), güterrechtliche Verfügungsbeschränkungen dem Güterrechtstatut (Art 15), die Erb- und die Testierfähigkeit dem Erbstatut (Art 25), die Deliktsfähigkeit dem Deliktsstatut (Art 4 ff ROM II, 40 ff), die Fähigkeit zum Erwerb von Grundstücken der lex rei sitae (Art 43), die Kaufmannseigenschaft dem am Ort der gewerblichen Niederlassung geltenden Recht (LG Hamburg IPRspr 58/59 Nr 22) bzw nach der Lit, die eine Sonderanknüpfung ablehnt, dem jeweiligen Wirkungsstatut (MüKo/Birk Rz 45; BeckOK/Mäsch Rz 40; Erman/Hohloch Rz 11; Staud/Hausmann Rz 60; Looschelders Rz 19; aA Grüneberg/Thorn Rz 7) und die Partei- und Prozessfähigkeit als verfahrensrechtliche Fragen der lex fori (in Deutschland §§ 50 ff ZPO; gem § 55 ZPO reicht nach deutschem Sachrecht bestehende Prozessfähigkeit aus). Auch, ob die Eheschließung zu Beschränkungen der Geschäftsfähigkeit führt, beurteilt sich nicht nach Art 7, sondern nach Art 14 oder 15 (BeckOK/Mäsch Rz 26); denn es handelt sich um spezifisch ehebezogene Beschränkungen, und, anders als im umgekehrten Fall der Erweiterung der Geschäftsfähigkeit durch Eheschließung (dazu Rn 9), hinter der die größere Lebenserfahrung der verheirateten Frau steht, geht es hier um Beschränkungen im Interesse der ehelichen Vermögensverwaltung. Für die Wechsel- und Scheckfähigkeit und für die Fähigkeit zu Börsentermingeschäften bestehen gesetzliche Sonderregelungen (Art 91 I WG; Art 60 I ScheckG; § 53 BörsG). Nur soweit diese besonderen Fähigkeiten nach dem anzuwendenden Recht ihrerseits von der allg Rechts- oder Geschäftsfähigkeit abhängen, kommt Art 7 zur Anwendung. Dabei setzt § 52 ZPO nach hM entgegen dem Wortlaut ausl Prozess- und nicht nur Geschäftsfähigkeit voraus (v Bar/Mankowski § 5 Rz 92; Looschelders Rz 18).
2. Einzelheiten zur Rechtsfähigkeit.
Rn 8
Erfasst sind Beginn (Vollendung der Geburt, 24 Stunden nach der Geburt oä) und Ende der Rechtsfähigkeit (Hirntod oa), einschließlich der Bestimmung des Todeszeitpunktes im Rechtssinne (Art 9 bezieht sich auf Ungewissheiten im Tatsächlichen). Ob für die Nachwirkung der an sich beendeten allg Rechtsfähigkeit eine analoge Anwendung von Art 7 in Betracht kommt (so MüKo/Birk Rz 15; Looschelders Rz 9; Staud/Dörner Art 25 Rz 24), etwa im Hinblick auf den postmortalen Schutz der Persönlichkeitsrechte (Frage übersehen in BGHZ 143, 214), ist umstr (so MüKo/Birk Rz 15; aA Erman/Hohloch Rz 5 und BeckOK/Mäsch Rz 15, die auf eine Sonderanknüpfung verzichten und die Frage der postmortalen Rechtsstellung mit unter das Deliktsstatut ziehen). Entsprechendes gilt für die Rechtsstellung des Ungeborenen, wobei die Frage, ob pränatale Schädigungen auch ein Delikt ggü dem später geschädigt geborenen Kind darstellen, dem Deliktsstatut überlassen bleiben muss (BeckOK/Mäsch Rz 16; v Bar IPR II, § 1 Rz 5 ff).
3. Einzelheiten zur Geschäftsfähigkeit.
Rn 9
Im Hinblick auf die Geschäftsfähigkeit fallen unter Art 7 deren Erlangung (Altersgrenze, Hamm BeckRS 18, 30848 u Brandbg BeckRS 20, 8525 zu Guinea; KG FamRZ 20, 842 zu Gambia; Emanzipationstatbestände wie in manchen Rechten zB die Eheschließung; Volljährigkeitserklärung etc), Beschränkung (aber nicht durch Eheschließung, s.o. Rn 7) und Beseitigung sowie deren von Alter, Einsichtsfähigkeit, Geisteszustand usw abhängige Stufen (volle, beschränkte, Teilgeschäftsfähigkeiten wie § 113 BGB) und die Möglichkeiten einer Beschränkung durch Staatsakt (Looschelders Rz 13); soweit dabei behördliche oder gerichtliche Mitwirkung erforderlich ist s.u. Rn 15 f. Das gilt auch für Teilgeschäftsfähigkeiten, etwa bei...