Gesetzestext
(1) Die Zulässigkeit und die materielle Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen mit Ausnahme eines Erbvertrags unterliegen dem Recht, das nach dieser Verordnung auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden wäre, wenn die Person, die die Verfügung errichtet hat, zu diesem Zeitpunkt verstorben wäre.
(2) Ungeachtet des Absatzes 1 kann eine Person für die Zulässigkeit und die materielle Wirksamkeit ihrer Verfügung von Todes wegen das Recht wählen, das sie nach Artikel 22 unter den darin genannten Bedingungen hätte wählen können.
(3) Absatz 1 gilt für die Änderung oder den Widerruf einer Verfügung von Todes wegen mit Ausnahme eines Erbvertrags entsprechend. Bei Rechtswahl nach Absatz 2 unterliegt die Änderung oder der Widerruf dem gewählten Recht.
A. Zulässigkeit und materielle Wirksamkeit (Abs 1).
Rn 1
Art 24 betrifft die Zulässigkeit u die materielle Wirksamkeit sonstiger Verfügungen vTw (vgl Art 3 lit d), außer Erbverträgen (I). Zwischen dem auf die materielle Wirksamkeit (näher zur Reichweite Art 26) u dem auf die Form letztwilliger Verfügungen anwendbaren Recht (dazu Art 27) ist zu unterscheiden. Die Zulässigkeit u die materielle Wirksamkeit unterliegen dem hypothetischen Erbstatut (Errichtungsstatut; Janzen DNotZ 12, 484, 489), dh dem Recht, das nach der VO auf die Rechtsnachfolge vTw anzuwenden wäre, wenn der die Verfügung Errichtende zu diesem Zeitpunkt verstorben wäre. Das ist zu verstehen als Bezugnahme entweder auf das Recht des Staates des gewöhnli Aufenthalts der betreffenden Person an diesem Tag (vgl Art 21) oder, bei Rechtswahl nach Art 22, auf das Recht des Staates der Staatsangehörigkeit an diesem Tag (Erw 51). Das so bestimmte Errichtungsstatut ist unwandelbar u schützt vor einer möglichen, späteren Unwirksamkeit in Folge eines Wechsels des Aufenthaltsorts (MüKo/Dutta Rz 10). Einen besonderen Schutz bzgl der Testierfähigkeit gewährt Art 26 II.
Rn 2
Das gemeinschaftliche Testament im unionsrechtlichen Sinne (vgl Art 3 I lit d) wird von einigen dem Art 24 (als ›Verfügung von Todes wegen‹), von anderen hingegen Art 25 (›Erbverträge‹) unterstellt, s Art 25 Rn 2a. Bei inhaltlicher Verknüpfung wird eine besondere erbrechtliche Wirkung vereinbart. Nach Art 24 muss das für den jeweiligen Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner geltende Erbstatut jeweils getrennt für sich zur materiellen Wirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments gelangen, damit die Verfügung insgesamt wirksam ist (so MüKo/Dutta Rz 15).
Rn 3
Bzgl ausl gesetzlicher Verbotsnormen dürfte ähnlich wie nach bisherigem deutschem Recht nach ihrem Zweck zu unterscheiden sein (Hilbig-Lugani IPRax 14, 480, 491). Das jeweilige Erbstatut führt nur dann nach Art 24 I zur Unwirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments, wenn es sich bei der nationalen Verbotsvorschrift um ein materiellrechtliches Hindernis handelt (Simon/Buschbaum NJW 12, 2393, 2395; Grüneberg/Thorn Art 25 Rz 4). Ist das Verbot dagegen auf Formvorschriften zurückzuführen, so kann die gesonderte Anknüpfung der Form nach Art 27 zur Wirksamkeit des Testaments führen (Heinig RNotZ 14, 197, 201; Grüneberg/Thorn Art 25 Rz 4. – Dagegen allein für das Errichtungsstatut, Dutta IPRax 15, 32, 36). Wohl eher zu verneinen ist, dass nationale Verbote gemeinschaftlicher Testamente zu den materiell-rechtlichen Fragen iSd Art 26 I lit e zu zählen sind (vgl dazu Simon/Buschbaum NJW 12, 2393, 2395). ›Willensmängel oder Testierwille‹ (›consent or intention‹) dürften sich auf den Willen des Erblassers beziehen. – Die bislang hM (Staud/Dörner Art 25 EGBGB Rz 326, 355) qualifiziert ausl Verbote als Formvorschriften, wenn sie primär der Klarheit über den Inhalt der Verfügungen der Erblasser dienen (so das Verbot gemeinschaftlicher Testamente im französischen, niederländischen, schweizerischen oder spanischen Recht). Das gilt auch für das polnische Recht (Schlesw ZEV 16, 502 Anm Margonski = FamRZ 16, 1606 Anm Schmidt u Aufs Looschelders IPRax 17, 580). Dagegen sind die ausl Vorschriften als inhaltliche Verbotsnormen anzusehen, wenn sie auf Bedenken ggü lebzeitiger Bindung beruhen (so die Verbote von Erbverträgen sowie von gemeinschaftlichen Testamenten im italienischen [Kobl ZEV 13, 557; Beyer ZErb 15, 170, 171], portugiesischen u kroatischen Recht, Nachw bei NK/Kroiß Art 26 EGBGB Rz 32f).
Rn 4
Gelangen – etwa auf Grund unterschiedlicher Heimatrechte – beide Erbstatute zur Wirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments, beurteilen sich weder Bindungswirkung noch materieller Inhalt nach einem einheitlichen Erbstatut. Vielmehr ist weiterhin zu unterscheiden. Eine dem Art 25 II 2 aF EGBGB vergleichbare Regelung fehlt für gemeinschaftliche Testamente. Wegen dieser Unsicherheit wird bei Sachverhalten mit grenzüberschreitendem Bezug zum Abschluss eines Erbvertrags geraten (Kurth ErbR 20, 395, 397).
Rn 5
Die Anwendung des für Zulässigkeit u Wirksamkeit maßgeblichen Rechts ändert nichts an den Pflichtteilsrechten nach dem Erbstatut gem Art 23 II lit h (Erw 50). Für eine Qualifikation der Ansprüche von ›after-born-children‹ nach US-Recht nach letzterer Bestimm...