Rn 2
In Betracht kommt etwa ein Verstoß gg die EU-Grundrechte-Charta, insb gg das Diskriminierungsverbot in Art 21 (Erw 58). Bei der Anwendung des ordre public ist zwischen gesetzlicher u testamentarischer Erbfolge zu unterscheiden. Letztwillige Verfügungen, die bestimmte Personen wegen ihres Geschlechts, Glaubens oder ihrer Herkunft diskriminieren, verstoßen nur gg Art 35, wenn eine vergleichbare Verfügung nach deutschem Sachrecht gem § 138 BGB verboten wäre, was nur selten der Fall sein wird (Looschelders IPRax 06, 462 ff; MüKo/Dutta Rz 9). Erklärt eine ausl Rechtsordnung die letztwillige Verfügung wegen der Religionsverschiedenheit von Verfügendem u Bedachtem für unwirksam (so viele islamische Rechte, vgl Hamm FamRZ 05, 1705), ist sie aus deutscher Sicht bei hinreichendem Inlandsbezug gleichwohl wirksam (Rauscher/Pabst NJW 07, 3541, 3545). Entsprechendes gilt bei Benachteiligung aufgrund Geschlechts (Frankf ZEV 11, 135; München ZErb 21, 71 [Iran]. – Krit Rauscher/Pabst NJW 11, 3547, 3550).
Rn 3
Anders als nach dem VO-Vorschlag kann der ordre public auch beim Pflichtteilsrecht zum Zuge kommen (Dörner ZEV 12, 505, 512; Wilke RIW 12, 601, 607). Ein Ordre-public-Verstoß ist für die Versagung eines bedarfsunabhängigen Pflichtteils für ein erwachsenes Kind nach englischem Recht angenommen worden (BGH FamRZ 22, 1489 krit Anm Schmidt, abl Aufs Scholz IPRax 23, 273 ff). Anders für Österreich öst OGH FamRZ 21, 1487). Ob das frz Entnahmerecht (droit de prélèvement) ordre public-widrig ist, ist zweifelhaft (Mittmann GPR 22, 188 ff). Der ordre public kommt auch in Betracht bei fehlender Absicherung eingetragener Lebenspartner (Coester ZEV 13, 115, 117). Die Wahl eines Heimatrechts, das kein Pflichtteilsrecht kennt, ist grds nicht anstößig (Heinemann MDR 15, 928, 931).
Rn 4
Die Anwendung einer Rechtsordnung iRd gesetzlichen Erbfolge, die selbst enge Verwandte bzw Ehegatten vom Erbrecht insgesamt ausschließt u auch kein Noterbrecht (Pflichtteil) u Ehegatten auch keinen güterrechtlichen Ausgleich gewährt, verstößt jedenfalls dann gg den ordre public, falls die iSd deutschen Rechts erbberechtigte Person hierdurch im Inland sozialhilfebedürftig wird (Staud/Dörner Art 25 EGBGB Rz 695; MüKo/Dutta Rz 8). Die Diskriminierung von Personen wegen ihres Geschlechts, der Staatsangehörigkeit oder ihres Glaubens kann einen ordre public-Verstoß begründen (Hamburg FamRZ 15, 1232 Anm Köhler = NZFam 15, 736 Anm Rauscher: unterschiedlichen Erbquoten für Mann u Frau nach iran Recht). IRd gesetzlichen Erbfolge verstößt sie ausnw dann nicht gg Art 3, 4, 14 GG u damit auch nicht gg den ordre public, wenn feststeht u ggf nachgewiesen wird, dass der Erblasser mit der Regelung des ausl Erbrechts einverstanden war (Hamm FamRZ 05, 1705, 1707 f; KG NJW-RR 08, 1109, 1111; Lorenz ZEV 05, 440 f; Rauscher FamRZ 08, 1566; Looschelders IPRax 09, 246 ff. – Dagegen Eule ZEV 11, 295, 298f). Eine weniger weitgehende Erbenordnung als nach deutschem Recht ist dagegen hinzunehmen (KG ZEV 11, 132 [KG Berlin 05.10.2010 - 1 W 45/09]). S Art 6 EGBGB Rn 19 f.