Rn 2
Bilaterale Abk, die Deutschland geschlossen hat, bestehen insb im Verhältnis zum Iran, zu Russland u den Nachfolgestaaten der Sowjetunion sowie zur Türkei. Sie gelten weiterhin (Mankowski ZEV 13, 529, 534; Gebauer IPRax 18, 345 ff.; NK/Magnus Rz 10; allg Wurmnest/Wössner ZvglRWiss 118 [19] 449 ff). Das vorrangig anzuwendende Abk entscheidet auch, wieweit eine Rechtswahl möglich ist (Heinemann MDR 15, 928, 929). Die Kollisionsnormen dieser Abk enthalten durchweg Sachnormverweisungen. Da das deutsch-türkische u das deutsch-sowjetische Abk die Erbfolge in Immobilien bzw Rechte an diesen nach dem Recht der Belegenheit beurteilen, kommt es hier häufig zur Nachlassspaltung. Art 75 steht nicht entgegen, dass ein in einem MS wohnhafter Drittstaatsangehöriger, wenn dieser MS vor der Annahme der VO mit dem Drittstaat ein bilaterales Abk geschlossen hat, das das in Erbsachen anzuwendende Recht vorgibt und nicht ausdrücklich die Möglichkeit der Wahl eines anderen Rechts vorsieht, nicht für die Rechtsnachfolge vTw das Recht des Drittstaats wählen kann (EuGH C-21/22, ZEV 23, 837 Anm Lehmann = ECLI:EU:C:2023:766 [zum poln-ukrain Verh]).
Rn 3
Gem § 14 I des deutsch-türkischen Nachlassabkommens vom 17.2.29, das als Anh zu Art 20 des deutsch-türkischen Konsularvertrages vom 28.5.29 (RGBl 1930 II 748 = Jayme/Hausmann Nr 62; BGBl 52 II 608) abgeschlossen wurde, geht von einer gespaltenen Anknüpfung aus. Der bewegliche Nachlass eines Deutschen oder Türken unterliegt dem Recht des Staates, dessen Nationalität der Erblasser bei seinem Tode besaß (Damar IPRax 12, 278 ff; Majer ZEV 12, 182 ff; Yarayan ErbR 14, 571 ff; Sütçü ZErb 15, 43 ff. Zu Doppelstaatern Kaya ZEV 15, 208 ff; Gebauer IPRax 18, 345, 349f). Für unbewegliches Vermögen gilt gem § 14 II das Recht der Belegenheit, also deutsches Recht für deutsches unbewegliches Vermögen (BGH FamRZ 12, 1871). Vorfragen werden zT selbständig (MüKo/Dutta Rz 22), nach aA unselbstständig angeknüpft (Köln FamRZ 14, 1585). Gem § 16 sind Verfügungen vTw formwirksam, wenn sie den Formanforderungen des Heimatstaates des Erblassers oder aber denjenigen des Staates, in dem die Verfügung getroffen wurde, entsprechen. Die Behandlung der Erbteilserhöhung des überlebenden Ehegatten nach deutschem Recht (§ 1371 I BGB) ist zweifelhaft (unentschieden Hamm FamRZ 19, 1566 m Anm Mankowski NZFam 19, 509 u Thorn/Varón Romero IPRax 20, 316 sowie Aufs Süß ZErb 19, 249). Sie erfolgt nicht, wenn die Ehegatten im türk Güterstand der Errungenschaftsgemeinschaft gelebt haben (Stuttg FamRZ 23, 477). – Nach § 15 S 1 sind für Klagen über die Feststellung des Erbrechts, Erbschaftsansprüche u Ansprüche aus Vermächtnissen u Pflichtteilen, soweit sie sich auf den beweglichen Nachlass beziehen, die Gerichte des Heimatstaates des Erblassers, soweit sie den unbeweglichen Nachlass betreffen, die Gerichte der Belegenheit der Immobilie zuständig (s BGH FamRZ 16, 122 m Anm Gottwald = ZEV 16, 150 Anm Eichel).
Rn 4
Art 8 III 1 des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens vom 17.2.29 (RGBl 1930 II 1006 = Jayme/Hausmann Nr 22; BGBl 55 II 829) unterstellt den Nachlass umfassend dem Heimatrecht des Erblassers (München ZErb 12, 220; zur Nichtermittelbarkeit iranisch-jüdischen Erbrechts, AG Hamburg-St. Georg ZEV 19, 661). Das gilt auch für in Drittstaat belegenen Nachlass (MüKo/Dutta Rz 13; Wurmnest IPRax 16, 447, 450 gegen AG Hamburg-St. Georg ZEV 15, 580). Für deutsch-iranische Doppelstaater gilt das Abk nicht (München ZEV 10, 255 [OLG München 01.02.2010 - 31 Wx 37/09]), wohl aber für Iraner mit Drittstaatszugehörigkeit (AG Hamburg-St. Georg ZEV 15, 580 zust Aufs Wurmnest IPRax 16, 447, 448). Auch bei Anwendung des Abk kann es zu einer Erhöhung des Ehegattenerbteils nach § 1371 BGB kommen (anders Hambg FamRZ 15, 1232 abl Anm Köhler).
Rn 5
Nach Art 28 III des deutsch-sowjetischen Konsularvertrages vom 25.4.58 (BGBl 59 II 233 = Jayme/Hausmann Nr 63) wird unbeweglicher Nachlass eines Staatsangehörigen eines MS nach dem Recht der Belegenheit vererbt. Für beweglichen Nachlass enthält der Vertrag keine Regelung, so dass es aus deutscher Sicht bei der europäischen u deutschen Regelung verbleibt (Staud/Dörner vor Art 25 EGBGB Rz 198). Für die Form letztwilliger Verfügungen findet Art 27 bzw das HTÜ Anwendung. Der Vertrag gilt heute im Verhältnis zu Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Kasachstan, der Republik Moldau, der Russischen Föderation, Tadschikistan, der Ukraine, Usbekistan u Weißrussland. Im Verhältnis zu Estland, Lettland, Litauen u Turkmenistan wurde die Fortgeltung nicht vereinbart, so dass die europäischen u deutschen Regeln anzuwenden sind (MüKo/Dutta Rz 33; Staud/Dörner vor Art 25 EGBGB Rz 194f). Im Verhältnis zu Kirgisistan ist sie entfallen (BGBl 16 II 128).