Gesetzestext
Das auf die Unterhaltspflicht anzuwendende Recht bestimmt insbesondere,
a) |
ob, in welchem Umfang und von wem der Unterhaltsberechtigte Unterhalt verlangen kann; |
b) |
in welchem Umfang die berechtigte Person Unterhalt für die Vergangenheit verlangen kann; |
c) |
die Grundlage für die Berechnung des Unterhaltsbetrags und für die Indexierung; |
d) |
wer zur Einleitung eines Unterhaltsverfahrens berechtigt ist, unter Ausschluss von Fragen der Prozessfähigkeit und der Vertretung im Verfahren; |
e) |
die Verjährungsfristen oder die für die Einleitung eines Verfahrens geltenden Fristen; |
f) |
den Umfang der Erstattungspflicht der verpflichteten Person, wenn eine öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtung die Erstattung der der berechtigten Person anstelle von Unterhalt erbrachten Leistungen verlangt. |
Rn 1
Art 11 umschreibt den Geltungsbereich des anzuwendenden Rechts. Die Aufzählung ist nicht abschließend (Rauscher/Andrae Rz 1). Das auf die Unterhaltspflicht anzuwendende Recht bestimmt insb, ob, in welchem Umfang u von wem der Unterhaltsberechtigte Unterhalt verlangen kann (lit a); s.a. Art 14 Rn 2 ff. Dazu gehören die Voraussetzungen (Bedürftigkeit, Selbstbehalt, Leistungsfähigkeit), die Höhe (Rauscher/Andrae Rz 6), ein etwaiger Verfahrenskostenvorschuss (Köln FamRZ 95, 680) u die sachrechtlichen Abänderungsvoraussetzungen (Bremen FamRZ 17, 614 m Aufs Martiny IPRax 17, 595; Junker IPR § 19 Rz 7; Grüneberg/Thorn Rz 39). Umfasst werden ferner die Dauer (Rauscher/Andrae Rz 16 ff) sowie die Möglichkeiten von Vereinbarungen (Rauscher/Andrae Rz 9) u Verzicht (Hausmann FS Martiny [14], 345, 358). Das gilt auch für den Rang mehrerer Unterhaltsschuldner (Ddorf FamRZ 01, 919, 920; Martiny FS Jayme [04], 575; Rauscher/Andrae Rz 2); bei unterschiedlicher Rangfolge ist eine Anpassung notwendig (Coester-Waltjen IPRax 12, 528, 530f).
Rn 2
Das Unterhaltsstatut regelt ferner, in welchem Umfang der Unterhaltsberechtigte Unterhalt für die Vergangenheit verlangen kann (lit b). Das für die Unterhaltspflicht maßgebliche Recht bestimmt auch die Grundlage für die Berechnung des Unterhaltsbetrags u für die Indexierung (lit c). Dazu gehört ebenfalls eine Anpassung des Mindestunterhalts nach § 1612a BGB (vgl Rauscher/Andrae Rz 21) sowie die Währung (Grüneberg/Thorn Rz 39). Nach dem Unterhaltsstatut richtet sich ferner, wer zur Einleitung des Unterhaltsverfahrens berechtigt ist (Klageberechtigung), unter Ausschluss von Fragen der Prozessfähigkeit u der Vertretung im Verfahren (lit d). Davon wird auch die gesetzliche Vertretung des Kindes im Prozess sowie die Prozessstandschaft nach § 1629 II 2, III 1 BGB erfasst (Grüneberg/Thorn Rz 42; Rauscher/Andrae Rz 23; vgl BGH FamRZ 92, 426; AG Berlin-Schönefeld FamRZ 10, 1566).
Rn 3
Dem Unterhaltsstatut unterliegen außerdem die Verjährungsfristen oder die für die Einleitung eines Verfahrens geltenden Fristen (lit e). Schließlich begrenzt das Unterhaltsstatut den Umfang der Erstattungspflicht der verpflichteten Person, wenn eine öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtung die Erstattung der der berechtigten Person anstelle von Unterhalt erbrachten nach Art 10 Leistungen verlangt (lit f); dazu Martiny FamRZ 14, 429, 430; Rauscher/Andrae Rz 26; näher zu UVG-Kassen Jäger-Maillet JAmt 18, 366 ff). Der Rückgriff Privater gg andere Unterhaltspflichtige ist nicht geregelt. Der Rückgriff des Inanspruchgenommenen richtet sich nach dem für seine Unterhaltspflicht maßgeblichen Recht (näher Rauscher/Andrae Rz 13. – Zum Scheinvaterregress Ehgartner/Uitz ZfRV 21, 170). Leistet anstelle des eigentlichen Unterhaltsschuldners ein Dritter Unterhalt, so gilt für den Rückgriff subsidiär Verpflichteter das für ihre Unterhaltspflicht maßgebliche Unterhaltsstatut (unter Hinweis auf Art 15 ROM I u Art 19 ROM II Grüneberg/Thorn Rz 36; NK/Gruber Rz 12; vgl Martiny FS Jayme I [04], 575, 585 ff).
Rn 4
Das nach lit a berufene Recht umfasst auch den ›Umfang‹, also die Höhe des geschuldeten Unterhalts. Dies gilt zunächst unabhängig davon, ob die Parteien sich im selben oder in verschiedenen Staaten aufhalten. Soweit das berufene Sachrecht einen solchen Sachverhalt bei der Unterhaltsbemessung berücksichtigt, bleibt es auch insoweit bei der Maßgeblichkeit dieses Rechts. Dies gilt uneingeschränkt, wenn deutsches Recht berufen ist, da nach diesem die Höhe des Unterhalts sich grds nach den Umständen des Einzelfalls richtet, nicht an starre gesetzliche Vorgaben gebunden ist u Bedürftigkeit einerseits u Leistungsfähigkeit andererseits zwingende Maßstäbe sind. Bei Maßgeblichkeit ausl Rechts ist für die Unterhaltsberechnung das ausl Recht maßgeblich, wenngleich in der Gerichtspraxis aus Gründen der Vereinfachung auch dann häufig zusätzlich (zB Zweibr FamRZ 04, 729: Russland) oder ausschließlich bzw nahezu ausschließlich die deutschen Grundsätze herangezogen werden (zB Hamm FamRZ 05, 369: Polen; AG Leverkusen FamRZ 04, 727: Polen).