Rn 2
Das Üb lässt alternativ fünf unterschiedliche Anknüpfungen der Testamentsform zu. Eine letztwillige Verfügung ist formgültig, wenn sie einer der genannten Rechtsordnungen entspricht.
- Ort, an dem der Erblasser letztwillig verfügt hat (Errichtungsort; I lit a);
- Heimatrecht des Erblassers im Zeitpunkt der letztwilligen Verfügung oder im Zeitpunkt seines Todes (I lit b);
- Wohnsitz des Erblassers im Zeitpunkt der letztwilligen Verfügung oder seines Todes (I lit c). Ob der Erblasser an einem bestimmten Ort einen Wohnsitz gehabt hat, wird durch das an diesem Orte geltende Recht geregelt (III). Hiergegen hat eine Reihe von Staaten (ua Türkei, Ukraine, Vereinigtes Königreich) den Vorbehalt nach Art 9 eingelegt und wendet insoweit die lex fori an.
- Gewöhnl Aufenthalt des Erblassers im Zeitpunkt der letztwilligen Verfügung oder seines Todes (I lit d);
- Ort der Belegenheit, soweit es sich um unbewegliches Vermögen handelt (I lit e).
Rn 3
Das Recht, das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden ist oder im Zeitpunkt der Verfügung anzuwenden wäre, wird nicht genannt. Es ist allerdings aufgrund von Art 26 I S 1 EGBGB gleichfalls maßgeblich für eine letztwillige Verfügung, auch wenn sie von mehreren Personen in derselben Urkunde errichtet wird oder durch sie eine frühere letztwillige Verfügung widerrufen wird.
Rn 4
Grds genügt iRd HTÜ im Interesse der Formwirksamkeit der Verfügung die Wahrung einer der alternativ anwendbaren Formen (BayObLG FamRZ 06, 70, 71). Bei einseitigen letztwilligen Verfügungen reicht es daher, wenn der Testator die Formanforderungen des ihm günstigsten der im HTÜ genannten Rechte einhält. Daher kann ein maschinengeschriebenes Testament ausreichen (Hamm ZEV 21, 694 [OLG Hamm 10.08.2021 - 10 W 53/21] [Thailand]). Für den eher theoretischen Fall, dass mehrere Personen an verschiedenen Orten letztwillige Verfügungen getroffen haben, die in einer Urkunde dokumentiert sind (gemeinschaftliches Testament), sind jedoch in Bezug auf jede Verfügung die Formanforderungen des HTÜ getrennt zu prüfen (Staud/Dörner vor Art 25 EGBGB Rz 78). Art 11 II EGBGB ist nicht analog heranzuziehen (Erman/Stürner Rz 2).
Rn 5
IRd Anwendung der berufenen Sachrechte kann sich die allgemeine Frage stellen, ob die vom anwendbaren Formstatut vorgeschriebene Form durch eine Handlung im Ausland substituiert werden kann; insoweit gelten die gleichen Grundsätze wie iRd Art 11 EGBGB (s Art 11 EGBGB Rn 19 ff). Bei der Anknüpfung der Form an die Staatsangehörigkeit des Erblassers (Art 1 lit b) genügt es bei Mehrstaatern entgegen Art 5 I EGBGB, wenn die Form irgendeines der Heimatrechte eingehalten ist. In Bezug auf Art 1 lit a ergibt sich aus dem Gegenschluss zu Art 1 lit c, d, dass es genügt, wenn der Testator ausschl zur Errichtung der Verfügung in einen Staat gereist ist, nach dessen Recht die Verfügung wirksam ist; eine weitere Beziehung zum Errichtungsstaat ist nicht erforderlich.
Rn 6
Ist eine einseitige Verfügung formunwirksam, so entscheidet das mildeste der nach Art 1 anwendbaren Rechte über die Folgen des Verstoßes, insb ob die Verfügung unwirksam oder bloß vernichtbar ist (Grüneberg/Thorn Anh Art 26 EGBGB Rz 3; aM MüKo/Dutta Rz 19 [Erbstatut entscheidet]; offen gelassen BayObLG ZEV 05, 441 [BayObLG 04.05.2005 - 1 Z BR 114/04]). Bei zwei- bzw mehrseitigen Verfügungen führt die Formunwirksamkeit auch nur einer (Teil-)Verfügung dazu, dass die Verfügung insgesamt hinfällig wird.