Gesetzestext
(1) 1Wird durch den Fehler eines Produkts jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Hersteller des Produkts verpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. 2Im Falle der Sachbeschädigung gilt dies nur, wenn eine andere Sache als das fehlerhafte Produkt beschädigt wird und diese andere Sache ihrer Art nach gewöhnlich für den privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt und hierzu von dem Geschädigten hauptsächlich verwendet worden ist.
(2) Die Ersatzpflicht des Herstellers ist ausgeschlossen, wenn
1. |
er das Produkt nicht in den Verkehr gebracht hat, |
2. |
nach den Umständen davon auszugehen ist, dass das Produkt den Fehler, der den Schaden verursacht hat, noch nicht hatte, als der Hersteller es in den Verkehr brachte, |
3. |
er das Produkt weder für den Verkauf oder eine andere Form des Vertriebs mit wirtschaftlichem Zweck hergestellt noch im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit hergestellt oder vertrieben hat, |
4. |
der Fehler darauf beruht, dass das Produkt in dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller es in den Verkehr brachte, dazu zwingenden Rechtsvorschriften entsprochen hat, oder |
5. |
der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik in dem Zeitpunkt, in dem der Hersteller das Produkt in den Verkehr brachte, nicht erkannt werden konnte. |
(3) 1Die Ersatzpflicht des Herstellers eines Teilprodukts ist ferner ausgeschlossen, wenn der Fehler durch die Konstruktion des Produkts, in welches das Teilprodukt eingearbeitet wurde, oder durch die Anleitungen des Herstellers des Produkts verursacht worden ist. 2Satz 1 ist auf den Hersteller eines Grundstoffs entsprechend anzuwenden.
(4) 1Für den Fehler, den Schaden und den ursächlichen Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden trägt der Geschädigte die Beweislast. 2Ist streitig, ob die Ersatzpflicht gemäß Absatz 2 oder 3 ausgeschlossen ist, so trägt der Hersteller die Beweislast.
A. Funktion und Aufbau.
Rn 1
§ 1 I enthält die Anspruchsgrundlage für die Produkthaftung nach dem ProdHaftG (mit Einschränkungen in I 2), § 1 II und III normieren Ausschlussgründe für die Haftung und § 1 IV regelt die Beweislast.
B. Regelungsinhalt.
I. Haftungsvoraussetzungen.
1. Fehler eines Produkts.
Rn 2
Die Haftung setzt das Vorliegen eines Fehlers (iSd § 3) eines Produkts (iSd § 2) voraus.
2. Rechtsgutsverletzung.
Rn 3
Die durch das ProdHaftG geschützten Rechtsgüter sind in § 1 I 1 abschließend aufgezählt; insb haftet der Hersteller nicht für primäre Vermögensschäden (s nur Staud/Oechsler § 1 Rz 6; MüKo/Wagner § 1 Rz 3, beide mwN; NK-BGB/Katzenmeier § 1 Rz 8; Grüneberg/Sprau § 1 Rz 8; Frankf EuZW 22, 384, 387).
Rn 4
Die Haftung nach § 1 I greift – in Parallele zu § 823 I BGB – bei einer Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit eines Menschen.
Rn 5
In Bezug auf die Beschädigung einer Sache (iSd § 90 BGB) durch ein fehlerhaftes Produkt erfasst § 1 I nicht nur Eigentumsverletzungen, sondern auch Verletzungen dinglicher Rechte, des Anwartschaftsrechts oder des Rechts zum Besitz (Erman/Wilhelmi § 1 Rz 2), also auch einige ›sonstige Rechte‹ iSd § 823 I BGB. Andererseits enthält § 1 I 2 ggü der Produkthaftung nach § 823 I BGB zwei Einschränkungen:
Rn 6
Es muss eine andere Sache als das fehlerhafte Produkt beschädigt werden, § 1 I 2 Hs 1. Die hM leitet daraus zu Recht einen Ausschluss des Ersatzes von ›Weiterfresserschäden ieS‹ (§ 823 BGB Rn 41 ff) ab (zB MüKo/Wagner § 1 Rz 9; Soergel/Krause § 1 Rz 4; Erman/Wilhelmi § 1 Rz 2 f; Beierle Die Produkthaftung im Zeitalter des Internet of Things 21, 94 ff, alle mwN; Stuttg NZM 10, 626, 628 [OLG Stuttgart 24.09.2009 - 7 U 89/09]; aA zB ProdHHdb/v Westphalen § 46 Rz 6 ff; Katzenmeier/Voigt § 1 Rz 9; Rosenberger Die außervertragliche Haftung für automatisierte Fahrzeuge 22, 294 f, alle mwN; diff Staud/Oechsler § 1 Rz 19 ff; NK-BGB/Katzenmeier § 1 Rz 12). Zwar könnte aus § 2 1 gefolgert werden, dass das ProdHaftG eine Aufspaltung zusammengesetzter Produkte iSd ›Weiterfresser‹-Rechtsprechung ermögliche (dazu zB Sack VersR 88, 439, 444 ff; Ehring in Ehring/Taeger Produkthaftungs- und Produktsicherheitsrecht 22 § 1 ProdHaftG Rz 21 ff). Dagegen sprechen aber der Wille des Gesetzgebers (BTDrs 11/2447, 13) sowie Wortlaut, Sinn und Zweck des § 1 I 2 Hs 1, der bei einer anderen Interpretation ebenso wie die Regelungen über Teilprodukte in §§ 4 I 1, 1 III 1 weitgehend gegenstandslos würde. Hingegen werden ›Weiterfresserschäden iwS‹ vom Wortlaut des § 1 I 2 Hs 1 nicht erfasst, denn bei ihnen wird gerade eine andere Sache als das fehlerhafte Produkt beschädigt. Hier sollte ähnl wie bei § 823 I BGB (§ 823 BGB Rn 48 iVm § 823 BGB Rn 46) darauf abgestellt werden, ob durch das Inverkehrbringen des mangelhaften Produkts bereits andere Rechtsgüter gefährdet wurden – nur dann kommt eine Haftung nach dem ProdHaftG in Betracht – oder ob die Rechtsgutsverletzung erst durch eine für den Hersteller nicht vorhersehbare Verwendung verursacht wurde.
Rn 7
Die beschädigte Sache (nicht das fehlerhafte Produkt, BGH VersR 23, 796 Rz 13) muss weiterhin ihrer Art nach gewöhnlich für den privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt und hierzu vom Geschädigte...