Gesetzestext
Produkt im Sinne dieses Gesetzes ist jede bewegliche Sache, auch wenn sie einen Teil einer anderen beweglichen Sache oder einer unbeweglichen Sache bildet, sowie Elektrizität.
Rn 1
Produkte iSd § 2 sind bewegliche Sachen iSd § 90 BGB sowie die nicht von § 90 BGB erfasste Elektrizität (s dazu insb BGHZ 200, 242 Rz 7). Auch Tiere werden als von § 2 ProdHaftG erfasst angesehen (zB Staud/Oechsler § 2 Rz 71 f; MüKo/Wagner § 2 Rz 5, beide mwN; NK-BGB/Katzenmeier § 2 Rz 4). Mikroorganismen (dazu insb Staud/Oechsler § 2 Rz 72 mN) sollten ebenfalls einbezogen werden, denn wenn landwirtschaftliche Produkte vom ProdHaftG genauso erfasst werden wie Tiere, erscheint ihr Ausschluss nicht sinnvoll. Allerdings ist fraglich, ob die Produkthaftung insoweit neben den Spezialregelungen (insb im GenTG und im IfSG) große Bedeutung erlangen wird. Eingeschlossen in den Produktbegriff sind Teilprodukte, die in andere bewegliche oder unbewegliche Sachen (insb Bauwerke) eingebaut werden (zB Stuttg VersR 01, 465, 466; NZM 10, 626), nicht aber Bauwerke selbst (Stuttg VersR 01, 456, 466). Auf die Art der Fertigung der beweglichen Sachen (zB industriell, handwerklich, kunstgewerblich) oder den Verwendungszweck kommt es nicht an (BTDrs 11/2447, 16f). Ausgenommen sind aufgrund der vorrangigen Sonderregelung in § 84 AMG Arzneimittel (s.u. § 15 Rn 3), aber nicht mehr landwirtschaftliche Naturprodukte (s.o. Vor ProdHaftG Rn 1 sowie Stockmeier VersR 01, 271 ff).
Rn 2
§ 2 nennt im Anschluss an die RL ausdrücklich auch Elektrizität, um Auslegungsproblemen vorzubeugen. Ebenso erfasst sind andere Versorgungsgüter, zB Wasser, Gas, Fernwärme (BTDrs 11/2447, 16). Schäden durch Unterbrechung von Versorgungsleitungen sind aber nicht zu ersetzen, weil die Nichtlieferung keine Lieferung eines fehlerhaften Produkts ist (zB Staud/Oechsler § 2 Rz 45; MüKo/Wagner § 2 Rz 3 f, beide mwN auch zur aA; Soergel/Krause § 2 Rz 3; Erman/Wilhelmi § 2 Rz 2; für gesetzgeberische Klarstellung de Wyl/Rieke IR 15, 5 ff). Problematisch ist wegen der Bezugnahme auf § 90 BGB die Einbeziehung sicherheitsrelevanter Informationen, zB im naturwissenschaftlich-technischen Bereich. Sind sie verkörpert (zB in Druckwerken oder auf Datenträgern), handelt es sich jedenfalls bei den sie verkörpernden Gegenständen um bewegliche Sachen und damit um Produkte iSd § 2. Fraglich ist aber, ob auch die darin erfassten Informationen selbst von § 2 erfasst werden (dafür zB NK-BGB/Katzenmeier § 2 Rz 3 mwN; Meyer ZUM 97, 26, 27 ff; dagegen jetzt nach ausführlicher Auslegung der Produkthaftungs-RL EuGH NJW 21, 2015 = ECLI:EU:C:2021:471 Rz 24 ff, zust zB Finkelmeier NJW 21, 2017; Günther EuZW 21, 765 f; Zech NJW 22, 502, 525 f; iE auch Smirra ZUM 21, 992, 995 f; B Koch ZEuP 22, 980, 982 ff). Ob allerdings die vom EuGH vorausgesetzte Trennung von Produkt und darin enthaltener Information immer klar durchführbar ist, wird sich – va mit Blick auf ›IT-Pakete‹ – erst noch zeigen müssen. Mit Blick auf die Verkörperung wird auch Software, die auf einem Datenträger oder in einem Netzwerk gespeichert ist, erfasst (zB Staud/Oechsler § 2 Rz 64; MüKo/Wagner § 2 Rz 19 ff; G Wagner AcP 2017, 707, 718; ders VersR 20, 717, 726; ders in Lohsse/Schulze/Staudenmayer, Smart Products 22, 157, 179; Spindler/Klöhn VersR 03, 410, 412 f; Reusch BB 19, 904, 905 f; ders in: Kaulartz/Braegelmann Rechtshandbuch Artificial Intelligence und Machine Learning 20, Kap 4 Rz 171 ff, Wittbrodt InTeR 20, 74, 76; Stöber/Pieronczyk/Möller DAR 20, 609, 613; Steege NZV 21, 6, 7 f; Borges CR 22, 553, 558; ders in Lohsse/Schulze/Staudenmayer, Smart Products 22, 181, 184 f; Taeger in Ehring/Taeger Produkthaftungs- und Produktsicherheitsrecht 22 § 2 ProdHaftG Rz 18 ff; Weingart Vertragliche und außervertragliche Haftung für den Einsatz von Softwareagenten unter Berücksichtigung der technischen Möglichkeiten und des gesamtwirtschaftlichen Nutzens 21, 211 ff, alle mwN; ähnl Sommer Haftung für autonome Systeme 20, 224; Dötsch Außervertragliche Haftung für Künstliche Intelligenz am Beispiel von autonomen Systemen 23, 276 ff; in diese Richtung auch die Europäische Kommission bereits ABl EG 89 C 114/42 und jetzt KOM [20] 64 endg 16 sowie Art 4 I des Trilog-Dokuments zur neuen Produkthaftungsrichtlinie, 2022/0302[COD]; aA Haagen Verantwortung für Künstliche Intelligenz 21 312 ff; Chibanguza in Chibanguza/Kuß/Steege Künstliche Intelligenz 22 § 5 K. Rz 9; umfassend zu diesem Fragenkomplex Müller Software als ›Gegenstand‹ der Produkthaftung 19, 115 ff). Auch online übertragene Software sollte bereits de lege lata einbezogen werden; dafür sprechen der Schutzzweck des Gesetzes und die Zwischenspeicherung (so auch zB MüKo/Wagner § 2 Rz 20; ähnl Beierle Die Produkthaftung im Zeitalter des Internet of Things 21, 177 ff; Xylander Die Verantwortlichkeit des Herstellers automatisierter Pkw nach Deliktsrecht sowie nach dem Produkthaftungsgesetz 21, 192 ff; Mayrhofer Außervertragliche Haftung für fremde Autonomie 23, 236 ff; aA zB Staud/Oechsler § 2 Rz 65; We...