I. Systematische Einordnung.
Rn 4
Im Ausgangspunkt erfordert die Haftung nach dem ProdHaftG ebenso wie diejenige nach der RL kein Verschulden. Str ist, ob es sich um eine an die Verletzung bestimmter Sorgfaltspflichten anknüpfende verschuldensunabhängige Haftung (zB Taschner/Frietsch § 1 Rz 2, 17 ff mwN; ähnl wohl Sieglitz Die Weiterentwicklung des deutschen Produkthaftungsrechts durch Einflüsse des US-amerikanischen Produkthaftungsrechts unter besonderer Berücksichtigung der Automobilindustrie 18, 62), eine Gefährdungshaftung (zB Erman/Wilhelmi Vor § 1 ProdHaftG Rz 2; Grüneberg/Sprau § 1 Rz 1; NK-BGB/Katzenmeier § 1 Rz 1 mwN), eine Mischform (zB Staud/Oechsler Einl zum ProdHaftG Rz 27 ff; MüKo/Wagner Einl ProdHaftG Rz 18 ff; Soergel/Krause ProdHaftG Vor § 1 Rz 5; Heinze Schadensersatz im Unionsprivatrecht 17, 385 ff, alle mwN; H Koziol AcP 2019, 376, 384 ff: Haftung von Importeur und Lieferant als Sicherstellungshaftung; krit zur Rechtsnaturdebatte Schlechtriem FS Rittner 545, 555 ff) oder gar eine Verschuldenshaftung (G Wagner VersR 20, 717, 726) handelt. Die Frage spielt eine Rolle für die Auslegung einzelner Vorschriften (zB des § 1 II Nr 5 oder des Fehlerbegriffs in § 3), denn nur bei Annahme einer Haftung für vermutetes Verschulden können auch individuelle Umstände in der Person des Herstellers berücksichtigt werden (s insb Larenz/Canaris § 84 VI 1; Staud/Oechsler Einl zum ProdHaftG Rz 28). Europäischer und deutscher Gesetzgeber wollten ursprünglich eine verschuldensunabhängige Haftung einführen (Erw 2 ProdHaftRL; BTDrs 11/5520, 10; s aber auch BTDrs 11/2447, 11), dies wurde jedoch nur tw durchgehalten (vgl Staud/Oechsler Einl zum ProdHaftG Rz 35 ff; MüKo/Wagner Einl ProdHaftG Rz 18 ff). Daher ist bei der Auslegung der einzelnen Regelungen zu berücksichtigen, ob sie verhaltensabhängig oder -unabhängig sind. Letztlich ist also dem Ansatz zu folgen, der eine Mischung unterschiedlicher Haftungsarten annimmt.
II. Wichtigste Unterschiede zur Produkthaftung nach § 823 I BGB.
Rn 5
Weiterreichende Haftung: Haftung jedenfalls im Ansatz ohne Verschulden und damit auch zB für ›Ausreißer‹, weiterreichende Haftung des Importeurs (§ 4 II), subsidiäre Haftung des Lieferanten (§ 4 III).
Rn 6
Einschränkungen der Haftung: Keine Haftung für Schäden am fehlerhaften Produkt selbst (§ 1 I 2), nur Haftung für Produkte, die ihrer Art nach gewöhnlich für den privaten Ge- oder Verbrauch bestimmt und hierzu vom Geschädigten hauptsächlich verwendet worden sind (§ 1 I 2), keine Haftung für Entwicklungsfehler (§ 1 II Nr 5), keine Haftung für Produktbeobachtungsfehler (arg e § 3; bedenklich Celle VersR 03, 467), Haftungshöchstbetrag (§ 10), Selbstbeteiligung bei Sachschäden (§ 11), früheres Erlöschen von Ansprüchen (§ 13).