Gesetzestext
(1) Das Familiengericht soll beiderseitige Anrechte gleicher Art nicht ausgleichen, wenn die Differenz ihrer Ausgleichswerte gering ist.
(2) Einzelne Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert soll das Familiengericht nicht ausgleichen.
(3) Ein Wertunterschied nach Absatz 1 oder ein Ausgleichswert nach Absatz 2 ist gering, wenn er am Ende der Ehezeit bei einem Rentenbetrag als maßgeblicher Bezugsgröße höchstens 1 Prozent, in allen anderen Fällen als Kapitalwert höchstens 120 Prozent der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch beträgt.
A. Zweck der Vorschrift.
Rn 1
Nach der Gesetzesbegründung dient § 18 zum einen dazu, einzelne Versorgungsanrechte, deren Ausgleich ›unverhältnismäßig und aus Sicht der Parteien nicht vorteilhaft‹ ist bzw ›in der Regel nicht lohnt‹ (BTDrs 16/10144, 60), vom VA auszunehmen. Dies wurde zT dahin verstanden, dass Anrechte, die die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllen, idR vom Ausgleich auszuschließen und nur bei Vorliegen besonderer Gründe in den Ausgleich einzubeziehen seien. Dieser Sichtweise ist der BGH zu Recht nicht gefolgt. Er hat vielmehr betont, dass die Vorschrift im Spannungsfeld mit dem in § 1 I normierten Halbteilungsgrundsatz steht. Der Ausschluss eines Anrechts vom VA führt zu einer Durchbrechung des Halbteilungsgrundsatzes, die besonderer Rechtfertigung im Einzelfall bedarf (BGH FamRZ 12, 189 Rz 19 f; 16, 1658 Rz 7 ff). Der eigentliche Zweck des § 18 besteht darin, in den geregelten Fallkonstellationen einen für unverhältnismäßig gehaltenen Verwaltungsaufwand für die zuständigen Versorgungsträger zu vermeiden (BTDrs 16/10144, 60; BGH FamRZ 12, 189 Rz 19). Die Vorschrift dient also ausschließlich den Interessen der Versorgungsträger. Deren Interessen können aber – über den durch § 3 III bewirkten Entlastungseffekt hinaus – nicht in einer Vielzahl von Fällen eine nicht ganz unerhebliche Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes rechtfertigen.
B. Anwendungsbereich der Vorschrift
Rn 2
§ 18 ist, wie sich aus § 9 IV ergibt, bei jedem Wertausgleich nach der Scheidung zu prüfen und auf alle dem VA unterliegenden Anrechte anwendbar. Einen generellen Ausschluss der Anwendbarkeit auf Anrechte der GRV hat der BGH abgelehnt (FamRZ 12, 192 Rz 39). Findet der Wertausgleich nach dem Tod eines Ehegatten statt, sind geringwertige Anrechte zwar in die aufzustellende Gesamtausgleichsbilanz einzubeziehen (vgl § 31 Rn 4). Müsste zum Ausgleich jedoch gerade ein geringfügiges Anrecht herangezogen werden, kann dieses nach § 18 II vom Ausgleich ausgeschlossen werden. Ferner ist eine analoge Anwendung des § 18 gerechtfertigt, wenn sich bei der Gesamtsaldierung eine Ausgleichswertdifferenz ergibt, die unterhalb der nach III maßgeblichen Bagatellgrenze liegt (vgl § 31 Rn 6). § 18 findet auf den schuldrechtlichen VA entspr Anwendung (§§ 20 I 3, 22 S 2, 24 I 2). Da sich der Wertausgleich bei der Scheidung auf bereits ausgleichsreife Anrechte beschränkt (§§ 9 I, 19 I 1), kann jedoch bei der Scheidung nicht schon über den Ausschluss späterer (noch nicht fälliger) schuldrechtlicher Ausgleichsansprüche entschieden werden (Brandbg FamRZ 20, 328; Frankf FamRZ 22, 531, 532; aA Brandbg FamRZ 22, 1682). Die Vorschriften über die Teilhabe an der Hinterbliebenenversorgung enthalten zwar keine ausdr Bezugnahme auf § 18. Aus § 25 III 1 ergibt sich aber, dass der Anspruch gegen den Versorgungsträger nicht weiter geht als er gegen den ausgleichspflichtigen Ehegatten geltend gemacht werden könnte, wenn dieser noch leben würde. Daraus folgt, dass die Bagatellklausel auch bei Ansprüchen auf die sog verlängerte schuldrechtliche Ausgleichsrente zu beachten ist (BTDrs 16/10144, 67).
C. Anwendungsfälle.
I. Allgemeines.
Rn 3
§ 18 regelt in I und II zwei verschiedene Anwendungsfälle der Bagatellklausel. Während I in den VA fallende Anrechte beider Ehegatten erfasst, die untereinander zu verrechnen sind, werden nach II einzelne Anrechte für sich betrachtet. Die Prüfung des FamG hat sich nach der Reihenfolge der Regelungen im Gesetz zu richten, dh, es ist mit I zu beginnen (BGH FamRZ 12, 192 Rz 29; 21,1955 Rz 23). Gleichartige Anrechte, deren Ausgleichswertdifferenz nicht gering ist, sind nicht mehr nach II auf Überschreiten der Bagatellgrenze zu prüfen (BGH FamRZ 12, 192 Rz 32; 16, 1654 Rz 34).
Rn 4
Für beide Anwendungsfälle gilt die gleiche Geringfügigkeitsgrenze, die in III konkretisiert wird. Sie bezieht sich in I auf die Differenz zwischen den Ausgleichswerten der gegenüberzustellenden gleichartigen Anrechte beider Ehegatten und in II auf den Ausgleichswert jedes einzelnen in den VA fallenden Anrechts. Bei beiden Alternativen wird daher an den Ausgleichswert, dh die Hälfte des Werts des Ehezeitanteils (§ 1 II 2), angeknüpft. Unproblematisch ist dies bei Anrechten der GRV. Hier entspricht der Ausgleichswert genau der Hälfte der auf die Ehezeit entfallenden Entgeltpunkte. Anders liegt es indessen häufig bei Anrechten privater Versorgungsträger, insb von solchen der betrAV. Hier werden Ehezeitanteil und Ausgleichswert nicht selten in unterschiedlichen Bezugsgrößen angegeben. Oft ent...