Gesetzestext
(1) Befindet sich ein Anrecht in der Anwartschaftsphase und richtet sich der Wert des Anrechts nicht nach den Grundsätzen der unmittelbaren Bewertung gemäß § 39, so ist der Wert des Ehezeitanteils auf der Grundlage eines Zeit-Zeit-Verhältnisses zu berechnen (zeitratierliche Bewertung).
(2) 1Zu ermitteln ist die Zeitdauer, die bis zu der für das Anrecht maßgeblichen Altersgrenze höchstens erreicht werden kann (n). 2Zudem ist der Teil dieser Zeitdauer zu ermitteln, der mit der Ehezeit übereinstimmt (m). 3Der Wert des Ehezeitanteils ergibt sich, wenn das Verhältnis der in die Ehezeit fallenden Zeitdauer und der höchstens erreichbaren Zeitdauer (m/n) mit der zu erwartenden Versorgung (R) multipliziert wird (m/n × R).
(3) 1Bei der Ermittlung der zu erwartenden Versorgung ist von den zum Ende der Ehezeit geltenden Bemessungsgrundlagen auszugehen. 2§ 5 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(4) Die zeitratierliche Bewertung ist insbesondere bei Anrechten anzuwenden, bei denen die Höhe der Versorgung von dem Entgelt abhängt, das bei Eintritt des Versorgungsfalls gezahlt werden würde.
(5) Familienbezogene Bestandteile des Ehezeitanteils, die die Ehegatten nur auf Grund einer bestehenden Ehe oder für Kinder erhalten, dürfen nicht berücksichtigt werden.
A. Grundsätzliches.
Rn 1
Kann ein Anrecht, das sich noch in der Anwartschaftsphase befindet, nicht nach der – grds vorrangigen (vgl § 39 Rn 3) – unmittelbaren Bewertungsmethode des § 39 bewertet werden, ist der Wert des Ehezeitanteils nach der in § 40 geregelten zeitratierlichen Methode zu ermitteln. Ist eine bereits laufende Versorgung zu bewerten, findet § 41 II Anwendung.
B. Anwendungsbereich der zeitratierlichen Methode (Abs 1).
Rn 2
Die zeitratierliche Methode ist (subsidiär) anzuwenden, wenn eine Bewertung nach der unmittelbaren Methode nicht möglich oder nicht sachgerecht ist. Das ist nach der Gesetzesbegründung (BTDrs 16/10144, 79) der Fall, wenn kein direkter Zusammenhang zwischen einer Bezugsgröße aus der Ehezeit und der Höhe der Versorgung besteht, sondern das Anrecht im Laufe der Zeit gleichmäßig aufgebaut wird, ohne dass eine unmittelbare Zuordnung von Wertbestandteilen zur Ehezeit möglich ist. Diese Beschreibung ist jedoch ungenau; entscheidend ist vielmehr, dass das Anrecht während der Anwartschaftsphase nicht gleichmäßig im Wert steigt oder dass ein Grund- und/oder ein Höchstbetrag vorgesehen ist, sodass die künftige Versorgung nicht bestimmt werden kann, ohne die vor Ehebeginn zurückgelegte und die nach Ehezeitende bis zum Eintritt des (voraussichtlichen) Versorgungsfalles noch zurückzulegende Dienst- oder Beschäftigungszeit in die Betrachtung einzubeziehen. Im Allgemeinen steigt der Wert der Anwartschaft in Abhängigkeit von einem Entgeltfaktor (idR dem letzten Einkommen) und einem Zeitfaktor (der im Dienst- oder Arbeitsverhältnis zurückgelegten Zeit). Der Entgeltfaktor kann problemlos auf das Ehezeitende als den nach § 5 II 1 maßgeblichen Bemessungszeitpunkt bezogen werden. Die Bestimmung des Zeitfaktors setzt jedoch eine Prognose der weiteren Entwicklung nach Ende der Ehezeit voraus. Daraus folgt, dass die zeitratierliche Methode unsicherer und im Zweifel auch ungenauer ist als die unmittelbare Bewertung. Außerdem kann die tatsächliche spätere Entwicklung von der Prognose abweichen, wodurch häufig Abänderungsverfahren erforderlich werden.
Rn 3
Die zeitratierliche Methode ist insb bei der Beamten- und Soldatenversorgung anzuwenden, wie § 44 I ausdrücklich bestimmt. In der betrAV hat sie nur noch für endgehaltsabhängige Systeme und für Gesamtversorgungssysteme Bedeutung. Die zeitratierliche Methode kann sich ferner für die Bewertung der Anrechte von Personen mit Unternehmereigenschaft (zB bestimmende Gesellschafter-Geschäftsführer) eignen (vgl zB BGH FamRZ 07, 891 Rz 11; 19, 1993 Rz 26). Zeitratierlich sind auch die – beamtenähnlich ausgestalteten – Versorgungen von Richterinnen und Richtern sowie von Regierungsmitgliedern, parlamentarischen Staatssekretären und Bundesbeauftragten zu bewerten (vgl Kobl FamRZ 19, 959, 960). Eine berufsständische Versorgung ist zeitratierlich zu bewerten, wenn die Höhe der Versorgungsleistungen (auch) von der Dauer der Zugehörigkeit zu dem Versorgungswerk abhängt und Zurechnungszeiten berücksichtigt werden, die keinem konkreten Zeitraum zugeordnet werden können (BGH FamRZ 11, 547 Rz 19: Rechtsanwaltsversorgung Niedersachsen; BGH FamRZ 11, 1214 Rz 10: Rechtsanwaltsversorgung Rheinland-Pfalz). Kann die berufsständische Versorgung an sich unmittelbar bewertet werden und führt die pauschale Zurechnungszeit nicht zu einer Verlängerung der Gesamtzeit der Mitgliedschaft im Versorgungswerk, sondern stellt sie nur einen werterhöhenden Faktor dar, aus dem ein Zuschlag zur Versorgung berechnet wird, so ist dessen Ehezeitanteil separat nach der zeitratierlichen Methode zu ermitteln (Frankf FamRZ 20, 1552, 1554; Siede NZFam 20, 445). Bei der Abgeordnetenversorgung des Bundes ist dagegen die unmittelbare Bewertungsmethode anzuwenden (s § 39 Rn 12).
C. Zeitratierliche Bewertungsmethode (Abs 2 und 3).
Rn 4
Bei der zeitratierlichen Methode wird der Ehezeitanteil auf der Grundlage...