Rn 11
Befindet sich ein Anrecht der betrieblichen Altersversorgung oder der privaten Altersvorsorge, dessen Bezugsgröße der Kapitalwert ist, bei Ehezeitende bereits in der Leistungsphase oder beginnen die Leistungen im Zeitraum zwischen Ehezeitende und Rechtskraft der Entscheidung über den VA, führen die (nicht dem Leistungsverbot des § 29 unterliegenden) planmäßigen Rentenzahlungen an die ausgleichspflichtige Person nach dem Ehezeitende regelmäßig dazu, dass der versicherungsmathematische Barwert des Versorgungsanrechts bei Rechtskraft der Entscheidung geringer ist als zum Ehezeitende (sog. ›Wertverzehr‹). Nach der Rspr des BGH sind der Ehezeitanteil und der Ausgleichswert in diesen Fällen (unabhängig davon, ob es sich um ein kapitalgedecktes oder rückstellungsfinanziertes Anrecht handelt) auf Basis des noch vorhandenen (Rest-)Kapitalwerts zu ermitteln. Als hinausgeschobener Bewertungsstichtag kommt sowohl ein zeitnah zur Entscheidung über den VA liegender Termin als auch ein vorausschauend auf den Zeitpunkt der mutmaßlichen Rechtskraft festgelegter Tag in Betracht (BGH FamRZ 16, 775 Rz 55 f; 19, 190 Rz 11). Im Tenor der Entscheidung ist zwingend eine Bezugnahme auf den vom Gericht gewählten Bewertungsstichtag auszusprechen, weil die Verschiebung des Bewertungszeitpunkts zwangsläufig auch eine Veränderung des Wirkungszeitpunkts für die Umsetzung der Entscheidung zur Folge hat (BGH FamRZ 18, 1816 Rz 21 ff; 19, 190 Rz 13f). Zwar stellen die laufenden Veränderungen des Kapitalwerts während der Leistungsphase keine auf den Ehezeitanteil zurückwirkende tatsächliche Veränderung iSd § 5 II 2 dar. Das erworbene Anrecht, das in der Anwartschaftsphase durch den versicherungsmathematischen Barwert oder das gebildete Deckungskapital ausgedrückt war, realisiert sich vielmehr in der Leistungsphase mit den laufenden Rentenleistungen. Das Anrecht kann jedoch nicht mehr ungekürzt ausgeglichen werden, wenn der noch bestehende Kapitalwert unter den Wert des Anrechts bei Eintritt in die Leistungsphase abgesunken ist (vgl BGH FamRZ 18, 894 Rz 45; 18, 1816 Rz 20). Die Teilung auf der Grundlage eines nach Ehezeitende verringerten Kapitalwerts führt allerdings zu einer Beeinträchtigung des Halbteilungsgrundsatzes zulasten des Ausgleichsberechtigten. Der Ausgleichspflichtige kann in diesem Zeitraum weiter seine ungekürzte Versorgung beziehen. Kann der Ausgleichsberechtigte daran nicht (zB über einen Unterhaltsanspruch) partizipieren, ist deshalb eine Korrektur über § 27 geboten. Ein dem Halbteilungsgrundsatz entspr Ergebnis ist dann am besten dadurch zu erreichen, dass ein Anrecht des Ausgleichsberechtigten, das in umgekehrter Richtung auszugleichen wäre, ganz oder teilweise vom Ausgleich ausgeschlossen wird (BGH FamRZ 16, 775 Rz 56 ff; 18, 894 Rz 47). Hat der Ausgleichsberechtigte keine zur Verrechnung geeigneten Anrechte, bestand nach der bis 31.07.21 geltenden Rechtslage nur noch die Möglichkeit, dass sich die Ehegatten gemäß § 6 I 2 Nr 3 auf einen schuldrechtlichen Ausgleich einigen. Nach § 19 II Nr 5 hat der Ausgleichsberechtigte nunmehr die Möglichkeit, bezüglich eines betrieblichen oder privaten Anrechts des Ausgleichspflichtigen, dessen Kapitalwert sich infolge planmäßiger Rentenzahlungen nach Ende der Ehezeit laufend verändert, anstelle des Wertausgleichs bei der Scheidung (schuldrechtliche) Ausgleichsansprüche nach der Scheidung geltend zu machen. Die vom Ausgleichspflichtigen zu leistende schuldrechtliche Ausgleichsrente bemisst sich dann nach der von ihm tatsächlich bezogenen und durch den Leistungsbezug nicht veränderten Rente, sodass ein Interesse des Ausgleichsberechtigten bestehen kann, das Wahlrecht auszuüben. Dies wird er insbesondere in Betracht ziehen, wenn er selbst schon bei der Scheidung oder in absehbarer Zeit die Voraussetzungen der schuldrechtlichen Ausgleichsrente nach § 20 II erfüllt, wenn sich der Barwert des auszugleichenden Anrechts seit Ende der Ehezeit erheblich vermindert hat und wenn das Anrecht eine Hinterbliebenenversorgung (ohne Wiederverheiratungsklausel) einschließt, die nach einem Vorversterben des Ausgleichspflichtigen die (dauerhafte) Inanspruchnahme des Versorgungsträgers nach § 25 ermöglicht (vgl BTDrs 19/26838, 12 f; Borth FamRZ 20, 1801, 1804). In den Ausschlusstatbestand des § 25 II ist § 19 II Nr 5 nicht aufgenommen worden, sodass der Anspruch gegen den Versorgungsträger auf Teilhabe an der Hinterbliebenenversorgung – anders als im Fall einer Vereinbarung des schuldrechtlichen VA durch die Ehegatten – nicht ausgeschlossen ist.
Rn 12
Der in Form eines Barwerts ermittelte Ausgleichswert kann sich in Ausnahmefällen aber auch zwischen Ehezeitende und gerichtlicher Entscheidung infolge einer Änderung der biometrischen Rechnungsgrundlagen, des Rechnungszinses und des Rententrends erhöhen. Zur Wahrung des Halbteilungsgrundsatzes (§ 1 I) muss auch eine solche Wertsteigerung im VA berücksichtigt werden (München FamRZ 23, 265, 267; Oldbg FamRZ 23, 1701, 1703). Bei bereits laufendem Rentenbezug...