I. Allgemeines.
Rn 3
§ 18 regelt in I und II zwei verschiedene Anwendungsfälle der Bagatellklausel. Während I in den VA fallende Anrechte beider Ehegatten erfasst, die untereinander zu verrechnen sind, werden nach II einzelne Anrechte für sich betrachtet. Die Prüfung des FamG hat sich nach der Reihenfolge der Regelungen im Gesetz zu richten, dh, es ist mit I zu beginnen (BGH FamRZ 12, 192 Rz 29; 21,1955 Rz 23). Gleichartige Anrechte, deren Ausgleichswertdifferenz nicht gering ist, sind nicht mehr nach II auf Überschreiten der Bagatellgrenze zu prüfen (BGH FamRZ 12, 192 Rz 32; 16, 1654 Rz 34).
Rn 4
Für beide Anwendungsfälle gilt die gleiche Geringfügigkeitsgrenze, die in III konkretisiert wird. Sie bezieht sich in I auf die Differenz zwischen den Ausgleichswerten der gegenüberzustellenden gleichartigen Anrechte beider Ehegatten und in II auf den Ausgleichswert jedes einzelnen in den VA fallenden Anrechts. Bei beiden Alternativen wird daher an den Ausgleichswert, dh die Hälfte des Werts des Ehezeitanteils (§ 1 II 2), angeknüpft. Unproblematisch ist dies bei Anrechten der GRV. Hier entspricht der Ausgleichswert genau der Hälfte der auf die Ehezeit entfallenden Entgeltpunkte. Anders liegt es indessen häufig bei Anrechten privater Versorgungsträger, insb von solchen der betrAV. Hier werden Ehezeitanteil und Ausgleichswert nicht selten in unterschiedlichen Bezugsgrößen angegeben. Oft entspricht der Ausgleichswert auch deshalb nicht der Hälfte des Ehezeitanteils, weil der Ehezeitanteil in einen (versicherungsmathematischen) Barwert umgerechnet, dieser dann hälftig geteilt und die auf den Ausgleichsberechtigten zu übertragende Hälfte anschließend (wieder nach versicherungsmathematischen Regeln) in ein Rentenanrecht (oder eine andere Bezugsgröße) umgewandelt wird. Aufgrund der für beide Ehegatten verschiedenen versicherungsmathematischen Rechenfaktoren ergibt sich in diesen Fällen aus der hälftigen Teilung des Barwerts für den Ausgleichsberechtigten ein von der Hälfte des Ehezeitanteils abweichender Ausgleichswert (vgl § 1 Rn 13). Für die Bagatellgrenze kommt es dann auf den Ausgleichs-Kapitalwert an, der auf den Berechtigten zu übertragen ist (BGH FamRZ 12, 189 Rz 16). Bei einer privaten Rentenversicherung sind die im Zeitpunkt der Entscheidung bereits zugeteilten Schlussüberschussanteile und Anteile an den Bewertungsreserven (vgl dazu § 46 Rn 5) mit zu berücksichtigen, da diese Zinsvorteile dem Ausgleichswert zugeordnet werden (vgl BGH FamRZ 16, 775 Rz 19).
Rn 5
Bei der internen Teilung kann der Versorgungsträger die ihm durch den Ausgleich entstehenden Kosten (Teilungskosten) jew hälftig mit den Anrechten beider Ehegatten verrechnen (§ 13). Die dadurch eintretende Verminderung des Ausgleichswerts ist iRd § 18 nicht zu berücksichtigen. Bei der externen Teilung können keine Teilungskosten abgezogen werden. Hier richtet sich der an der Bagatellgrenze zu messende Wert daher strikt nach der Hälfte des Ehezeitanteils. Der Versorgungsträger darf nicht durch die Auswahl der Ausgleichsform und uU sogar die Höhe der angesetzten Teilungskosten Einfluss darauf nehmen können, ob ein Anrecht als geringwertig zu behandeln ist und damit vom Ausgleich ausgeschlossen werden kann (Hamm FamRZ 18, 1749; Kobl FamRZ 19, 962).
II. Geringe Ausgleichswertdifferenz gleichartiger Anrechte (Abs 1).
Rn 6
Gem I sollen gleichartige Anrechte beider Ehegatten nicht ausgeglichen werden, wenn die Differenz ihrer Ausgleichswerte gering ist. Hier sind daher an sich in den VA fallende Anrechte auf Seiten beider Ehegatten einander gegenüberzustellen, sofern sie von gleicher Art sind. Aufgrund des Vorrangs des I (s Rn 3) kommt der Frage, welche Anrechte als gleichartig iS dieser Vorschrift anzusehen sind, große Bedeutung zu. Die Frage kann nur dann dahinstehen, wenn sowohl die Ausgleichswerte der in Betracht kommenden Anrechte als auch die Differenz ihrer Ausgleichswerte die maßgebliche Bagatellgrenze überschreiten. Anderenfalls muss das FamG klären, ob ehezeitlich erworbene Anrechte beider Ehegatten von gleicher Art sind. Hierzu sind uU aufwändige Ermittlungen erforderlich. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers wird der Begriff ›Anrechte gleicher Art‹ in I in dem gleichen Sinne verwandt wie in § 10 II 1 (BTDrs 16/11903, 54). Beide Vorschriften verfolgen den Zweck, dass ein ›wirtschaftlich letztlich nicht erforderlicher Hin-und-Her-Ausgleich von beiderseitigen Anrechten der Ehegatten vermieden wird‹ (BGH FamRZ 12, 192 Rz 20). Dieser Zweck kann nur in Bezug auf Anrechte erreicht werden, die in den wesentlichen strukturellen Elementen des Versorgungssystems übereinstimmen. Dazu gehören zB das Leistungsspektrum, das Finanzierungsverfahren, die allg Anpassungen der Anwartschaften und laufenden Versorgungen sowie andere wertbildende Faktoren, wie etwa Insolvenzschutz (BTDrs 16/10144, 55; BGH FamRZ 12, 192 Rz 20). Da von einem Gleichlauf der Bestimmungen in § 10 II und § 18 I auszugehen ist, können jedenfalls solche Anrechte als gleichartig angesehen werden, die bei demselben Versorgungsträger bestehen und von ihm verrechnet werden können. Dies w...