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Im Anwartschaftsstadium (also vor Einsetzen der Versorgungsleistungen) sind die zum Bezug einer Versorgung erforderlichen zeitlichen Voraussetzungen im Zeitpunkt der Entscheidung häufig noch nicht erfüllt. Wenn sie aus diesem Grunde unberücksichtigt blieben, ließen sich viele Anrechte bei der Scheidung noch nicht ausgleichen. § 2 III sieht deshalb – in der Annahme, dass die Anwartschaften regelmäßig zum Vollrecht erstarken – als Grundsatz vor, dass das Fehlen zeitlicher Voraussetzungen einer Einbeziehung der Anrechte in den VA nicht entgegensteht. Nach dieser Vorschrift liegt eine Anwartschaft iSd Gesetzes auch dann vor, wenn eine für die Entstehung künftiger Versorgungsansprüche maßgebliche Wartezeit, Mindestbeschäftigungszeit, Mindestversicherungszeit oder ähnliche zeitliche Voraussetzung am Ende der Ehezeit noch nicht erfüllt ist. Zu den grds unberücksichtigt zu lassenden zeitlichen Voraussetzungen gehören zB die allgemeine Wartezeit (Mindestversicherungszeit) von fünf Jahren (60 Beitragsmonaten) in der GRV (§ 50 SGB VI), die ebenso lange Mindestdienstzeit in der Beamtenversorgung (vgl § 4 I Nr 1 BeamtVG) und sogar die Mindestdienstzeit von 10 Jahren in einem zwischenstaatlichen Versorgungssystem der EU (BGH FamRZ 96, 98, 101). Die Vorschrift ist auch anwendbar auf die Mindestdienstzeit in einem Beförderungsamt gem § 5 III BeamtVG (BGH FamRZ 82, 31). Sie kann allerdings nicht zur Beurteilung der Frage herangezogen werden, ob überhaupt eine Versorgungsanwartschaft besteht. Führt eine entstandene Beitragslücke dazu, dass die bisher erworbenen Anrechte (zunächst) wegfallen, so sind diese Anrechte nicht in den VA einzubeziehen. Daran ändert es nichts, dass sie im Fall rechtswirksamer Nachentrichtung von Beiträgen wieder aufleben können. Einer solchen erneuten Begründung der Anrechte müsste dann ggf in einem Abänderungsverfahren Rechnung getragen werden (BGH FamRZ 04, 693, 695 zur Alterssicherung der Landwirte). Auch wenn im Zeitpunkt der Entscheidung bereits feststeht, dass die Wartezeit nicht mehr erfüllt werden kann, ist das Anrecht im VA nicht zu berücksichtigen (BGH FamRZ 96, 98, 101). Das Gleiche muss für den Fall gelten, dass die Wartezeit ohne eine wesentliche Änderung der persönlichen Verhältnisse des betreffenden Ehegatten nicht mehr erfüllt werden kann. Keine Anwendung findet III auf besondere Wartezeiten in der GRV, deren Erfüllung zur Anrechnung zusätzlicher Entgeltpunkte (zB für Kinderberücksichtigungszeiten, Zeiten mit geringem Arbeitsentgelt oder Grundrentenbewertungszeiten) führt (§ 43 III). Diese Werterhöhungen sind daher im VA nur zu berücksichtigen, wenn die besondere Wartezeit bis zum Ende der Ehezeit oder – wenn die Rente nach Ehezeitende begonnen hat – bis zum Rentenbeginn tatsächlich erfüllt ist. § 2 III gilt auch nicht für solche Wartezeiten, die bei Anrechten auf betriebliche Altersversorgung iSv Unverfallbarkeitsfristen zu verstehen sind. Solange ein betriebliches Anrecht noch verfallbar ist, gilt es als nicht ausgleichsreif (§ 19 II Nr 1) und ist deshalb nicht in den Wertausgleich bei der Scheidung einzubeziehen, sondern einem späteren schuldrechtlichen VA vorzubehalten (§ 19 I, IV).