Rn 18
Hat ein Ehegatte in der Ehezeit ein ausländisches, zwischen- oder überstaatliches Anrecht erworben, das gem II Nr 4 nicht ausgleichsreif ist, findet der Wertausgleich bei der Scheidung gem III auch in Bezug auf die sonstigen – inländischen und eigentlich ausgleichsreifen – Anrechte der Ehegatten nicht statt, soweit dies für den anderen Ehegatten unbillig wäre. Das Bestehen eines ausländischen Anrechts bewirkt zwar keine generelle Ausgleichssperre in Bezug auf die ausgleichsreifen Anrechte der Ehegatten, verpflichtet das Gericht aber zu einer Billigkeitsprüfung, nach der jew im Einzelfall festzustellen ist, inwieweit die Durchführung des Wertausgleichs für den Ehegatten unbillig ist, der ausgleichsreife inländische Anrechte abgeben müsste und in Bezug auf die ausländischen Anrechte des anderen Ehegatten auf den deutlich schwächeren schuldrechtlichen VA verwiesen würde (BGH FamRZ 18, 1233 Rz 33 f; 21, 1609 Rz 34). Der Begriff der Unbilligkeit ist hier deutlich großzügiger zu handhaben als in § 27. § 19 III zielt auf einen Gleichlauf der wechselseitigen Ausgleichsformen und damit verbundenen Realisierungsrisiken ab. Es soll verhindert werden, dass ein Ehegatte die Hälfte seiner in der Ehezeit erworbenen inländischen Anrechte mit dem Wertausgleich bei der Scheidung bereits endgültig verliert, während er in Bezug auf ein vom anderen Ehegatten in der Ehezeit erworbenes ausländisches Anrecht lediglich schuldrechtliche Ausgleichsansprüche erwirbt, deren Realisierung erst nach Eintritt des Versorgungsfalles möglich und zudem nicht hinreichend gesichert ist. Bleibt ein werthaltiges ausländisches Anrecht dem schuldrechtlichen VA vorbehalten, entspricht es daher regelmäßig der Billigkeit, über die Ausgleichssperre des § 19 III im Gegenzug auch die inländischen Anrechte des anderen Ehegatten in den schuldrechtlichen VA zu verweisen, um einen Gleichlauf der wechselseitigen Ausgleichsformen und damit verbundenen Realisierungsrisiken herzustellen (BGH FamRZ 18, 1745 Rz 13; 21, 1280 Rz 36). Ein Wertausgleich der inländischen Anrechte wäre insb dann unausgewogen und damit unbillig, wenn das ausländische Anrecht einen wesentlichen Bestandteil der Versorgung eines Ehegatten darstellt (Zweibr FamRZ 21, 25, 26; Brandbg FamRZ 21, 593, 594). Dies ist zB in Fällen denkbar, in denen ein Ehegatte längere Zeit im Ausland oder in einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation (zB EU) beschäftigt war, während der andere eine Tätigkeit im Inland ausgeübt hat oder nicht erwerbstätig war (BTDrs 16/10144, 63; Frankf FamRZ 18, 1661).
Rn 19
Verfügt der Ehegatte, der ein ausländisches Anrecht von nicht nur geringem Ausgleichswert erworben hat, allerdings auch über ein ausgleichsreifes inländisches Anrecht, so kann es der Billigkeit entsprechen, dieses bereits im Wertausgleich bei der Scheidung zu teilen (BGH FamRZ 21, 1280 Rz 37). Auch wenn das ausländische Anrecht eines Ehegatten erkennbar nur einen sehr geringen Ausgleichswert hat und deshalb für die Versorgungsgemeinschaft beider Ehegatten von untergeordneter Bedeutung ist, ist es nicht unbillig, wenn es im Wertausgleich bei der Scheidung außer Betracht gelassen und später ggf isoliert schuldrechtlich ausgeglichen wird. Dies betrifft va Fälle, in denen ein Ehegatte nur vergleichsweise geringe Zeit im Ausland beschäftigt war (Celle FamRZ 10, 979, 980).
Rn 20
Ob und inwieweit die Ausgleichssperre anzuwenden ist, hat das FamG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (BGH FamRZ 18, 1745 Rz 13). Die Billigkeitsprüfung ist auch dann vorzunehmen, wenn beide Ehegatten bereits Versorgungsleistungen beziehen, ein ausländisches Anrecht aber nicht aufgeklärt werden konnte und der Ausgleichsberechtigte den Anspruch auf die schuldrechtliche Ausgleichsrente bei dem ausländischen Versorgungsträger nicht geltend gemacht hat (Stuttg FamRZ 15, 324). Die Ermessensprüfung setzt grds voraus, dass das Gericht zumindest die Größenordnung des in der Ehezeit erworbenen ausländischen Anrechts klärt, damit es dessen Bedeutung für die Versorgungssituation der Ehegatten beurteilen kann (BGH FamRZ 21, 1609 Rz 34). Sofern Auskünfte von ausländischen Versorgungsträgern, Auslandsvertretungen oder Verbindungsstellen nicht zu erlangen sind, kann das Gericht von dem versorgungsberechtigten Ehegatten Unterlagen anfordern oder ihm konkreten Vortrag zu Zeit und Umfang seiner Auslandsbeschäftigung aufgeben (BGH FamRZ 18, 1745 Rz 13). Stößt die Aufklärung des ausländischen Anrechts allerdings auf große Schwierigkeiten oder ist es zw, ob überhaupt ein Anteil eines ausländischen Anrechts auf die Ehezeit entfällt, kann das FamG auch dahinstehen lassen, ob das Anrecht einem späteren schuldrechtlichen Ausgleich unterliegt. Dem Zweck des § 224 IV FamFG genügt in diesem Fall auch ein entspr eingeschränkter Hinweis in den Entscheidungsgründen. Scheitern Feststellungen zur Höhe des ausländischen Anrechts allein an der fehlenden Mitwirkung des Ausgleichspflichtigen, kann das Gericht dies iRd Billigkeitsprüfung nach § 19 II...