1. Überblick.
Rn 33
Nach § 14 I Nr 2 Fall 2 muss jeder WEigtümer Einwirkungen auf das SonderE und das gemE dulden, die 1. den Vereinbarungen oder Beschl entsprechen oder aus denen ihm, wenn keine entspr Vereinbarungen oder Beschl bestehen, 2. über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus kein Nachteil erwächst.
2. Vereinbarungen oder Beschl.
Rn 34
Vereinbarungen oder Beschl sind solche nach §§ 10 I 2, 19 I, va zur Benutzung des SonderE und des gemE. § 14 I Nr 2 Fall 2 erinnert daran, bestimmt die Pflicht jedoch nicht: sie ist allein Folge der gewillkürten Bestimmung. § 14 I Nr 2 Fall 2 bestimmt aber, dass die Duldungspflicht nur ggü der GdW besteht. § 14 II Nr 2 ordnet an, dass die Duldungspflicht auch ggü den WEigtümern besteht.
3. Kein unvermeidbarer Nachteil.
Rn 35
Nach dem Sinn und Zweck des § 14 I Nr 2 Fall 2 darf, fehlen Vereinbarungen oder Beschl, jeder WEigtümer ggü der GdW keine Nachteile (Rn 36) verursachen. § 14 I Nr 2 Fall 2 zwingt jeden WEigtümer also dazu, vom SonderE (BGH NJW 17, 2184 [BGH 18.11.2016 - V ZR 49/16] Rz 9; dort falsch entschieden) und vom gemE einen schonenden, nicht nachteiligen Gebrauch zu machen (Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme). § 14 ist als ›Grundnorm des innergemeinschaftlichen Nachbarrechtes‹ zu verstehen (BVerfG ZMR 10, 206 Rz 17). Der Inhalt von § 14 I Nr 2 Fall 2 kann nach §§ 10 I 2, 19 I ausgestaltet werden.
4. Nachteil.
a) Überblick.
Rn 36
Nachteil ist jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung (BGH ZMR 19, 425 Rz 25; NZM 18, 794 Rz 28; LG Düsseldorf ZME 22, 911 (912)). Nur konkrete und objektive Beeinträchtigungen können das sein (BVerfG ZMR 10, 206; BGH NZM 18, 794 Rz 28; NJW 12, 72 Rz 14). Ganz geringfügige Beeinträchtigungen bleiben außer Betracht (BGH NZM 18, 794 Rz 28). Eine Verbesserung des gemE ist keine Beeinträchtigung (BGH NJW 12, 72 Rz 15). Entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsanschauung ein WEigtümer in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann (stRspr, etwa BGH NZM 18, 794 Rz 28; ZMR 17, 319 Rz 15). Eine typische Beeinträchtigung sind Gerüche oder Geräusche. Eine Beeinträchtigung kann aber auch eine gravierende Beeinträchtigung der Aussicht oder eine starke Verschattung sein (s.a. BGH ZMR 21, 826 Rz 15).
Rn 37
Unvermeidbar sind Beeinträchtigungen, die beim Zusammenleben nicht zu umgehen sind oder auf die der Störer aufgrund einer Abwägung der betroffenen Rechte einen Anspruch hat. Es besteht eine generelle Tendenz, im Zweifel und bereits bei geringen Beeinträchtigungen einen Nachteil anzunehmen (BVerfG ZMR 05, 634, 635). Zur Auslegung, was Nachteil ist, kann eine Vereinbarung herangezogen werden (BGH NZM 12, 239 Rz 8). Zur Bedeutung des Öffentlichen Rechtes s Vor §§ 1–49 Rn 34 ff, zur Bedeutung technischer Normen s Vor §§ 1–49 Rn 35, zur Bedeutung öffentlich-rechtlicher Genehmigungen s Vor §§ 1–49 Rn 36.
b) Grundrechte.
Rn 38
Bei der Prüfung, ob ein Tun oder Nichttun beeinträchtigt, sind die Grundrechte zu berücksichtigen (BVerfG NJW 10, 220 Rz 18; BGH NZM 17, 447 Rz 15; NJW 12, 3719 [BGH 28.09.2012 - V ZR 251/11] Rz 10). Bei Auslegung und Anwendung, was als zu unterlassender Nachteil zu verstehen ist, sind die widerstreitenden grundrechtlich geschützten Rechtspositionen aufgrund einer fallbezogenen Abwägung zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen (BVerfG NJW 10, 220 [BVerfG 06.10.2009 - 2 BvR 693/09] Rz 19; NZM 17, 447 [BGH 13.01.2017 - V ZR 96/16] Rz 15). Konflikte sind fallbezogen nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz zu lösen, der fordert, dass nicht eine der widerstreitenden Rechtspositionen bevorzugt und maximal behauptet wird, sondern alle einen möglichst schonenden Ausgleich erfahren (BVerfG ZMR 10, 206 Rz 24).
c) Einzelne Benutzungsrechte und -beeinträchtigungen.
aa) Überblick.
Rn 39
Ob durch einen Gebrauch ein Nachteil erwächst, ist eine Frage des Einzelfalls. Soweit hier Hinweise gegeben werden, ist zu beachten, dass sie zu überprüfen und kritisch zu hinterfragen sind. Ferner ist für die Falllösung zunächst zu fragen, ob es den Gebrauch regelnde, wirksame Vereinbarungen oder Beschl gibt:
bb) SonderE.
Rn 40
- Bodenbelag. Ein WEigtümer beeinträchtigt die anderen WEigtümer durch die Auswechslung eines in seinem Eigentum stehenden Bodenbelags nicht, wenn die im Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes (näherliegend wären die bei Umwandlung in Wohnungseigentum) geltenden Schutzwerte (BGH ZMR 20, 971 Rz 12; 19, 55 Rz 9; NJW 18, 2123 Rz 15) erhalten bleiben (BGH ZMR 19, 55 Rz 9; 18, 689 Rz 9). Etwas anderes gilt, wenn die WEigtümer Abweichendes vereinbart haben (BGH ZMR 15, 561 Rz 9). Das ›Gepräge‹ einer WE-Anlage ist unerheblich (BGH ZMR 20, 971 Rz 8; 18, 689 Rz 9; 15, 561 Rz 10). Wird durch eine Baumaßnahme im Bereich des SonderE hingegen in das gemE eingegriffen, sollen die im Zeitpunkt der Baumaßnahme geltenden Anforderungen an den Schallschutz maßgeblich sein, wenn es sich um grundlegende Um- oder Ausbauten, wie etwa einen Dachgeschossausbau, handelt (BGH ZMR 19, 55 Rz 9; 18, 689 Rz 15). Bei Maßnahmen, die nur der üblichen Instandsetzung oder (ggf zugleich) der Modernisierung des SonderE dienen, kann ein verbessertes Schallschutzniveau im Grundsatz nicht beansprucht werden. In die...