I. Grundlegende Umgestaltung der WE-Anlage.
Rn 44
Eine grundlegende Umgestaltung ist bei § 20 II 1 zumindest typischerweise nicht anzunehmen (BGH WuM 24, 171 Rz 15; NZM 24, 241 [BGH 09.02.2024 - V ZR 244/22] Rz 40). Privilegierung ist bei der Prüfung iSe Regel-Ausnahme-Verhältnisses Rechnung zu tragen (BGH WuM 24, 171 Rz 15). IÜ ist die Frage im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu entscheiden (BRDrs 168/20, 72; s.a. BGH WuM 24, 171 [BGH 09.02.2024 - V ZR 33/23] Rz 17; LG Köln ZWE 23, 176 Rz 13). Bezugspunkt ist die gesamte WE-Anlage. Nach hier vertretener Ansicht sollten für die Antwort 2 Prüfsteine maßgeblich sein. Einerseits, ob durch eine bauliche Veränderung das charakteristische Aussehen einer WE-Anlage maßgeblich umgestaltet wird (s.a. LG München I NZM 23, 164). Und andererseits, ob durch eine bauliche Veränderung die bisherige typische Nutzung der WE-Anlage aufgegeben wird, soweit sich diese feststellen lässt. Eine grundlegende Umgestaltung des Aussehens kann zB darin bestehen, dass ein Haus mit einem Flach- ein Walmdach erhalten soll, dass es aufgestockt wird, dass der parkartige Garten eines Villen-Grundstücks mit altem Baumbestand einem weitläufigen Garagenhof weichen soll (AG Hannover ZMR 22, 423), dass die Fassade völlig anders gestaltet wird, dass ein weiterer Bauteil angebaut wird oder Teile des Hauses abgerissen werden. Keine grundlegende Umgestaltung ist im Einzelfall bspw der Abriss von Schornsteinen (AG Hamburg ZWE 22, 377 Rz 21) die Errichtung eine Aufzugsturms oder einer Photovoltaikanlage (LG Köln ZWE 23, 176 Rn 13), der Anbau von Balkonen (LG Köln ZWE 23, 176 Rn 13), der Ausbau eines bisherigen Dachbereichs zur Dachterrasse (AG Saarbrücken ZWE 22, 275), die Installation eines Rauchabzugs (AG Hannover ZMR 22, 423), die Beseitigung eines Sichtschutzelements zwischen zwei Balkonabschnitten (AG Bonn ZMR 22, 580), der Bau eines Außenaufzugs an das Hinterhaus eines Jugendstilgebäudes (s.a. BGH NZM 24, 241 Rz 41; LG München I NZM 23, 164 Rn 61). Eine grundlegende Umgestaltung der Nutzung ist bspw der vollständige Wechsel von einer zu einer anderen Nutzung. Werden nur untergeordnete Teile umgenutzt, reicht das nicht.
II. Unbillige Benachteiligung.
Rn 45
Eine unbillige Benachteiligung liegt vor, wenn die beabsichtigte Maßnahme bei wertender Betrachtung und in Abwägung mit den mit der baulichen Veränderung verfolgten Vorteilen einem verständigen Wohnungseigentümer in zumutbarer Weise nicht abverlangt werden dürfte (BGH WuM 24, 171 [BGH 09.02.2024 - V ZR 33/23] Rz 21; NZM 24, 241 [BGH 09.02.2024 - V ZR 244/22] Rz 44). Der Begriff ›Benachteiligung‹ ist erheblich restriktiver auszulegen als eine bloße Beeinträchtigung iSv § 20 Abs. 3 (LG München I IMR 23, 41). Die bauliche Veränderung muss ferner zu einer treuwidrigen Ungleichbehandlung führen, indem die Nachteile einem oder mehreren WEigtümern in größerem Umfang zugemutet werden als den übrigen WEigtümern (BRDrs 168/20, 72; s.a. BGH NJW 11, 1220 [BGH 02.03.2011 - VIII ZR 164/10] Rz 13). Keine Benachteiligung liegt vor, wenn ein WEigtümer mit den Nachteilen, die er durch eine bauliche Veränderung erfährt, einverstanden ist. Der Begriff ›einverstanden‹ ist wie in § 20 III zu verstehen (Rn 39). Dient eine bauliche Veränderung § 20 II 1, bedarf es einer besonders schweren Benachteiligung (BGH NZM 24, 241 [BGH 09.02.2024 - V ZR 244/22] Rz 45).
Rn 46
Bsp: Ein WEigtümer erfährt durch eine bauliche Veränderung negative Immissionen, zB den Entzug von Licht, eine erhöhte Einsehbarkeit, bspw durch einen Personenaufzug, oder echte Immissionen, zB Gerüche, Geräusche, zB durch einen Personenaufzug. Im Einzelfall kann eine bauliche Veränderung, zB eine Lademöglichkeit oder ein Personenaufzug, einem WEigtümer den Zugang zu seinem SonderE, sei es seine Wohnung, sei es sein Stellplatz, erschweren. Ferner kann es unbillig sein, keinen Zugang zu einem Schornstein zu haben (aA AG Hamburg ZMR 22, 660); iÜ besteht ein Anspruch auf Beibehaltung des gemE. Eine unbillige Benachteiligung kann grds nicht in der bloßen Veränderung des optischen Gesamteindrucks liegen (BRDrs 168/20, 73). IdR, aber nicht stets, ist die Errichtung eine Mauer kein unbilliger Nachteil (LG München I v. 22.09.2022 – 36 S 613/22 WEG).
III. Verstöße.
Rn 47
§ 20 IV beschränkt nicht die durch § 20 I eingeräumte Beschl-Kompetenz (BRDrs 168/20, 73). Ein Beschl, der gegen § 20 IV verstößt, ist daher nicht nichtig (BRDrs 168/20, 73), kann aber für ungültig erklärt werden.