I. Unerhebliche Verpflichtungen für WEigtümer.
Rn 2
Ob eine Verpflichtung unerheblich ist, hängt von der Sichtweise eines durchschnittlichen WEigtümers in der konkreten WE-Anlage unter Berücksichtigung von §§ 16 II 1, 9a IV 1 ab (BTDrs 19/22634, 46). Maßgeblich ist, ob derjenige Teil der Verpflichtung, für den der einzelne WEigtümer nach § 9a IV 1 einstehen muss, so bedeutsam ist, dass eine vorherige Beschl-Fassung geboten ist (BTDrs 19/22634, 46; s.a. BGH ZMR 21, 830 Rz 11).
Rn 3
Wo diese Erheblichkeitsschwelle konkret liegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls und dem WEigtümer ab. Nach aA ist für die Erheblichkeit auf das Gemeinschaftsvermögen und damit auf die GdW abzustellen. Vorgeschlagen wird, an 2,5 % oder 5 % des Wirtschaftsplanvolumens anzuknüpfen. Mit der Größe der WE-Anlage wächst idR der Kreis der Maßnahmen, die der Verw eigenverantwortlich treffen kann und muss.
Rn 4
Bsp: IdR wird der Austausch defekter Leuchtelemente im Bereich des gemE oder die Erhaltung eines Fensterglases, eine Graffitientfernung (BTDrs 19/22634, 47), der Abschluss von Versorgungs- und/oder Dienstleistungsverträgen in beschränktem Umfang (BTDrs 19/22634, 47) § 27 I Nr 1 unterfallen. Gegenbeispiel: kostenträchtige Erhaltungsmaßnahmen (BTDrs 19/22634, 47).
II. Maßnahmen untergeordneter Bedeutung.
Rn 5
Eine Maßnahme ist iSd Gesetzes untergeordnet, wenn sie dem Verw überlassen werden kann und es eine Förmelei wäre, extra einen Beschl zu fassen (s.a. Rn 4). Auch insoweit (s Rn 2) ist auf die Sichtweise eines durchschnittlichen WEigtümers in der konkreten WE-Anlage abzustellen.
Rn 6
Bspw das Fällen eines Baums, die Vermietung von Flächen oder der Abschluss von Versorgungsverträgen können, müssen aber nicht untergeordnete Maßnahmen sein.
III. Wahrung einer Frist/Abwendung eines Nachteils (§ 27 I Nr 2).
1. Überblick.
Rn 7
§ 27 I Nr 2 gibt dem Verw für die GdW ein Notgeschäftsführungsrecht und eine entspr Pflicht (s.a. BGH NJW 16, 1310 [BGH 25.09.2015 - V ZR 246/14] Rz 15). Nach – unzutreffender – Ansicht kann ein Notgeschäftsführungsrecht ferner aus §§ 670, 257 BGB folgen (BGH NZM 11, 454 [BGH 18.02.2011 - V ZR 197/10] Rz 26); dieses wird jedenfalls durch § 27 I Nr 2 verdrängt.
2. Abwendung eines Nachteils.
Rn 8
Der Nachteil kann ein rechtlicher oder ein tatsächlicher sein (BRDrs 168/20, 84). Die Nachteile müssen solche sein, die 1. nicht § 27 I Nr 1 unterfallen und 2. wegen ihrer Eilbedürftigkeit es nicht erlauben, eine Versammlung einzuberufen (BRDrs 168/20, 84; s.a. Hamm ZWE 11, 415, 416; BayObLG ZMR 04, 604). Bsp für tatsächliche Nachteile: Ausfall der Heizungsanlage, Brand, Explosion, Gasleck (LG Frankfurt aM ZWE 16, 275), Rohrbruch, Sturm, Überschwemmung, ggf öffentlich-rechtliche Gefahren (s.a. § 26 Rn 58). Bsp für rechtliche Nachteile (s.a. Rn 10): Kündigungs- oder Verjährungs- (Ddorf ZMR 94, 521), Anfechtungs- und/oder vereinbarte Fristen, eine defekte Klingel- und Gegensprechanlage (AG Köningswinter ZWE 22, 374 Rz 21). Eilanträge im Zwangsvollstreckungsrecht oder nach § 80 V VwGO (OVG Lünebg BauR 86, 684).
Rn 9
Entscheidend ist, ob das gemE gefährdet wäre, wenn nicht umgehend gehandelt würde (BayObLG ZMR 97, 325). § 27 I Nr 2 deckt grds nur solche Maßnahmen, die eine Gefahrenlage für das gemE beseitigen, nicht aber solche, die der dauernden Behebung der Schadensursache dienen (BGH NZM 11, 454 [BGH 18.02.2011 - V ZR 197/10] Rz 27; LG München I ZWE 11, 42).
3. Wahrung einer Frist.
Rn 10
Der Ablauf einer Frist ist immer ein rechtlicher Nachteil, den es abzuwenden gilt. Die Frist ist nur deshalb in § 27 I Nr 2 genannt, weil es sich um den praktisch häufigsten Fall handelt, in dem ein Rechtsnachteil (Rn 8) verhindert werden soll (BRDrs 168/20, 84). Dass diese Voraussetzung etwa bei einem Grundbuchberichtigungsanspruch vorliegen könnte, ist idR nicht vorstellbar (aA zum alten Recht Karlsr Justiz 73, 307). Entspr gilt aber auch für ein Verfahren nach §§ 485 ff ZPO (aA BGH NJW 81, 282 [BGH 25.09.1980 - VII ZR 276/79] unter II. 1. a); BayObLGZ 76, 211 [213]), für das Betreiben der Zwangsverwaltung (aA Hambg OLGZ 93, 431) oder die Inanspruchnahme eines Gewährleistungsbürgen (aA Ddorf NJW-RR 1993, 470). Bsp (s.a. Rn 8): Die Frist nach § 276 I 1 ZPO und Rechtsmittelfristen (Berufung, Revision, Einspruch, Beschwerde, Widerspruch).
IV. Einschränkung/Erweiterung (§ 27 II).
Rn 11
Die WEigtümer können nach § 27 II gem § 19 I diejenigen Maßnahmen definieren, deren Erledigung sie in die Verantwortung des Verw legen wollen. Dazu können sie zB Wertgrenzen oder Maßnahmenkataloge aufstellen. Möglich ist es auch, einzelne Handlungen des Verw (zB Zahlungen ab einem bestimmten Betrag) von der Zustimmung eines WEigtümers, des Verwaltungsbeirats oder eines Dritten abhängig zu machen (BTDrs 19/22634, 47). Die WEigtümer sind als ›Minus‹ nach §§ 19 I, 27 II ferner jederzeit befugt, dem Verw für alle Maßnahmen, die er selbständig wahrnehmen darf, eine Weisung zu erteilen (s.a. BGH NJW 20, 1134 [BGH 18.10.2019 - V ZR 286/18] Rz 10; NJW-RR 20, 393 [BGH 18.10.2019 - V ZR 188/18] Rz 15). § 27 II unterfallen nicht die Inhalte der Beschl nach §§ 20 I, 21 V, 24 V, 28 I 1, II 1. Ferner nicht die Maßnahmen, die nach einer Abwägung in der Hand der WEigtümer bleiben müssen, zB Benutzungsbeschl.