I. Grundlagen.

 

Rn 20

Die nach obigen Grundsätzen vorzunehmende Abgrenzung des Werkvertrages von anderen Vertragstypen ist wegen der Besonderheiten des Werkvertragsrechts im Bereich der Mängelhaftung, der Mitwirkungspflichten, der Sicherungsrechte, der Kündigung und der Verjährung bedeutsam. Darüber hinaus kennt nur das Werkvertragsrecht die rechtsgeschäftlichen Abnahme (§ 640) mit erheblichen Auswirkungen auf die weitere Vertragsabwicklung (s § 640 Rn 6). Maßgebliches Abgrenzungskriterium ist in erster Linie die Erfolgsbezogenheit des Werkvertrages. Lässt sie sich nicht eindeutig feststellen, so muss der Vertrag nach allg Grundsätzen unter besonderer Berücksichtigung des mit der vereinbarten Leistung verfolgten Zwecks ausgelegt werden (§§ 133, 157). Dabei kommt der von den Parteien gewählten Bezeichnung allenfalls untergeordnete Bedeutung zu; entscheidend sind der Regelungsgehalt der vertraglichen Vereinbarungen und die sich aus den sonstigen feststellbaren Umständen ergebende, im Vertrag manifestierte Interessenlage (BGH NJW 02, 3323, 3324 [BGH 16.07.2002 - X ZR 27/01] mwN; 84, 2406; ausf zur Abgrenzung vom Dienstvertrag: Staud/Peters Vorb zu §§ 631 ff Rz 26 ff).

II. Einzelfälle.

1. Kaufvertrag/Werkvertrag.

 

Rn 21

Beim Kaufvertrag besteht die geschuldete Leistung in der Lieferung und Übereignung der Kaufsache und nicht in deren Herstellung (BGHZ 87, 112). Berührungspunkte zum Werkvertragsrecht bestehen zum einen dort, wo der Verkäufer die Kaufsache selber herstellt. Dann gilt: Handelt es sich um bewegliche Sachen, findet gem § 651 Kaufrecht Anwendung, und zwar mit den dort genannten Ausnahmen auch dann, wenn es sich um unvertretbare Sachen (Spezialanfertigungen) handelt (Bsp: Der Fensterhersteller soll Fenster nach vorgegebenen Sondermaßen liefern; Nürnbg BauR 07, 122 – Türen nach Aufmaß; iE zum Ganzen: Leupertz BauR 06, 1648 f). Zum anderen kommt es häufig vor, dass der (Baustoff-)Lieferant ohne Hersteller zu sein auch die Montage des zu liefernden Gegenstandes (Baustoff/Bauteil) übernimmt. Dann stellt sich die Frage, worauf der Schwerpunkt der Leistungsverpflichtung liegt. Entscheidend ist nach ständiger Rspr des BGH, ob die Verschaffung von Eigentum und Besitz an der Sache oder die übernommene Montageverpflichtung den Charakter des Vertrages prägt (BGHZ 67, 359; BGH NJW-RR 04, 850; BauR 99, 39, 40). Das wiederum hängt ab von der Art des zu liefernden Gegenstandes, dem Wertverhältnis von Lieferung und Montage sowie von den Besonderheiten des geschuldeten Endergebnisses (BGH NJW-RR 04, 850; vgl auch: BauR 16, 1478 – Photovoltaikanlage; BauR 99, 39, 40; Schlesw IBR 07, 667 – Windkraftanlage = Kaufvertrag). Für den Bereich baubezogener Zulieferungen mit Einbauverpflichtung steht mit Blick auf die vom Leistungszweck regelmäßig umfasste Funktionalität des vereinbarten Montageerfolges (s Rn 4) meist das letztgenannte Kriterium im Mittelpunkt, so dass in derartigen Fällen oft Werkvertragsrecht Anwendung finden wird (Leupertz BauR 06, 1648 f, 1649 mwN). Ist das – bei ioS untergeordneten Montageleistungen – nicht der Fall, richtet sich die Sachmängelhaftung hingegen gem § 434 II S 1 auch dann allein nach Kaufrecht, wenn die beanstandungsfreie Kaufsache lediglich fehlerhaft eingebaut wurde. (Zur Anwendbarkeit des Werkvertragsrechts beim Erwerb vom Altbauten mit Renovierungspflicht des Veräußerers: Rn 11).

2. Dienstvertrag/Werkvertrag.

 

Rn 22

Beim Dienstvertrag ist nicht der Erfolg der Dienstleistung, sondern diese selbst geschuldet. Dementspr erhält der Dienstverpflichtete die – oft turnusmäßig für festgelegte Zeiträume – vereinbarte Vergütung auch dann, wenn der vom Dienstberechtigten mit der ausbedungenen Dienstleistung erstrebte Erfolg ausbleibt. Sichtbarer Ausdruck dessen ist es, dass das Dienstvertragsrecht keine Abnahme des fertigen Arbeitsergebnisses als entscheidende Zäsur zwischen Erfüllungs- und Nacherfüllungsstadium des Vertrages kennt, sondern lediglich die Erbringung und Entgegennahme der vertraglich ausbedungenen Tätigkeiten des Dienstverpflichteten voraussetzt. Schlagen die Bemühungen des Werkunternehmers im Ergebnis fehl, so ist er gem §§ 634 Nr 1, 635 zur Nacherfüllung verpflichtet, wohingegen der Dienstverpflichtete nicht für das Ergebnis seiner vertragsgerecht ausgeführten Tätigkeit einzustehen hat (vgl NK-BGB/Lederer/Raab Vor §§ 631 ff Rz 34 ff mwN). Trotz dieser signifikanten strukturellen Unterschiede ist die Abgrenzung zwischen Werk- und Dienstvertrag in der Praxis nicht immer leicht. Maßgebend sind die vertraglichen Vereinbarungen der Parteien, deren Inhalt und Ziel unter Heranziehung sämtlicher Umstände des Einzelfalles zu ermitteln ist (BGH NJW 02, 3323, 3324 [BGH 16.07.2002 - X ZR 27/01]). So arbeitet bspw der mit der Prozessvertretung beauftragte Anwalt nach Dienstvertragsrecht, wohingegen seine Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Erstellung eines Rechtsgutachtens nach werkvertraglichen Vorschriften zu beurteilen sind (BGH NJW 67, 717). Auch für die Geschäftsfelder der Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater gilt der hierin zu Tage tretende Grundsatz, dass sich die ...

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