I. Generalklausel (§ 17 I).

1. Schwere und unzumutbare Verletzung.

a) Überblick.

 

Rn 4

WEigtümer treffen eine Reihe geschriebener und ungeschriebener Pflichten. Verletzt ein WEigtümer eine oder mehrere dieser Pflichten, muss für ein Veräußerungsverlangen untersucht werden, ob die Verletzung schwer und eine Fortsetzung der Gemeinschaft unzumutbar ist. Dies kann nicht abstrakt beantwortet werden, sondern ist idR Gegenstand einer Gesamtabwägung (LG Hambg ZMR 16, 487). Wie bei §§ 543 I 1, 569 II BGB (§ 569 BGB Rn 12) entzieht sich der Begriff einer Definition und ist stets das Ergebnis einer – sorgfältigen – wertenden Betrachtung (BGH NZM 10, 408 Rz 8; s.a. NJW 14, 2566 [BGH 04.06.2014 - VIII ZR 289/13] Rz 15).

b) Vorgehen bei Prüfung.

 

Rn 5

Herauszuarbeiten ist, was jew für die andere Seite spricht. Bei der Abwägung spielt ua eine Rolle, ob die Verletzung schuldhaft ist, ob sie sich wiederholt, aus welcher Sphäre sie stammt, wie eng die WEigtümer zusammenleben, wie lange die Pflichtverletzung zurückliegt usw. Das Verhalten des Störers darf nicht isoliert bewertet werden (BGH NZM 10, 408 Rz 8). Das vorgeworfene Verhalten darf auch nicht ›provoziert werden oder das Verlangen sich sonst als treuwidrig darstellen‹ (BGH NZM 10, 408 Rz 10; sa NJW 14, 2566 Rz 23). Da es sich um einen Eigentumseingriff handelt, sind die Begriffe eng auszulegen (BVerfG NJW 94, 241). Unzumutbarkeit ist nur dann anzunehmen, wenn weniger einschneidende Maßnahmen erfolglos geblieben sind (BGH NJW 07, 1353 Rz 12). Ein Verschulden ist nicht zwingend (BVerfG NJW 94, 24; LG Hambg ZMR 16, 487). Soweit eine Verletzung nicht schuldhaft ist, müssen aber wieder besondere Gründe für das Verlangen nach § 17 vorliegen (BVerfG NJW 94, 241 [BVerfG 14.07.1993 - 1 BvR 1523/92]).

 

Rn 6

Besteht keine Wiederholungsgefahr, kann eine Verpflichtung zur Veräußerung zulässig sein, wenn die einmalige Verletzung von einer besonderen Schwere ist (BVerfG NJW 94, 241 [BVerfG 14.07.1993 - 1 BvR 1523/92]). Die Gründe müssen aus der Sphäre des Auszuschließenden kommen, können aber auch durch Haushalts- oder Familienangehörige bzw Mieter eines WEigtümers verursacht werden; die Zurechnung folgt aus § 278 BGB. Bei Fehlverhalten Dritter kann ein eigenes Fehlverhalten des WEigtümers darin liegen, dass er gravierende Störungen zB des Hausfriedens hinnimmt und keine Schritte gegen den Dritten einleitet. Die Verletzung muss einem anderen WEigtümer, dessen Haushalts- oder Familienangehörigen bzw Mietern gelten. Die Grundsätze der Kündigung von Dauerschuldverhältnissen mit personenrechtlichem Charakter sind anwendbar (§ 314 BGB Rn 7 ff).

2. Abmahnung.

 

Rn 7

Grds erforderlich ist eine – formfreie (LG Berlin ZMR 18, 246) – Abmahnung der nach § 9b vertretenen GdW analog §§ 543 III, 314 II 1 BGB (s.a. BGH ZMR 18, 525 Rz 9; 11, 978 Rz 4). Ihr Zweck besteht darin, dem WEigtümer ein bestimmtes, als Entziehungsgrund beanstandetes Fehlverhalten vor Augen zu führen, verbunden mit der Aufforderung, das Verhalten zur Vermeidung eines Entziehungsbeschl aufzugeben oder zu ändern (BGH ZMR 19, 699 Rz 21). Sie muss vor einem Beschl nach § 17 I – vor dem sie warnt (BGH ZMR 07, 465, 468) – ausgesprochen werden und ausreichend bestimmt (BGH ZMR 19, 699 Rz 21) darüber informieren, was zu tun ist, um die Folgen des § 17 I zu vermeiden. Die Abmahnung soll dem Betroffenen eine Möglichkeit zur Verhaltensänderung geben und diese berücksichtigen. Bei mehrfachen Verstößen derselben Art bedarf es keiner mehrfachen Abmahnungen (LG Berlin ZMR 18, 246). Was der WEigtümer auf die Abmahnung zur Rechtfertigung oder Erklärung seines Verhaltens vorbringt, ist auszuwerten. Die Abmahnung ist nicht selbständig anfechtbar (BGH ZMR 07, 465, 468) und setzt keinen Beschl voraus (BGH ZMR 19, 699 Rz 6; ZMR 07, 465, 468). Es genügt, dass der Verw sie für die GdW oder ein WEigtümer sie ausspricht (BGH ZMR 19, 699 Rz 6). Gibt es einen Beschl, ist er darauf überprüfbar, ob die formalen Voraussetzungen der Beschl-Fassung eingehalten sind, ob das abgemahnte Verhalten einen Entziehungsbeschl rechtfertigen kann und ob die Abmahnung hinreichend bestimmt ist (BGH ZMR 19, 699 Rz 6 und Rz 7). Ein Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abmahnung ist unzulässig (BayObLG NZM 04, 383). Auf eine Abmahnung kann ausnw verzichtet werden, wenn diese unzumutbar ist oder offenkundig keine Aussicht auf Erfolg bietet (BGH ZMR 18, 525 Rz 9; ZMR 07, 465, 467). Eine Abmahnung ist ferner grds entbehrlich, wenn ein WEigtümer, gegen den eine Entziehungsklage rechtshängig ist (§ 19 Rn 1), das dort beanstandete Verhalten fortsetzt (BGH ZMR 18, 525 Rz 10; LG Dortmund ZMR 22, 396).

3. Einzelfälle.

 

Rn 8

Bsp für § 17 sind: fortlaufend unpünktliche Erfüllung von Hausgeld- und anderen Zahlungsansprüchen (BGH ZMR 07, 465; LG Berlin ZMR 18, 246; zweifelnd LG Frankfurt aM WuM 21, 699: jedenfalls fortlaufende, nicht nur geringfügige Rückstände), die Ver- oder Behinderung von Erhaltungsmaßnahmen (LG Hambg ZMR 16, 487), die Ver- oder Behinderung von Einbauarbeiten (LG Hambg ZMR 16, 487), die Ver- oder Behinderung des Ablesens eines Zählers (LG Hambg ZMR 16, 487), beharrliche Verweigerung der Duldung u...

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