1. Überblick und Begriff.

 

Rn 20

Die Erhaltung des gemE ist nach § 18 I eine auf der GdW ruhende Pflicht. Bestehen Anhaltspunkte für einen Schadenseintritt, muss nicht abwartet werden, bis konkrete Schäden größeren Ausmaßes tatsächlich eingetreten sind (BayObLG NJW-RR 96, 1166). Kommt die GdW ihrer Verpflichtung nach § 19 II Nr 2 nicht nach, besitzt ein dadurch einen Schaden erleidender WEigtümer einen Schadenersatzanspruch (s.a. BGH NJW 12, 2955 [BGH 13.07.2012 - V ZR 94/11] Rz 9). Auch eine modernisierende Erhaltung, also eine nicht unerhebliche Reparatur oder die Abwendung eines erheblichen anstehenden Schadens, bei der über die Reparatur eines Mangels hinaus das gemeinschaftliche Eigentum iSv § 555b Nr 1 bis Nr 5 BGB durch eine technisch bessere und wirtschaftlich sinnvollere Lösung verändert wird (LG Itzehoe ZWE 18, 178 Rz 11) und die Erhaltungs- die Modernisierungskosten überwiegen, ist eine Erhaltungsmaßnahme (sehr str). Für diese ist § 16 II 1 der gesetzliche Umlageschlüsse und ist § 15 Nr 1 anwendbar.

2. Erstmalige ordnungsmäßige Herstellung des gemE.

a) Überblick.

 

Rn 21

Maßnahmen, die zur erstmaligen ordnungsmäßigen Herstellung des gemE erforderlich sind, sind eine Erhaltungsmaßnahme (BGH NZM 18, 794 [BGH 20.07.2018 - V ZR 56/17] Rz 11; 18, 611 Rz 10). Unter den Begriff fallen:

  • Die Korrektur einer planwidrigen Errichtung (BGH NZM 18, 794 [BGH 20.07.2018 - V ZR 56/17] Rz 11/12; NJW-RR 17, 1042 [BGH 23.06.2017 - V ZR 102/16] Rz 7).
  • Jede Maßnahme, die einen anfänglichen Baumangel am gemE ausgleicht, der vom geschuldeten Bau-Soll abweicht (BGH NZM 18, 611 [BGH 04.05.2018 - V ZR 203/17] Rz 10 und Rz 18).
  • Öffentlich-rechtlich (etwa bau- oder energierechtlich) vorgeschriebene bauliche Veränderungen (BGH NZM 18, 794 [BGH 20.07.2018 - V ZR 56/17] Rz 13; 18, 611 Rz 21). Die Anforderungen können Teil eines Gesetzes sein, Gegenstand eines Verwaltungsaktes (zB zur Herstellung eines zweiten Rettungsweges), einer Allgemeinverfügung oder eines öffentlich-rechtlichen Vertrags, der nicht zu verhindern war.
  • Die Schaffung eines Zuganges zu einem öffentlichen Weg über das gemeinschaftliche Grundstück (BGH NJW 06, 3426 [BGH 07.07.2006 - V ZR 159/05] Rz 13).
  • Die Vollendung eines steckengebliebenen Baus (§ 22).
  • Die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Anforderungen in Bezug auf das gemE (BGH NZM 18, 611 Rz 21; ZMR 18, 681 Rz 25). Die Anforderungen können Teil eines Gesetzes sein, Gegenstand eines Verwaltungsaktes, einer Allgemeinverfügung oder eines öffentlich-rechtlichen Vertrags, der nicht zu verhindern war.
 

Rn 22

Jeder WEigtümer kann auf eigene Kosten eine erstmalige ordnungsmäßige Herstellung/Erstellung des gemE selbst leisten oder leisten lassen. Dieses Recht kann nicht verjähren (LG Köln ZWE 12, 58). Jeder WEigtümer kann ferner eine Mitwirkung bei der Herstellung verlangen (BGH NJW 06, 3426 [BGH 07.07.2006 - V ZR 159/05] Rz 13), sofern die WEigtümer den unvollständigen Errichtungszustand nicht nach § 20 I zum Soll-Zustand erhoben haben (LG München I v 20.10.22 – 36 S 1546/22 WEG). Gegen den Bauträger gerichtete Ansprüche entbinden die WEigtümer nicht von einer Mitwirkung daran, die erforderliche Instandsetzung selbst in Angriff zu nehmen.

b) Inhalt.

 

Rn 23

  • Eigentumsgrenzen. Für die Eigentumsgrenzen ist der erstmalig ordnungsmäßige Zustand aus der Teilungserklärung (BGH NZM 16, 523 [BGH 26.02.2016 - V ZR 250/14] Rz 12) iVm dem Aufteilungsplan zu entwickeln (BGH NZM 18, 794 [BGH 20.07.2018 - V ZR 56/17] Rz 11/12; NJW 16, 473 [BGH 20.11.2015 - V ZR 284/14] Rz 10).
  • Bau-Soll. Der bauliche Soll-Zustand ergibt sich aus den Vereinbarungen. Teilungserklärung/Teilungsvertrag und Aufteilungsplan werden idR keine textliche und/oder zeichnerische Darstellung treffen. Ist nach §§ 1 II, III, 10 I 2 ein Zweck vereinbart, muss nach hM dieser Zweck möglich sein (BGH NZM 18, 611 [BGH 04.05.2018 - V ZR 203/17] Rz 10 und Rz 16). Dem ist nicht zuzustimmen. Vereinbarungen bestimmen die (noch) zulässige Benutzung, treffen aber keine Aussage zum baulichen Zustand des gemE. Für den übrigen baulichen Soll-Zustand kommt es, gibt es solche, auf die Erwerbsverträge an (Hamm ZWE 07, 491, 492; BayObLG ZWE 00, 312; s.a. BGH NZM 18, 794 [BGH 20.07.2018 - V ZR 56/17] Rz 17) – soweit diese übereinstimmen – sowie auf Aussagen des Bauträgers in Prospekten, Exposés und Maklerunterlagen oder auf die Baugenehmigung (BGH NZM 16, 523 [BGH 26.02.2016 - V ZR 250/14] Rz 12), sofern feststellbar ist, dass die WEigtümer diesen Zustand unter sich als Soll-Zustand vereinbart haben.

c) Grenzen.

 

Rn 24

Der Anspruch kann verwirkt werden (BGH NJW 16, 473 Rz 30), aber nicht verjähren (BGH NJW-RR 12, 910 Rz 10). Ein Anspruch besteht ferner nicht, wenn der den Anspruch stellende WEigtümer auf seinen Anspruch verzichtet hat; der Verzicht seines Rechtsvorgängers ist allerdings unbeachtlich (aA BayObLG ZMR 01, 48). Der Anspruch, eine Korrektur der Bauausführung in Bezug auf die Eigentumsgrenzen zu verlangen, wird durch § 242 BGB begrenzt (BGH NZM 18, 611 Rz 18; NJW 16, 473 Rz 21). So kann es nach der Rspr etwa liegen, wenn die plangerechte Herstellung tiefgreifende Eingriffe in das Bauwerk erford...

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