Dr. Axel Deutscher, Dr. iur. Thorsten Junker
Das Wichtigste in Kürze:
1. |
Die formalen Anforderungen an die Sachrüge sind gering. Sie muss nicht im Einzelnen begründet werden. |
2. |
Das Rechtsbeschwerdegericht hat auch auf die allgemeine Sachrüge hin das Urteil in vollem Umfang auf sachlich-rechtliche Fehler zu überprüfen. |
3. |
Lücken, Widersprüche und Verstöße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze können mit der sog. Darstellungsrüge gerügt werden. |
4. |
Die Behauptung, das Urteil sei aktenwidrig, kann mit der Sachrüge nicht erhoben werden. |
5. |
Das Rechtsbeschwerdegericht prüft das Urteil auf Subsumtionsfehler. |
6. |
Fehler der Beweiswürdigung können Gegenstand der Sachrüge sein. |
7. |
Mit der Sachrüge kann eine fehlerhafte Bemessung der Rechtsfolgen gerügt werden. |
Rdn 3055
Literaturhinweise:
Burhoff, Verteidigerfehler in der Tatsachen- und Revisionsinstanz, StV 1997, 432
Gieg/Olbermann, Die anwaltliche Rechtsbeschwerde in Straßenverkehrssachen, DAR 2009, 617
Herdegen, Bemerkungen zur Beweiswürdigung, NStZ 1987, 193
Junker/Veh, Die Verteidigung im Rechtsbeschwerdeverfahren, VRR 2006, 9 ff. und 50 ff.
s. auch die Hinw. bei → Rechtsbeschwerde, Allgemeines, Rdn 2932 und → Rechtsmittel, Allgemeines, Rdn 3221.
Rdn 3056
1. Die formalen Anforderungen an die Erhebung der Sachrüge sind gering. Es genügt z.B. die Formulierung "Gerügt wird die Verletzung sachlichen Rechts." (allgemeine Sachrüge). Mehr ist nicht erforderlich. Insbesondere braucht der Betroffene die Sachrüge nicht im Einzelnen zu begründen (vgl. ergänzend BGHSt 25, 272; zur Begründung der Sachrüge (in der Revision) Burhoff StV 1997, 432, 438 und ders., HV, Rn 2496.; zusammenfassend Gieg/Olbermann DAR 2009, 617; Junker/Veh VRR 2006, 9 ff. und 50 ff.). Grds. ist es sogar ausreichend, wenn ohne ausdrückliche Erhebung der Sachrüge die Ausführungen erkennen lassen, dass der Beschwerdeführer das angefochtene Urteil wegen sachlich-rechtlicher Fehler überprüft sehen will (vgl. z.B. BGH, Beschl. v. 19.6.2019 – 5 StR 107/19; BGH NStZ-RR 2000, 294; OLG Bamberg zfs 2014, 55 = VRR 2013, 311; OLG Hamm VRS 100, 459). Unzureichend ist es aber, wenn der Beschwerdeführer das Urteil nur pauschal als "rechtsfehlerhaft" beschreibt, weil dann nicht klar ist, ob er Verfahrensfehler oder sachlich-rechtliche Fehler rügen will; eine Sachrüge liegt dann nicht vor (OLG Hamm VA 2016, 180). Es genügt auch nicht, wenn durch das Rechtsbeschwerdevorbringen das angefochtene Urteil nicht konkret als materiell fehlerhaft angegriffen wird, sondern z.B. nur allgemein die Einstellung nach § 47 Abs. 2 begehrt (KG NZV 1996, 124) oder der Wunsch geäußert wird, die Erhöhung der Geldbuße wieder rückgängig zu machen und stattdessen die ursprüngliche Geldstrafe und das verhängte Fahrverbot wiederherzustellen (OLG Bamberg, a.a.O.). In der Mitteilung des bloßen Rechtsbeschwerdeziels liegt keine zulässige Sachrüge (vgl. OLG Hamm, a.a.O.). Auch bloße Angriffe gegen die Beweiswürdigung oder die Tatsachenfeststellungen stellen für sich genommen noch keine zulässige Sachrüge dar (OLG Hamm VRS 97, 49; VRS 99, 459; Beschl. v. 8.4.2014 – 1 RVs 104/13; s.a. BGH NStZ-RR 1998, 18). Dies folgt aus dem Umstand, dass das Rechtsbeschwerdegericht grds. an die Feststellungen des Urteils gebunden ist und die Beweiswürdigung des Tatrichters nicht durch eine eigene Beweiswürdigung ersetzen darf. Eine Rechtsbeschwerde, die noch nicht einmal in ausreichender Form die allgemeine Sachrüge erhebt, wird als unzulässig verworfen (vgl. z.B. BGH NStZ 1991, 597; OLG Hamm StV 2009, 67; StRR 2014, 388; VA 2016 180; OLG Düsseldorf NStZ 1993, 99).
☆ Um einen schweren Verteidigerfehler handelt es sich, wenn der Verteidiger neben der Verfahrensrüge nicht auch zumindest (vorsorglich) die allgemeine Sachrüge erhebt ( Burhoff StV 1997, 432), selbst wenn er nur Verfahrensverstöße geltend machen will. Denn nur die Sachrüge eröffnet dem Rechtsbeschwerdegericht den umfassenden Zugang zum Urteil und damit ggf. auch den Zugang zu Urteilsstellen, die für die Verfahrensrüge bedeutsam sein können (st. Rspr., vgl. u.a. BGHSt 38, 302; 38, 372; BGH NStZ 1996, 145; StraFo 2008, 332; u.a. BGH, Beschl. v. 26.3.2008 – 2 StR 61/08; OLG Brandenburg NStZ 1997, 612; OLG Celle StRR 2012, 424 = StV 2013, 12 [Ls.]; OLG Hamm StraFo 2001, 244; StRR 2008, 308; 2008, 346; Meyer-Goßner/Schmitt , § 344 Rn 20). Durch die zusätzlich erhobene Sachrüge kann somit der Tatsachenvortrag zur Verfahrensrüge um den Tatsachenstoff des Urteils ergänzt werden und das Rechtsbeschwerdegericht hat beides im Zusammenhang zu würdigen.schweren Verteidigerfehler handelt es sich, wenn der Verteidiger neben der Verfahrensrüge nicht auch zumindest (vorsorglich) die allgemeine Sachrüge erhebt (Burhoff StV 1997, 432), selbst wenn er nur Verfahrensverstöße geltend machen will. Denn nur die Sachrüge eröffnet dem Rechtsbeschwerdegericht den umfassenden Zugang zum Urteil und damit ggf. auch den Zugang zu Urteilsstellen, die für die Verfahrensrüge bedeutsam sein können (st. Rspr., vgl. u.a. BGHSt 38, 302; 38, 372; BGH NStZ 1996, 145; StraFo 2008, 332; u.a. BGH...