Das Wichtigste in Kürze:

1. Ist die Rechtsbeschwerde nicht bereits nach dem Katalog des § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1–5 zulässig, kommt ihre Zulassung in Betracht.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, wenn die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Fortbildung des Rechts geboten ist.
3. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kann auch zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. erfolgen.
4. Wenn das amtsgerichtliche Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben ist, ist die Rechtsbeschwerde ebenfalls zuzulassen.
5. Verfahrenshindernisse sind im Zulassungsverfahren unbeachtlich, wenn sie vor Erlass des Urteils im ersten Rechtszug vorgelegen haben.
6. Bei "geringfügigen" OWi ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde eingeschränkt.
7. Das Verfahren auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist ein Vorschaltverfahren, das der Feststellung der Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde dient.
8. Das Zulassungsverfahren ist ein rein schriftliches Verfahren.
 

Rdn 3156

 

Literaturhinweise:

Baukelmann, Die Zulassung der Rechtsbeschwerde im Bußgeldverfahren, 1983

Cierniak/Niehaus, Rechtsbeschwerde und Zulassungsantrag im Ordnungswidrigkeitenverfahren, DAR 2020, 69

Demuth/Schneider, Die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 80 OWiG, NJW 1970, 1999

Gutt/Krenberger, Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde in Bußgeldsachen, DAR 2015, 685

Sandherr, Zulassung der Rechtsbeschwerde auch bei Verstoß gegen grundlegende Verfahrensrechte (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG analog, NZV 2023, 433

Weidemann, Die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 80 I OWiG bei divergierender Entscheidung, NStZ 1985, 1

s. auch die Hinw. bei → Rechtsbeschwerde, Allgemeines, Rdn 2932 und → Rechtsmittel, Allgemeines, Rdn 3221.

 

Rdn 3157

1. Ist die Rechtsbeschwerde nicht bereits nach dem Katalog des § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 1–5 zulässig (→ Rechtsbeschwerde, Zulässigkeitsvoraussetzungen, Rdn 3116), ist sie gem. § 79 Abs. 1 S. 2 dennoch in Ausnahmefällen möglich, wenn sie zugelassen wird. Die Voraussetzungen der Zulassung regelt § 80. Sinn und Zweck der Regelung ist, dass bei weniger bedeutsamen OWi eine höchstrichterliche Entscheidung nur noch ausnahmsweise herbeigeführt werden können soll und dies nach § 79 Abs. 1 S. 2 auch nur dann, wenn durch Urteil, d.h. aufgrund einer HV entschieden wurde (OLG Bamberg, Beschl. v. 9.9.2010 – 2 Ss OWi 1297/10).

 

☆ Gegen eine Beschlussentscheidung nach § 72 gibt es keine Zulassungsbeschwerde (→ Rechtsbeschwerde, Zulässigkeitsvoraussetzungen , Rdn 3116 ff.). Dies folgt aus der unmissverständlichen Formulierung des § 79 Abs. 1 S. 2, die ausdrücklich allein auf Urteile abstellt (KG, Beschl. v. 31.1.2023 – 3 Orbs 23/23 – 162 Ss 10/23, zfs 2023, 469).Beschlussentscheidung nach § 72 gibt es keine Zulassungsbeschwerde (→ Rechtsbeschwerde, Zulässigkeitsvoraussetzungen, Rdn 3116 ff.). Dies folgt aus der unmissverständlichen Formulierung des § 79 Abs. 1 S. 2, die ausdrücklich allein auf Urteile abstellt (KG, Beschl. v. 31.1.2023 – 3 Orbs 23/23 – 162 Ss 10/23, zfs 2023, 469).

 

Rdn 3158

Die Zulassung erfolgt auf Antrag durch das Beschwerdegericht (§ 80 Abs. 1). Die Zulassungsvoraussetzungen finden sich in § 80 Abs. 1 und Abs. 2. Sie sind dort abschließend geregelt (durch eine Gesetzesinitiative aus Hessen und NRW sind hier ggf. Änderungen zu erwarten, die zusätzliche Zulassungsgründe mit sich bringen würden [vgl. BR-Drucks 107/20 und 91/22]).

 

Übersicht zu den Zulassungsvoraussetzungen

§ 80 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. Zulassung zur Fortbildung des Rechts.
§ 80 Abs. 1 Nr. 1, 2. Alt. Zulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rspr.
§ 80 Abs. 1 Nr. 2 Zulassung bei Versagung des rechtlichen Gehörs.
§ 80 Abs. 2 Nr. 1

Einschränkung der Zulassung bei geringfügigen OWi

Grenze: Bußgeld bis einschließlich 100,00 EUR

Nur zur Fortbildung des materiellen Rechts; Verfahrensrüge nicht möglich; Ausnahme bei Verletzung des rechtlichen Gehörs (durch eine Gesetzesinitiative aus Hessen und NRW sind hier ggf. Änderungen zu erwarten, die eine Erhöhung der Wertgrenze und damit eine weitere Einschränkung der Rechtsbeschwerde zur Folge hätten [vgl. BR-Drucks 107/20 und 91/22]).
§ 80 Abs. 2 Nr. 2

Einschränkung der Zulassung bei Freispruch oder Einstellung,

Grenze: Im Laufe des Verfahrens muss Geldbuße von mehr als 150,00 EUR festgesetzt oder beantragt sein

Nur zur Fortbildung des materiellen Rechts; Verfahrensrüge nicht möglich; Ausnahme bei Verletzung des rechtlichen Gehörs (durch eine Gesetzesinitiative aus Hessen und NRW sind hier ggf. Änderungen zu erwarten, die eine Erhöhung der Wertgrenze und damit eine weitere Einschränkung der Rechtsbeschwerde zur Folge hätten [vgl. BR-Drucks 107/20 und 91/22]).
 

Rdn 3159

Diese Zulassungsvoraussetzungen sind auch dann im Einzelnen zu prüfen, wenn das AG rechtsfehlerhaft ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 77b das Urteil nicht mit Gründen versehen hat. Das Fehlen einer Urteilsbegründung führt nicht automatisch zur Zulassung der Rechtsbeschwerde, da die Voraussetzungen des § 80 Abs. 1 und 2 nicht nur anhand der Urteilsgründe, sondern auch aufgrund de...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge