Das Wichtigste in Kürze:

1. Die Richtlinien der Bundesländer sind innerdienstliche Erlasse oder Anweisungen für die Verkehrssicherheitsarbeit der Polizei und entfalten als solche keine unmittelbare Außenwirkung.
2. Die Richtlinien enthalten – im Wesentlichen für alle Bundesländer gleich – Vorgaben für die Geschwindigkeitsüberwachung.
3. Die Verletzung der in den Richtlinien enthaltenen Vorgaben kann sich auf die Rechtsfolge eines Verstoßes auswirken. Im Fall eines Verstoßes gegen die Richtlinien ist das Messergebnis zwar nicht unverwertbar, es ist jedoch die Einstellung des Verfahrens nach dem Opportunitätsprinzip (§ 47) oder zumindest der Wegfall des Fahrverbots zu prüfen.
4. Weitgehend alle Bundesländer haben Richtlinien für die Geschwindigkeitsüberwachung erlassen.
 

Rdn 3243

 

Literaturhinweise:

Burhoff, Blitzen in der Nähe des Ortseingangsschildes, VA 2003, 14

Huppertz, Richtlinien zur Geschwindigkeitsüberwachung, DAR 1998, 368

Krumm, Verstoß gegen die Richtlinien über Geschwindigkeitskontrollen im Bereich des Beginns einer Geschwindigkeitsbegrenzung, VRR 2006, 90

Weigel, Richtlinien und Erlasse der Bundesländer zur Einbindung privater Unternehmen im Rahmen der Geschwindigkeitsüberwachung, DAR 2017, 54

dies., Die Richtlinien der Bundesländer zur Geschwindigkeitsüberwachung, DAR 2017, 222

dies., Die Richtlinien der Bundesländer zur Geschwindigkeitsüberwachung, DAR 2020, 62

dies., Die Richtlinien der Bundesländer zur Geschwindigkeitsüberwachung, DAR 2023, 105

s. auch die Hinw. bei → Geschwindigkeitsüberschreitung, Allgemeines, Rdn 1891 und → Geschwindigkeitsüberschreitung, Messverfahren, Allgemeine, Rdn 1921.

 

Rdn 3244

1.a) Bei den Richtlinien für die Geschwindigkeitsüberwachung handelt es sich um Richtlinien und Erlasse der Bundesländer zur Verkehrs- und Geschwindigkeitsüberwachung. Die Vorschriften regeln die Durchführung der amtlichen Überwachung des Straßenverkehrs im Rahmen der den Ländern obliegenden Verkehrssicherheitsarbeit. Die Richtlinien sind interne Arbeitsanweisungen an die Verkehrsordnungs- und Polizeibehörden, die teilweise – auch auf konkrete Anforderung – nicht bekannt gegeben werden. Mangels Gesetzeskraft, ja mangels Außenwirkung, stellen diese Vorgaben kein den Tatrichter bindendes Recht dar, zumal sich ihr Geltungsbereich auch auf die Verfahren der jeweiligen Bundesländer beschränkt.

 

Rdn 3245

b) Die Richtlinien enthalten – je nach Bundesland unterschiedlich konkret und durchaus mit unterschiedlichen Konsequenzen – im Regelfall Bestimmungen hinsichtlich der folgenden Bereiche:

das für die Durchführung der amtlichen Überwachung des Straßenverkehrs zugelassene Personal,
Anforderungen an die Ausbildung und Qualifikation der Messbeamten,
Anforderungen an die Auswahl der Messorte (Unfall- oder Gefahrenschwerpunkte),
Anforderungen an die Einrichtung der Messstelle (Abstand zu Geschwindigkeitsbeschränkungen o.Ä.),
Anforderungen an die einzelnen Messverfahren,
Anforderungen an die Beweissicherung,
Anforderungen an die erforderliche Dokumentation,
Vorgabe unterschiedlicher Messtoleranzen (pauschal oder je nach Messverfahren).
 

Rdn 3246

2.a) Die folgenden Voraussetzungen entsprechen der großen Mehrzahl der Länder-Richtlinien und sind deswegen als gesichert anzusehen:

Die Geschwindigkeitsüberwachung soll vorrangig an Unfallhäufungsstellen (-strecken) und in schutzwürdigen Zonen erfolgen.
Vor der Durchführung einer Geschwindigkeitsmessung ist nicht nur die Ausschilderung zu prüfen, sondern auch, ob die geltende Geschwindigkeitsbeschränkung notwendig und angemessen ist.
Messungen sind grds. so anzulegen, dass sie vom Beginn und Ende einer Geschwindigkeitsbeschränkung eine gewisse Mindestentfernung haben. Die Entfernungen sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Die Entfernung kann bis auf 50 m unterschritten werden, wenn die Geschwindigkeit vorher stufenweise herabgesetzt wurde (sog. Geschwindigkeitstrichter) oder wenn es sich um eine Unfallhäufungsstelle handelt und aufgrund der örtlichen Verhältnisse sonst eine Messung nicht möglich wäre (vgl. OLG Stuttgart DAR 2012, 94 für die Frage, ob eine Bushaltestelle eine "gefährliche Stelle" ist; Krumm VRR 2006, 90; → Geschwindigkeitsüberschreitung, Messung in der Nähe der Geschwindigkeitsbeschränkung, Rdn 1902).
Die in den Bedienungsanleitungen der Hersteller und den Zulassungsscheinen der PTB genannten Voraussetzungen (z.B. Toleranzwerte) sind zu beachten.
Verkehrsteilnehmer sind nach festgestellten Verstößen möglichst anzuhalten und mit ihrem Fehlverhalten zu konfrontieren.
 

Rdn 3247

b)aa) Über diese Gemeinsamkeiten hinaus zeichnen sich die Richtlinien der Bundesländer allerdings nicht nur durch eine unterschiedliche Ausführlichkeit der Vorgaben aus, sondern stellen durchaus auch abweichende Anforderungen an die Durchführung der Verkehrsüberwachung, teilweise bis hin zu abweichenden Toleranzabzügen (krit. Weigel DAR 2020, 62). Aus diesem Grund ist die Analyse der am "Tatort" geltenden Richtlinie für die Überprüfung der Messung und d...

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