Rdn 2687
Literaturhinweise:
S. die Hinw. bei → Berufung, Allgemeines, Teil B Rdn 657, bei → Rechtsmittel, Allgemeines, Teil R Rdn 2661, und bei → Revision, Allgemeines, Teil R Rdn 2742.
Rdn 2688
1.a) Nach § 335 Abs. 1 kann ein Urteil, gegen das die Berufung zulässig ist, auch mit der Revision angefochten werden. Da die Entscheidung über das "richtige" Rechtsmittel i.d.R. erst nach Kenntnis von den Urteilsgründen getroffen werden kann, wird nach allgemeiner Meinung in Rspr. und Lit. in Erweiterung des § 335 auch die unbestimmte Anfechtung des Urteils als zulässig angesehen (u.a. BGHSt 6, 206; Meyer-Goßner/Schmitt, § 335 Rn 2 m.w.N.; zu unterschiedlichen Rechtsmitteln verschiedener Angeklagter gegen dasselbe Urteil BGH, Beschl. v. 12.10.2022 – 2 StR 201/21, NStZ 2023, 176).
Rdn 2689
b) In welcher Form die unbestimmte Anfechtung erfolgt, kann der Verteidiger frei entscheiden: Er kann innerhalb der Berufungsfrist Rechtsmittel einlegen, ohne dieses (zunächst) näher zu bezeichnen, er kann sich aber auch die spätere Benennung des Rechtsmittels ausdrücklich vorbehalten (BGHSt 13, 388, 393; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.; a. das Muster Teil R Rdn 2693). Bestehen Zweifel, ist anzunehmen, dass das Rechtsmittel nicht endgültig gewählt ist (u.a. BGHSt 25, 321, 324).
☆ Bei der Einlegung des Rechtsmittels und in begleitenden Schriftsätzen sollte der Verteidiger besonders sorgfältig auf seine Ausführungen achten , um nicht ggf. konkludent eine Rechtsmittelwahl zu treffen. Das hat das OLG Stuttgart (Beschl. v. 25.1.2012 – 6 Ss 741/11) zwar z.B. für Einlegung eines Rechtsmittels und begleitender Ausführung: Die Begründung der Revision erfolgt ggf. in einem weiteren Schriftsatz verneint, Vorsicht ist aber dennoch geboten. Es ist auch zu berücksichtigen, dass das unbestimmte Rechtsmittel gegen das amtsgerichtliche Urteil nicht auch die Kostenbeschwerde nach § 464 Abs. 3 enthält bzw. dahin ausgelegt werden kann (OLG Stuttgart Justiz 2003, 451; LG Freiburg RVGreport 2016, 319). Ggf. muss deren Anfechtung also ausdrücklich erklärt werden.achten, um nicht ggf. konkludent eine Rechtsmittelwahl zu treffen. Das hat das OLG Stuttgart (Beschl. v. 25.1.2012 – 6 Ss 741/11) zwar z.B. für Einlegung eines "Rechtsmittels" und begleitender Ausführung: "Die Begründung der Revision erfolgt ggf. in einem weiteren Schriftsatz" verneint, Vorsicht ist aber dennoch geboten. Es ist auch zu berücksichtigen, dass das unbestimmte Rechtsmittel gegen das amtsgerichtliche Urteil nicht auch die Kostenbeschwerde nach § 464 Abs. 3 enthält bzw. dahin ausgelegt werden kann (OLG Stuttgart Justiz 2003, 451; LG Freiburg RVGreport 2016, 319). Ggf. muss deren Anfechtung also ausdrücklich erklärt werden.
Rdn 2690
2.a) Hat der Verteidiger ein unbestimmtes Rechtsmittel eingelegt, wodurch die Rechtskraft des angefochtenen Urteils gem. §§ 316 Abs. 1, 343 Abs. 1 gehemmt wird, muss er nach Zustellung des angefochtenen Urteils entscheiden, welches Rechtsmittel nun endgültig durchgeführt werden soll. Die endgültige Wahl kann/muss bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist getroffen werden (st.Rspr.; BGHSt 25, 321, 324; 40, 395 [Übergang Berufung/Revision]; BayObLG, Beschl. v. 5.12.2022 – 207 StRR 335/22; OLG Düsseldorf NStZ 1983, 471; OLG Köln, Beschl. v. 29.9.2017 – 1 RVs 179717, StV 2019, 842 [Ls.]; OLG München StRR 2009, 202 [Ls.]; a. noch OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 18.10.2023 – 7 ORs 37/23 bei unwirksamer Zustellung). Werden innerhalb der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 die Revisionsanträge oder deren Begründung überhaupt nicht oder nicht in der der nach § 345 Abs. 2 genügenden Form gestellt, wird das Rechtsmittel auch dann als Berufung behandelt, wenn es ausdrücklich als Revision bezeichnet worden ist (u.a. BGHSt 2, 63, 70; OLG Bamberg NStZ-RR 2018, 56; OLG Hamm StraFo 1999, 382). Bezeichnet der Angeklagte sein Rechtsmittel nicht, wird eine ggf. vom Nebenkläger eingelegte Revision ebenfalls als Berufung behandelt (KG, Beschl. v. 6.3.2019 – 121 Ss 22/19). Das gilt auch, wenn der Angeklagte der irrigen Auffassung ist, gegen ein durch das Rechtsmittel der Berufung oder der Sprungrevision überprüfbares Urteil sei die Rechtsbeschwerde gegeben. Dann wird, da sich der Rechtsmittelführer der Wahlmöglichkeit zwischen Berufung und Sprungrevision dann i.d.R. gerade nicht bewusst gewesen sein wird, das Rechtsmittel regelmäßig als Berufung behandelt (KG, Beschl. v. 23.3.2022 – (3) 162 Ss 31/22 [9/22]), es sei denn, aus der "Rechtsbeschwerdebegründung" oder aus sonstigen Umständen ergibt sich zweifelsfrei, dass auf eine Nachprüfung des Urteils in tatsächlicher Hinsicht verzichten werden sollte (KG, a.a.O.).
Rdn 2691
Der Verteidiger kann die Frist vollständig ausschöpfen (OLG Frankfurt am Main NStZ 1991, 506 f.). Während des Laufes der Frist darf das Berufungsverfahren nicht durchgeführt werden. Geschieht das dennoch, geht das Wahlrecht zwar verloren, dieser Verlust kann aber mit der Revision gerügt werden (OLG Frankfurt am Main, a.a.O.). Hat die Revision Erfolg, wird die W...