Das Wichtigste in Kürze:

1. Ein sog. qualifizierter Rotlichtverstoß liegt vor, wenn die LZA bereits länger als 1 sec. Rotlicht zeigt oder der Rotlichtverstoß unter Gefährdung anderer begangen wird.
2. Für einen qualifizierten Rotlichtverstoß gelten die für einen einfachen Rotlichtverstoß geltenden Einschränkungen hinsichtlich des Umfangs der tatsächlichen Feststellungen nicht.
3. Die besondere Problematik des qualifizierten Rotlichtverstoßes liegt in der Feststellung und Darstellung der Rotlichtzeit von mehr als 1 sec. Entscheidend ist in dem Zusammenhang der korrekte Bezugspunkt für die Messung der Rotlichtzeit und deren zutreffende Ermittlung/Berechnung.
 

Rdn 3399

 

Literaturhinweise:

Buck/Pütz/Müller, Das messtechnische Gutachten zur Ermittlung der tatsächlich nachweisbaren Rotlichtzeit beim Rotlichtverstoß, DAR 2011, 748

Löhle, Genauigkeit polizeilicher Verkehrsüberwachungsmethoden, DAR 1984, 394

Löhle/Berr, Rotlichtüberwachungsanlagen, DAR 1995, 309

Sandherr, Ist die "abstrakte Gefährlichkeit" ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des qualifizierten Rotlichtverstoßes (Nr. 132.3 BKat)?, NZV 2023, 241

Schmedding, Die "Rotlichtsünde", VRR 2005, 58

s. auch die Hinw. bei → Rotlichtverstoß, Messverfahren, Allgemeines, Rdn 3344 und → Rotlichtverstoß, Allgemeines, Rdn 3322.

 

Rdn 3400

1. Ein sog. qualifizierter Rotlichtverstoß liegt vor, wenn die LZA bereits länger als 1 sec. Rotlicht zeigt (Nr. 132.3 BKat) oder der Rotlichtverstoß unter Gefährdung anderer (Nr. 132.1 BKat) oder mit Sachbeschädigung (Nr. 132.2 BKat) begangen wird. In diesen Fällen ist neben der Regelgeldbuße von 200,00 EUR bzw. 240,00 EUR i.d.R. dann auch ein Fahrverbot zu verhängen. In der Praxis am häufigsten ist der Verstoß mit einer Rotlichtzeit von mehr als 1 sec. (Nr. 132.3 BKat), auf den sich die Darstellung hier deshalb beschränkt. Die besondere Problematik dieses Rotlichtverstoßes ist die Feststellung der Rotlichtzeit (dazu Rdn 3403).

 

☆ Im Rahmen eines Rotlichtverstoßes nach Nr. 132.3 BKat ist bei der Bemessung der Regelbuße die durch die lange Dauer der Rotlichtphase erhöhte sog. abstrakte Gefahr bereits berücksichtigt. Deshalb kommt eine zusätzliche Erhöhung wegen besonders langer Rotlichtdauer nicht in Betracht (KG NZV 2010, 584 = VRS 118, 187 = NStZ-RR 2010, 320 für 7 Sekunden Rotlichtzeit; zur abstrakten Gefährlichkeit bei der Verhängung eines Fahrverbotes KG, Beschl. v. 14.4.2020 – 3 Ws (B) 46/20 – 122 Ss 18/20, zfs 2020, 347 = DAR 2020, 394 = NZV 2020, 536 = VRR 11/2020, 19 f.). Sandherr (NZV 2023, 241 ff.) hat sich eingehend mit der Frage auseinandergesetzt, ob die abstrakte Gefährlichkeit ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des qualifizierten Rotlichtverstoßes ist. Er verneint diese Frage und meint, dass die abstrakte Gefährlichkeit eine Bewertung und Zuordnung des Gesetzgebers ist, die von der Rechtsprechung hinzunehmen sei."abstrakte Gefahr" bereits berücksichtigt. Deshalb kommt eine zusätzliche Erhöhung wegen besonders langer Rotlichtdauer nicht in Betracht (KG NZV 2010, 584 = VRS 118, 187 = NStZ-RR 2010, 320 für 7 Sekunden Rotlichtzeit; zur "abstrakten Gefährlichkeit" bei der Verhängung eines Fahrverbotes KG, Beschl. v. 14.4.2020 – 3 Ws (B) 46/20 – 122 Ss 18/20, zfs 2020, 347 = DAR 2020, 394 = NZV 2020, 536 = VRR 11/2020, 19 f.). Sandherr (NZV 2023, 241 ff.) hat sich eingehend mit der Frage auseinandergesetzt, ob die "abstrakte Gefährlichkeit" ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des qualifizierten Rotlichtverstoßes ist. Er verneint diese Frage und meint, dass die "abstrakte Gefährlichkeit" eine "Bewertung und Zuordnung des Gesetzgebers" ist, die von der Rechtsprechung hinzunehmen sei.

 

Rdn 3401

2. Für einen qualifizierten Rotlichtverstoß gelten die für einen einfachen Rotlichtverstoß geltenden Erleichterungen hinsichtlich des Umfangs der tatsächlichen Feststellungen nicht (vgl. → Rotlichtverstoß, Urteil, allgemeiner Rotlichtverstoß, Rdn 3370). Dem Rechtsbeschwerdegericht/OLG ist nämlich bei ggf. so geringen Feststellungen nicht die Möglichkeit eröffnet, zu prüfen, ob wegen der besonderen Verkehrssituation nicht lediglich ein "einfacher" Rotlichtverstoß, bei dem ein Fahrverbot nicht verhängt werden kann, vorliegt (KG DAR 2005, 634; 111, 218; OLG Düsseldorf DAR 2003, 85; Beschl. v. 13.7.2020 – IV-4 RBs 46/20; OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 25.2.2020 – 1 Ss-OWi 1508/19, zfs 2020, 410; OLG Hamm VRS 85, 464; NJW 2004, 172 = DAR 2004, 102; NZV 2008, 309 = zfs 2008, 410; OLG Saarbrücken zfs 2016, 352; zum Rotlichtverstoß an einer Baustellenampel OLG Zweibrücken, Beschl. v. 8.3.2018 – 1 OWi 2 Ss Bs 107/18, zfs 2018, 290 = VRR 11/2018, 21).

 

☆ Werden im tatrichterlichen Urteil in der Akte vorhandene Lichtbilder , z.B. einer Ampelkreuzung, verwertet , kann auf diese nur dann zurückgegriffen werden, wenn diese durch eine ausdrückliche und den Anforderungen des § 267 Abs. 1 S. 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG entsprechende Verweisung/Bezugnahme zum Bestandteil des angefochtenen Bußgeldurteils gemacht worden sind (KG VRS 113, 300; NStZ-RR...

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