Leitsatz
Der Witwe eines Flugzeugmechanikermeisters bei der Bundeswehr wurde eine Rente nach dem Soldatenversorgungsgesetz zuerkannt. Ihr verstorbener Mann war bei Starts und Landungen der von ihm gewarteten Starfighter F 84 und F 104 jahrelang der Strahlung der dort eingebauten Radargeräte ohne Strahlenschutz ausgesetzt gewesen. Erst im Laufe des Antragsverfahrens änderte sich durch den veränderten Forschungsstand die Aussicht des Antrags.
Sachverhalt
Die Klägerin hatte am 8.5.2001 Witwenrente nach § 38 des Bundesversorgungsgesetzes i.V.mit § 80 des Soldatenversorgungsgesetzes beantragt. Zugrunde lag folgender Sachverhalt: Der Ehemann der Klägerin war als Flugzeugmechanikermeister bei der Bundeswehr mit der Wartung der Starfighter F 84 und F 104 betraut. Als 1. Wart- und später auch als Flight-Chief befand er sich über einen Zeitraum von ca. 8 bis 9 Jahren in unmittelbarer Nähe der zum Start bereitstehenden und vom Flug zurückkehrenden Starfighter. Hierbei war er der Strahlung der dort eingebauten Radargeräte ohne Strahlenschutz ausgesetzt. Im Jahr 1981 wurde bei ihm eine Krebserkrankung diagnostiziert. Nach einer langen Leidensgeschichte verstarb er im Jahr 1993 an einem Plattenepithelkarzinom am Unterkiefer.
Den Antrag der Klägerin auf Witwenrente wurde mit Bescheid v. 29.9.2005 abgelehnt: Der Verstorbene sei trotz seiner langjährigen Tätigkeit in unmittelbarer Nähe zu den Starfightern nur Strahlenbelastungen ausgesetzt gewesen, die die zulässigen Grenzwerte nicht überschritten hätten. Dies sah das SG anders. Laut § 81 des Soldatenversorgungsgesetzes reicht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen der eingetretenen Gesundheitsstörung und dem schädigenden Geschehensablauf die Wahrscheinlichkeit einer Kausalität aus.
Der Geschädigte war in Oberkörper- bzw. Kopfhöhe einer erheblichen Strahlenbelastung durch das Radargerät Typ NASARR ausgesetzt. Störstrahler sind hier die Substanzen Magnetron sowie Thyratron. Hinzu kommt eine Strahlenbelastung durch das Gerät NOQUIS. Auch diese Anlage verfügt über ein radioaktives Medium mit einer nicht geringen Strahlenintensität. Eine weitere Belastung ergab sich aus der an den Geräten angebrachten Leuchtfarbe, die ebenfalls in nicht unerheblichem Umfang radioaktive Strahlen enthielt.
Das Gericht stellte fest, dass bei der Berechnung der Strahlenbelastung über die langjährige Arbeit auch die zusätzlichen Belastungen durch Störfälle hinzuzurechnen seien und kam zu dem Ergebnis, dass der Schwellenwert der Radarkommission für solide maligne Tumore höchstwahrscheinlich überschritten wurde. Eine solch hohe Wahrscheinlichkeit der Strahlenbelastung rechtfertigt unmittelbar den gestellten Anspruch auf Witwenrente.
Allerdings gewährte das Gericht die Hinterbliebenenrente nicht rückwirkend, sondern erst ab Antragstellung. Nach § 60 Abs. 1 Satz 3 BVG ist in den Fällen, in denen der Geschädigte ohne sein Verschulden an einer Antragstellung gehindert ist, eine Versorgung bereits für den Zeitraum der Verhinderung zu leisten. Vorliegend stellte das Gericht fest, dass in dem Zeitraum vor Mai 2001 die Antragstellung möglicherweise nicht besonders aussichtsreich gewesen wäre, da in diesem Zeitraum noch eine erhebliche Ungewissheit über die Bewertung dieser "Radarfälle" bestanden hat. Erst kurz vor Einreichung des Rentenantrags sei die Beweislage durch die Arbeit einer damit befassten Arbeitsgruppe so gewesen, dass über die Schädlichkeit der Strahlenbelastung gesicherte Erkenntnisse vorgelegen hätten, die eine Antragstellung rechtfertigten.
Dennoch kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass eine rückwirkende Gewährung der Rente nicht zu erfolgen hatte. Trotz der nur geringen Erfolgsaussicht eines vorher gestellten Antrags sei die Klägerin an der Stellung eines solchen Antrags nicht wirklich gehindert gewesen.
Das Gericht erkennt lediglich objektive Verhinderungsgründe, wie Naturkatastrophen und Streik als ausreichende Verhinderungsgründe i.S.des § 60 Abs. 1 Satz 3 an.
Hinweis
Ein Antrag auf Witwenrente ist auch dann zu stellen, wenn er zum Zeitpunkt der Antragsstellung wenig aussichtsreich erscheint. Nur so kann vermieden werden, dass Ansprüche für die Vergangenheit verloren gehen.
Link zur Entscheidung
SG Aachen, Urteil v. 29.9.2008, S 25 (18) VS 192/07.