9.2.1 Grundsätze

Nach der Bestimmung des § 721 Abs. 1 ZPO kann das Gericht dem Mieter auf seinen Antrag eine Räumungsfrist gewähren. Auch ohne entsprechenden Antrag kann das Gericht dem Mieter von Amts wegen eine Räumungsfrist gewähren. Entsprechend der "Ziehfrist" nach der außerordentlichen fristlosen Kündigung muss dem Mieter auch nach verlorenem Räumungsrechtsstreit die Möglichkeit eingeräumt sein, eine Ersatzwohnung zu finden.

Die Bestimmung des § 721 ZPO ist ausschließlich auf Wohnraummietverhältnisse anwendbar. Für Geschäftsraummietverhältnisse gilt sie nicht. Auch eine analoge Anwendung dieser Bestimmung kommt nicht in Betracht. Ggf. kann dem Mieter von Geschäftsraum allerdings Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO gewährt werden.

Mischmietverhältnis

Überwiegt bei einem Mischmietverhältnis die gewerbliche Nutzung, kann eine Räumungsfrist nach § 721 ZPO nicht gewährt werden.[1] Hieraus folgt spiegelbildlich, dass Räumungsschutz nach § 721 ZPO dann in Frage kommt, wenn die Wohnnutzung beim Mischmietverhältnis überwiegt.

9.2.2 Dauer

Auf die Dauer der Räumungsfrist hat der Mieter keinen Einfluss. Sie wird vom Gericht nach freiem Ermessen festgelegt. Dabei hat es die Interessen von Mieter und Vermieter gegeneinander abzuwägen.[1] Gerade im Hinblick auf ein durch Kündigung beendetes Mietverhältnis, dem grobe Pflichtverletzungen des Mieters zugrunde liegen, werden die Vermieterinteressen etwa bei Zahlungsverzug oder grober und nachhaltiger Pflichtverletzung überwiegen und eine kurze Räumungsfrist gebieten.

Allerdings ist die Rechtsprechung insoweit kaum kalkulierbar:

  • Einerseits soll die Gewährung einer Räumungsfrist nicht in Betracht kommen, wenn erhebliche Zahlungsrückstände (über 80.000 EUR) aufgelaufen sind, die durch Zahlungen des Sozialhilfeträgers nicht bzw. nicht in voller Höhe ausgeglichen werden und die sich während einer etwaigen Räumungsfrist weiter erhöhen würden.[2]
  • Andererseits wurde einem Mieter eine Räumungsfrist von einem halben Jahr gewährt, der damit gedroht hatte, das Haus in Brand zu setzen sowie auf Menschen und auf das Fahrzeug des Leiters eines Kundenzentrums zu schießen.[3] Zwar hatte das Gericht in diesem Fall einen wichtigen Grund zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses ohne vorherige Abmahnung damit begründet, dass die Androhung derart massiver Gewalt ein rasches Handeln zum Schutz anderer Mieter gebiete und eine etwaige psychische Erkrankung des Mieters die Gefahr nicht zu entkräften vermöge. "Im Vertrauen auf das ehrliche Bedauern des Beklagten" wurde diesem dann dennoch die 6-monatige Räumungsfrist gewährt.

Vorerwähnte Entscheidung ist freilich nicht zu verallgemeinern. Gerade bei der Beendigung von Mietverhältnissen mit gewaltbereiten Mietern gewähren die Gerichte – wenn überhaupt – Räumungsfristen von 1 bis 2 Monaten.

 

Höchstgrenze: 1 Jahr

Gemäß § 721 Abs. 5 ZPO darf die Räumungsfrist jedenfalls insgesamt nicht mehr als 1 Jahr betragen. Nach Ablauf dieses Zeitraums kann der Mieter jedoch noch Vollstreckungsschutz gemäß § 765a ZPO beantragen.

Eine ursprünglich unter der Höchstgrenze von einem Jahr festgesetzte Räumungsfrist kann einerseits verlängert, andererseits auch verkürzt werden:

  • Eine Verlängerung der Räumungsfrist zugunsten des Mieters wird dann in Betracht kommen, wenn er bereits eine andere Wohnung gefunden hat, diese aber bis zum Fristablauf noch nicht beziehen kann.
  • Eine Verkürzung zulasten des Mieters kommt insbesondere dann in Betracht, wenn ihm während der Räumungsfrist (weitere) Verfehlungen zum Vorwurf gemacht werden können.
[2] LG Kleve, Urteil v. 26.5.2012, 3 O 15/12, Sozialrecht aktuell 2012 S. 259.
[3] AG Lichtenberg, Urteil v. 4.8.2011, 4 C 93/11, GE 2011 S. 1239.

9.2.3 Nichtberücksichtigung im Urteil

Ist im Urteil nichts zur Gewährung einer Räumungsfrist geregelt, kann der Vermieter noch nicht darauf vertrauen, eine solche werde dem Mieter nicht gewährt. Hatte dieser einen entsprechenden Antrag im Verfahren gestellt, kommt grundsätzlich eine Ergänzung des Urteils nach der Bestimmung des § 321 ZPO in Betracht.

Wurde andererseits kein Antrag auf Gewährung einer angemessenen Räumungsfrist gestellt, ist davon auszugehen, dass das Gericht die Möglichkeit einer Räumungsfrist von Amts wegen geprüft und konkludent abgelehnt hat. Eine spätere Urteilsergänzung kommt in diesen Fällen daher nicht in Betracht.[1]

[1] LG Hamburg, Beschluss v. 6.5.2010, 307 T 35/10, juris.

9.2.4 Rechtsmittel

Die richterliche Entscheidung auf Bewilligung oder Verlängerung einer Räumungsfrist kann der Vermieter gemäß § 721 Abs. 6 ZPO mit der sofortigen Beschwerde nach § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO anfechten. Dem Mieter steht dieses Rechtsmittel zu, soweit das Gericht die beantragte Räumungsfrist zeitlich verkürzt oder aber ganz versagt. Die sofortige Beschwerde muss binnen 2 Wochen nach Zustellung der Entscheidung beim Ausgangsgericht oder dem Beschwerdegericht eingelegt werden. Stets sollte die Beschwerde beim Ausgangsgericht eingeleg...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge