Zusammenfassung
Bei Wohnräumen ist es möglich, durch Urteil oder Vergleich eine Räumungsfrist zu erhalten. Bei Geschäftsräumen dagegen kann eine Räumungsfrist in einem Urteil grundsätzlich nicht bewilligt werden. Was hier noch bleibt, ist die Einigung der Parteien auf eine Räumungsfrist in einem Vergleich.
1 Räumungsfrist durch Urteil
1.1 Anwendungsbereich
1.1.1 Wohnraum
Wohnraum ist weit zu fassen: Es ist jeder Raum betroffen, der nicht zu beruflichen, sondern zum dauernden Aufenthalt, insbesondere zum Schlafen genutzt wird.
Wird der Wohnungsnutzer zur Räumung verurteilt, so kann das Gericht im Urteil auf Antrag oder von Amts wegen eine angemessene Räumungsfrist bewilligen (§ 721 Abs. 1 ZPO). Es ist nicht erforderlich, dass zwischen den Parteien des Rechtsstreits ein Mietverhältnis bestanden hat. Die Vorschrift des § 721 ZPO ist vielmehr auch dann anwendbar, wenn der Wohnungsnutzer die Wohnung aufgrund einer Leihe oder eines dinglichen Wohnrechts in Besitz gehabt hat.
Es ist nicht erforderlich, dass dem Erlass des Räumungstitels ein gerichtliches Verfahren vorausging, sodass die Vorschrift des § 721 ZPO auch dann eingreift, wenn die Räumung vom Insolvenzverwalter gemäß § 109 InsO oder vom Ersteher in einem Zwangsversteigerungsverfahren gemäß § 93 ZVG betrieben wird.
1.1.2 Geschäftsraum
Für Geschäftsraummietverhältnisse gilt § 721 ZPO nicht. Eine analoge Anwendung der Vorschrift ist ausgeschlossen. Im Einzelfall kann Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO gewährt werden.
§ 765a ZPO: Absolute Ausnahme
Dann muss die Vollstreckungsmaßnahme nach Güterabwägung der Interessen für den Mieter eine besondere Härte bedeuten, die mit den guten Sitten nicht vereinbar ist.
Anders ist es, wenn Geschäftsraum vertragswidrig als Wohnraum genutzt wird. Hier ist die Gewährung einer Räumungsfrist möglich.
1.1.3 Mischraum
Mischmietverhältnisse gelten als Wohnraummietverhältnisse, wenn das Schwergewicht des Vertrags im Bereich der Wohnungsmiete liegt. In diesem Fall kann für das gesamte Mietverhältnis eine Räumungsfrist gewährt werden.
Liegt das Schwergewicht im Bereich der Geschäftsraummiete, gilt Geschäftsraummietrecht; eine Räumungsfrist kommt dann grundsätzlich nicht in Betracht.
Dies ist umstritten: Es wird auch vertreten, dass eine Räumungsfrist gewährt werden kann, aber nur für die zum Wohnen genutzten Teile.
Ausnahme bei getrennter Rückgabe
Ausnahmsweise kann auch in diesen Fällen eine auf die Wohnung beschränkte Räumungsfrist gewährt werden, wenn eine getrennte Rückgabe der Wohnräume möglich, wirtschaftlich sinnvoll und dem Vermieter zumutbar ist.
1.1.4 Gewerbliche Zwischenvermietung
Bei der gewerblichen Zwischenvermietung wirkt ein gegen den Hauptmieter bestehender Titel nicht gegen die einzelnen Bewohner. Vielmehr muss der Vermieter hier die einzelnen Bewohner (Untermieter) auf Räumung in Anspruch nehmen; in diesem Verfahren kann den Bewohnern eine Räumungsfrist bewilligt werden.
Der Hauptmieter (Zwischenvermieter) hat dagegen keinen Anspruch auf Gewährung einer Räumungsfrist, weil das zwischen ihm und dem Eigentümer bestehende Mietverhältnis als Geschäftsraummietverhältnis zu bewerten ist.
1.2 Antrag
Ein Antrag auf Gewährung einer Räumungsfrist ist vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung zu stellen, auf die das Urteil ergeht (§ 721 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Es handelt sich um einen Sachantrag. Beim Landgericht besteht Anwaltszwang.
Antragsberechtigt ist nur der Mieter, nicht der Vermieter. Der Räumungspflichtige kann eine bestimmte Frist oder eine Mindestfrist beantragen, die Wirksamkeit des Antrags ist hiervon aber nicht abhängig. Der Räumungspflichtige kann die für eine Fristgewährung maßgebenden Tatsachen vortragen, zwingend erforderlich ist dies nicht. Allerdings darf das Gericht nur die Umstände berücksichtigen, die vorgetragen sind. Eine Pflicht zur Amtsermittlung besteht nicht.
Wird der Antrag auf Gewährung einer Räumungsfrist nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt, bleibt er unberücksichtigt.
Fristbewilligung auch von Amts wegen
Das Gericht ist gleichwohl nicht gehindert, über die Räumungsfrist von Amts wegen zu befinden. Dies dürfte aber die absolute Ausnahme sein, da im Zivilprozess grundsätzlich das Antragsprinzip gilt.
Ohne Antrag grundsätzlich kein Schutz für den Mieter
Es ist für den Mieter möglich, einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO auch noch in der Berufungsinstanz zu stellen. Wenn das aber auch dort nicht getan wurde, ist eine Korrektur durch das Revisionsgericht (BGH) ausgeschlossen. Der BGH kritisierte in einem Fall, dass im Vorverfahren die Voraussetzungen des § 719 Abs. 2 ZPO (insbesondere der Nachweis, dass die Zwangsvollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil darstellt) weder nachgewiesen noch ein Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung gestellt wurde.
1.3 Urteilsergänzung
Ist der Antrag bei der Entscheidung übergangen worden, kann der Antragsteller Urteilsergänzung n...